Nach Rom zu Reisen ist in diesen Tagen wegen der Corona-Krise vielleicht nicht die beste Idee. KROSSE-Redakteur Moritz hat es Anfang März trotzdem gewagt. In einem Reisebericht spricht er über Museumsschließungen, volle Supermärkte und offene Restaurants.
Dilemma – So konnte man am besten meine gedankliche Situation beschreiben, als ich mich Anfang März fragte, ob ich die mit meiner Freundin geplante Romreise antreten sollte. Einerseits war da das Coronavirus, was in Italien wütete und sich immer weiter ausbreitete. Andererseits freuten wir uns schon Wochen im Voraus endlich die ewige Stadt besuchen zu können, um endlich monumentale Bauwerke, wie den Petersdom oder das Kolosseum aus nächster Nähe zu bestaunen. Letztendlich entschieden wir uns für die Reise ganz nach dem Motto: Wenn alle Wege nach Rom führen, muss es auch trotz Corona einen Weg wieder herausgeben.
Volle Supermärkte und Cafés
Als wir nun aus dem Flieger am Flughafen Ciampino stiegen und mit einem Bus in Richtung Stadtzentrum fuhren, erwartete ich eigentlich leere Straßen, geschlossene Geschäfte und schlecht besuchte Sehenswürdigkeiten. Doch das war ein Irrtum. Um es kurz zusammenzufassen: Es war laut, voll und unübersichtlich. Die Menschen und zahlreiche Touristen schlenderten durch die vollen Gassen oder saßen in Cafés. Auch am Abend konnte man viele Gruppen in Tavernen oder Restaurants antreffen. Alles für mich, als sei Corona kein Thema. Nur vereinzelt nahm man Leute mit Gesichtsmasken wahr. Anders als in Deutschland schienen die Italiener wenig von Hamsterkäufen zu halten. Ob Klopapier, Nudeln oder Desinfektionsmittel- in den Regalen von Roms Supermärkten war davon reichlich vorhanden.
Wie können die Leute einer so großen Stadt ihren normalen Alltag, trotz einer zunehmend schwierig werdenden Situation aufrechterhalten, war eine Frage die ich mir häufig in den vier Tagen stellte. Ist das Dolce Vita so lebenswert, dass man fahrlässig über eine schwere Pandemie einfach hinwegsehen kann? Als ich mit einem italienischen Gastwirt sprach und ihn auf diese Thematik aufmerksam machen wollte, bekam ich eine pragmatische Antwort. Er versuche sich und seine Familie so gut wie es geht zu schützen. Allerdings müsse er auch sein Restaurantbetrieb aufrechterhalten, um weiter existieren zu können. Der Gedanke, dass die Leute in Rom vielleicht auch gar nicht entspannt in ihrer Wohnung bleiben können, übermannte mich. Denn das Pulsieren der Stadt zieht einen förmlich in den Bann, so dass man Angst haben könnte etwas zu verpassen. Es ist egal, ob du am Piazza della Repubblica, einem riesigen Platz dessen Mittelpunkt ein riesiger, antiker Springbrunnen aus Marmor prägt oder am Forum Romanummit seinem antiken Triumphbogen, zwei-, sechs- oder zehnmal am Tag vorbei gehst- Man entdeckt immer etwas Neues.
Der letzte Tag. So langsam schien die Angst in der italienischen Hauptstadt vor einer weiteren Verschärfung der Corona-Krise um sich zu greifen. Als wir morgens vor dem Kolosseum standen um, an einer Führung in das Innere der antiken Arena teilzunehmen, sagte man uns, dass diese nicht stattfindet. Grund hierfür waren neue und verschärfte Maßnahmen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Auch alle anderen Museen, Sehenswürdigkeiten und Kirchen waren geschlossen. Die Stimmung kippte. Es wurde ernst. Man fühlte sich mehr und mehr durch die Carabinieri und andere Sicherheitskräfte, die die Sehenswürdigkeiten schützten, beobachtet. Generell schien die Stadt sich an diesem Tag von ihrem lebhaften und fröhlichen Treiben zu verabschieden. Daher beschlossen wir aus der Stadt zu fahren und die nähere Umgebung zu erkunden. Entlang der alten römischen Straße Via Appia Antiqa traf ich auf beeindruckende und farbenfrohe römische Herrenhäuser, sowie einige Überreste von Aquädukten. Diese versorgten in der Römerzeit Rom mit Frischwasser aus den Bergen. So lernten wir auch die Attraktionen abseits der Stadt Rom kennen.
Gold und Marmor im Überfluss
Neben dem öffentlichen Leben während eines Pandemieausbruchs nahm ich noch etwas anderes aus meiner Zeit in Rom mit. Ich verstand nun, warum für viele Menschen bis heute die Begriffe „Gott“ und „Glaube“ eine wichtige Rolle spielen. Sei es der aus Marmor bestehende Trevibrunnen, mit einer riesigen Darstellung des römischen Meeresgottes Ozeanus, der Petersdom mit seiner beeindruckenden Kuppel und der sixtinischen Kapelle oder auch einfach nur Kirchen, die in ihrem Inneren mit Darstellungen aus Gold, Mosaiken und Marmorskulpturen protzten: Alles wirkte nicht von Menschenhand, sondern von etwas Übernatürlichem, nicht Greifbarem gemacht. Man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus und fragt sich, ob denn das Alles real ist.
Fazit: Eine Reise nach Rom lohnt sich immer. Gerne auch mehrmals. Es gibt einfach so viel zu entdecken und die Stadt beeindruckt nicht nur durch ihre großen und monumentalen Bauwerke, sondern auch durch kleine und unscheinbare Sachen. Empfehlenswert wäre es natürlich nicht hinzureisen während sich dort ein gefährlicher Virus ausbreitet. Die am Ende spürbare Verschlimmerung der Corona-Lage vor Ort rief ein schlechtes Gewissen hervor. Die Frage, ob man vielleicht zu verantwortungslos gehandelt habe und seine Freunde und Mitmenschen zu Hause gefährde, drängte sich einem auf. Schließlich reiste man aus einem Land zurück, in dem die Zahl der Infizierten und Toten mit COVID-19 vehement anstieg. Die Gefahr, in Bremen weitere Leute durch eine eingeschleppte Corona-Infektion aus Italien anzustecken, war groß. Zum Glück blieb ich gesund.
von Moritz Gammersbach