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Die Grünen im Gegenwind

28. Juni 2021

Erstmals stellen die Grünen eine Kanzlerkandidatin und die Erwartungen sind groß. Kurz nach Bekanntgabe von Annalena Baerbocks Kandidatur folgen die Rückschläge. Die Euphorie ist abgeebbt. Schaffen es die Grünen noch an die Spitze? Eine Analyse der Grünen im Wahlkampf.

Montag, der 19. April 2021, 11:04. Baerbock tritt ans Rednerpult, nimmt einen Schluck aus ihrem Wasserglas, Mikrofone quietschen, Kameraverschlüsse klicken. Nur wenige Augenblicke vorher hatte Co-Parteichef Robert Habeck ihre Kandidatur als Kanzlerkandidatin der Grünen bekanntgegeben. Tausende Menschen sehen zu, als Baerbock bei ihrem ersten Auftritt als Kanzlerkandidatin vor die Kameras tritt. „Und so beginnt heute ein neues Kapitel für unsere Partei. Und wenn wir es gut machen, auch für unser Land.“, verspricht sie in ihrer Antrittsrede. 

Was darauf folgt? Ein Höhenflug! Einige Wochen nach der Bekanntgabe schließen die Grünen in den Umfragen zwischenzeitlich zur Union auf.Teilweise scheint es, als wäre eine beschlussfähige Regierung ohne grüne Beteiligung schlichtweg nicht möglich. Auch wenn es kein atemberaubendes Kunststück darstellt, neben Armin Laschet und Olaf Scholz modern zu wirken, so verkörpern die Grünen, und allen voran Annalena Baerbock, ein zukunftsorientiertes Deutschland. Doch während sich die neue Volkspartei noch in sanften Aufwinden wähnt, folgt die unsanfte Landung auf den Boden der Tatsachen. 

Selbstgemachter Gegenwind

Boris Palmer, Bürgermeister der Stadt Tübingen, sorgt für den ersten Dämpfer grüner Euphorie. Seine rassistischen Äußerungen auf Facebook, von ihm selbst als Ironie bezeichnet, fordern die frischgebackene Kanzlerkandidatin zum Handeln. Souverän fordert sie Palmer auf, sich zu entschuldigen und entschuldigt sich darauf selbst, als dieser ihrer Aufforderung nicht nachkommt. 

Kurz darauf meldet Baerbock Sonderzahlungen in Höhe von 25.000 Euro zu spät bei der Bundestagsverwaltung nach. Ein Fehler, klar. Aber es ist keine Reaktion auf eine investigative Recherche, sondern eine Selbstkorrektur. Und dann war da noch der Lebenslauf. Auf Baerbocks eigener Website fanden sich drei Fehler in ihrer Vita. Baerbock hat in ihrer Studienlaufbahn nur das Vordiplom erworben – auf der Website waren keine Angaben zum Abschluss ersichtlich gewesen. Auch ist sie nicht Mitglied des German Marshall Funds und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR kann man, anders als im Lebenslauf angegeben, gar nicht beitreten. 

Aufhübschung, das ist der Vorwurf der politischen Gegenseite – da sei etwas „durchgerutscht“ sagt der Wahlkampfleiter der Grünen in einem Interview mit Zeit Online.

So oder so – die Themen machen in den Medien Karriere, die Umfragewerte der Grünen sinken um 4,5 Prozentpunkte. Und dann auch noch das schlechte Ergebnisbei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, bei der von einem Aufwind der Grünen nichts zu spüren ist. Nimmt all das den Wind aus den grünen Segeln? 

Was allen Fehltritten der Grünen gemein ist: Es sind persönliche und vergleichsweise harmlose Fehltritte. Kein Skandal des Maßstabs Maskenaffäre, kein Milliardenskandal á la Wirecard. Die Grünen, so scheint es, stehen als Neuling im Ring und dürfen sich deshalb weniger Kontroversen leisten als die Konkurrenz, werden intensiver durchleuchtet.

