Vier Jahre nach der Gründung ist es für die Indie-Pop-Band Provinz „Zu spät um umzudrehen“. Das jedenfalls ist der Titel der neuen EP, die die vierköpfige Gruppe im Juni veröffentlicht hat. Mit dem neuen Release schlägt Provinz sowohl altbekannte als auch neue Tasten an.
Drei Cousins, ein Schulfreund, Gitarre, Keyboard, Bass und Schlagzeug – das ist Provinz. Seit 2019 stehen Vincent Waizenegger, Moritz Bösing, Robin Schmid und Leon Sennewald aus dem Süden Baden-Württembergs beim Label Warner Music unter Vertrag. Nach der Single „Neonlicht“ erschien am 3. Mai 2019 die erste EP „Reicht dir das“, produziert von Tim Tautorat, der unter anderem bereits Faber und AnnenMayKantereit produziert hat.
Das erste Album mit dem bescheidenen Titel „Wir bauten uns Amerika“ veröffentlichte Provinz 2020, erreichte Platz 4 der Albumcharts und wurde als eines der heißesten Debuts in der deutschen Musikszene gelobt und mit der 1LIVE Krone als bester Newcommer Act ausgezeichnet. Mit mitreißenden Texten, tanzbaren Melodien und einer großen Bandbreite an Klängen und Emotionen, die mal an Faber, mal an Giant Rooks erinnern, schlug die Band rund um Leadsänger Vincent wie ein Komet im deutschen Indie-Pop ein.
Neues Album, neue Töne
Mit „Zu spät um umzudrehen“ legt die junge Band aus dem Landkreis Ravensburg fünf neue Lieder nach. Von der mitreißenden „Hymne gegen euch“ bis zum melancholisch-ruhigen Song „22 Jahre“, liefert auch diese EP wieder ein weites Spektrum an Gefühlen. Zerrissen zwischen „Großstadt“ und Provinz, zwischen politischer und intim-privater Sphäre ist das Album ein Spiegel der Seele einer Generation, die um ihren Platz in der Gesellschaft ringt.
Gleich im ersten Track „Hymne gegen euch“ offenbart sich der Bruch mit dem Status Quo. Wenn Vincent seine Stimme erhebt und singt: „Aus stummem Protest wird eine Horde / Das sind mehr als nur Worte / Das ist kein Lied für uns / Das ist ne Hymmne gegen euch“, erinnert das nicht von ungefähr an Protestbewegungen gegen zukunftsfeindliche Politik. Provinz sieht in der im vergangenen Jahr gewonnenen Reichweite auch eine Verantwortung, möchte die eigene Generation zum politischen Handeln ermutigen.
Im nächsten Song singen die Jungs aus dem Süden „Ich will nicht in die Großstadt / Ich hab’ Angst mich zu verlieren / Wir sind die gleichen Jungs von damals / Lieber bleib’ ich ewig hier“, zollen ihrer Heimat, dem kleinen Dorf Vogt, Tribut. Provinz beschreibt mit Indie-Charme eine in der Generation tief verwurzelte Landromantik.
Liebe und viele Gefühle
Auf ihrem Debutalbum stand Liebe in „Chaos“, „Du wirst schon sehen“ oder „Nur bei Dir“ im Fokus. Haben die Jungs etwa das Lieben verlernt? Nein! Zuerst lädt „Zimmer“ dazu ein, „Türe
zu, Augen auch“ sich ganz jugendlichem Liebeskummer hinzugeben, mit einer Prise Nostalgie und einem Hauch Selbstmitleid. Mit „22 Jahre“ hat Provinz ihren bisher wohl intimsten und ruhigsten Song veröffentlicht. Eine Ballade für die Mütter, eine Hymne, auch an eine behütete Kindheit.
„Ich will dich wiedersehen“ komplettiert das Quintett. Der Love-Song mit warmen Gitarrenakkorden und passendem Backgroundgesang sorgt für eine gehörige Portion feelgood-Vibes zum Abschluss der EP.
Provinz haben sich 2020 mit ihrem Debutalbum erfolgreich in die Charts katapultiert. Und auch wenn die neue EP nicht ganz an den Erfolg von „Wir bauten uns Amerika“ anknüpfen konnte, nur eine Woche auf Platz 14 der Albumcharts stand, zeigt die junge Band aus Baden-Württemberg, wie sie sich weiterentwickelt hat, wo sie ihren Platz, sowohl musikalisch als auch in der Gesellschaf, sieht. „Zu spät um umzudrehen“ ist eine waschechte Pandemie-Platte, die Erlebnisse aus dem vergangenen Jahr in fünf Tracks gepresst.
Beim Hören wünscht man sich in einen kleinen, stickigen Szeneklub, dichtgedrängt, bierverklebter Boden und ausgeleierte Sofas – denn genau den Spirit versprüht die neue EP.
„Zu spät um umzudrehen“ gibt’s als Platte, CD und auf diversen Streaming-Plattformen zu hören. In den nächsten Wochen und Monaten spielt Provinz außerdem voraussichtlich auf einigen Picknickkonzerten in ganz Deutschland live.
von Niklas Berger
Credits Titelbild: WMG