Sonnige Aussichten für das grüne Kernthema

Und die Grünen haben noch ein Ass im Ärmel: ihr Programm. Nachdem die einstige Nischenpartei von und für Umweltschützer:innen unter Baerbock und Habeck das Ziel erreicht hat, sich für die Gesellschaft zu öffnen, sind es die Inhalte, die die Grünen insneue Ziel, das Kanzleramt, bringen könnten. Das klimapolitische Einlenken der ehemaligen Volksparteien – es ist der verzweifelte Versuch, ein Stück des grünen Programmkuchens zu stibitzen. 

Das ist der große Vorteil der Grünen und dessen ist sich Baerbock bewusst: „Ich trete an für Erneuerung. Für den Status Quo stehen andere.“Die hohe Zustimmung in den Umfragen seit Beginn des Jahres zeigen, dass sich der Wille nach Veränderung im wichtigsten Teil der Demokratie ausbreitet – im Volk als Souverän. Dabei passen die Grünen bei dieser Wahl auf, keine allzu unangenehmen Themen zu tangieren. Was 2013 der Veggie-Day war, könnte bald die Erhöhung der Benzinpreise, obwohl von der aktuellen Regierung faktisch schon beschlossen, und das Verbot von Flügen auf der Kurzstrecke sein. 

Glücklicherweise, aus Sicht regierungswilliger Grüner, wurden die Forderungen der „Hardliner“ auf den Parteitag zurückgewiesen. Kein deutlich höherer CO2-Preis, keine verschärften Tempolimits auf Landstraßen. Die Taktik, heikle Themen zu umschiffen, scheint gut zu laufen und gegen alle Kritik ist den Grünen hier auch schwer ein Vorwurf zu machen. Wem nützte es, wenn sich die Grünen als klimapolitische Hardliner positionierten, Zustimmung einbüßten und letzten Endes erneut in der Opposition landen würden? Richtig, der Union, die sich mit ihrem Wahlprogramm inklusive festhalten am Verbrenner und Deckelung der Unternehmenssteuer einmal mehr selbst von den Grünen distanziert haben.

Klimaschutz ist in der Breite der Gesellschaft angekommen 

Trotzdem ist das Wahlprogramm bei den Grünen eine weitaus stärkere Waffe als bei den anderen beiden Parteien, die Anspruch auf die Kanzlerschaft erheben. Dass Klimaschutz ein zukunftsweisendes, existenzbedrohendes Thema ist, das ist einer überwiegenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung längst klar. Ebenso empfinden die Wähler:innen die bisherigen Bemühungen der Bundesregierung als nicht ambitioniert genug. 

Hier springt das Image der Grünen als das klimapolitische Original in der deutschen Parteienlandschaft ein. Wer Klimaschutz will, wählt mit großer Wahrscheinlichkeit grün. Ein heißer Sommer, so einfach es auch klingen mag, kann den Grünen ebenfalls in die Karten spielen. Zentral für die Partei wird es jetzt auch, Klimapolitik ganz oben auf die politische Agenda zu setzen, den Fokus auf Bereiche zu lenken für die man im Parteiprogramm Lösungskonzepte erarbeitet hat. Finanzielle Erleichterungen für Bürger:innen sind, anders als bei der Union, von den Grünen auch geplant: Das Bürgergeld, welches sich aus dem CO2-Preis finanziert, soll als direkte Entlastung, quasi eine kleine Version von sozialer Umverteilung, agieren.

Die Unterstützung aus den eigenen Reihen beim Parteitag der Grünen, wo Baerbock mit 98,5 Prozent als Kandidatin bestätigt wurde, ist ein erstes Anzeichen für eine frische Brise Rückenwind. Vielleicht reicht sie ja, um Annalena Baerbock bis ins Kanzleramt zu tragen.

 von Niklas Berger

Titelbild: © Olaf Kosinsky Olaf Kosinsky creator QS:P170,Q30108329 , 2019-05-09 Annalena Baerbock GRÜNE MdB by Olaf Kosinsky 1757, CC BY-SA 3.0 DE

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