„WE ARE PARAMORE!“ – schreit die Menge euphorisch zum Mikro, welches Hayley Williams Richtung Publikum hält. Die lang ersehnten Klänge von „Hard Times“, dem Herzstück des neuen Albums „After Laughter“ ertönen und allen ist klar: dies ist der letzte Song der auf diesem großartigen Konzert gespielt wird.
Am 3. Juli 2017 traten die US-Alternative-Rocker Paramore auf der Freilichtbühne im Hamburger Stadtpark im Zuge ihrer Albumtour auf. Als langjähriger Paramore-Fan konnte meine Vorfreude nur wenig durch den immer mal wieder runterkommenden Regen und die leicht irritierende Vorband „Bleached“ gedämpft werden. Diese bestand aus drei nicht mehr ganz so jungen Frauen, deren Songs alle gleich klangen und sie wie eine längst das Verfallsdatum überschritten habende Girlie-Schulband in merkwürdigen Outfits wirken ließen. Tatsächlich brachte es einen zum Lächeln, dass die kleine, zierliche Frontsängerin von Paramore Haley Williams voller Solidarität im Fan-T-Shirt ihrer Vorband am Bühnenrand mit dem Kopf zur Musik wippte. Dies mag von außen wie eine Kleinigkeit wirken, jedoch gab es einem das heimelige Gefühl, das Paramore einem immer gibt – man ist nicht Star und Fan, sondern alle sind gleich, ein Teil einer schrägen fröhlichen Familie. Dann ging es richtig los, die ersten Klänge von „Told you so“ ertönten, das zweite Lied des neuen Albums und sofort blühte die Menge in dem aufkommenden Feeling auf.
Musikalischer Richtungswechsel
Nach all den Jahren des Emo/Alternative-Rock schlägt Paramore mit den neuen Liedern eine New Wave/Synthpop-Richtung ein, mit einer musikalischen Rückbesinnung auf die 80er Jahre. Zwar kommt dies nicht unerwartet, da sich schon bei dem 2013 erschienenen Album „Paramore“ eine leichte Soundveränderung andeutete – poppiger, die breite Masse ansprechender – jedoch entgegen meiner Bedenken, blieb Paramore immer noch Paramore. Auch wenn sich die Zusammensetzung (mal wieder) geändert hat und der ehemalige Mitbegründer und Drummer, welcher vor sieben Jahren ausstieg, Zack Farro sich wieder Hayley und dem derzeitigen Lead-Gitarristen Taylor York anschloss.
„Misery Business“ – Fans auf der Bühne
So singen alle hüpfend und tanzend mit, wenn die altbekannten rockigen Klänge von „Brick by bring Brick” ertönen und Hayley Williams’ unverwechselbare und facettenreiche Stimme kein bisschen erschöpft klingt – trotz ihrer wilden Tanzerei – und man immer wieder auf’s Neue davon überwältigt ist, wie aus so einer kleinen Frau solch eine Kraft kommen kann. Auch „Still into you“ und „Ain‘t it fun” vom letzten Album wurden mit Hingabe gespielt, wobei Hayley ihre weiße Wuschelmähne headbangend hin und her schwang. Tatsächlich wurden neue Lieder wie „Fake happy“ live erstaunlich rockiger gespielt als in der Studioversion, was alle Fanherzen sofort höher schlagen ließ. Überraschenderweise wurden auch „Decode“ und „I caught myself“ performt – die Lieder, die ich von Paramore zum ersten Mal hörte, als ich damals in der fünften oder sechsten Klasse war. Am ergreifendsten wurde es dann, als Hayley zwei Fans aus dem Publikum holte, die es gar nicht fassen konnten, mit ihr „Misery Business“ singen zu dürfen. Als ein weiterer Fan sogar spontan die Gitarre dazu spielte, flippte die jubelnde Menge freudig aus und feierte das spontane gemeinsame Jammen. Ein Lied, auf das ich mich besonders gefreut hatte, „Rose coloured boy“, eins der Neuen, ließ die Stimmungswelle auch weiter aufbrechen, als Hayley jedes Mal die Menge den wiederkehrenden melodischen Slogan „Low key, no pressure! Just hang with me and my weather“ ausgelassen und happy singen ließ. Dennoch war das Konzert keineswegs einseitig. Mit etwas ruhigeren, gefühlvolleren Nummern wie „Forgiveness“ oder der altbekannten Ballade „Hate to see your heart break“, wurden wir alle, wie Hayley so schön sagte, „a little bit emotional together“, was wohl auch die Fremde hinter mir dachte, als sie mir lauthals „DAS IST SOOO EIIIIN SCHÖÖÖNES LIEEED“ ins Ohr brüllte.
Nostalgische Flashbacks
Nach knapp anderthalb Stunden, die doch viel zu kurz wirkten, in denen zeitweise sogar unüblicherweise der Gitarrist Taylor York einen Teil gesungen hatte, was übrigens gar nicht so schlecht klang, kam es zu einer herzerwärmenden Rede seitens Hayley. Tief bewegt sprach sie über das langjährige Familie-Sein von Paramore und den deutschen Fans, zu denen sie immer wieder zurückkehren würden, solange sie willkommen wären. Nachdem die Band gemeinsam mit dem Publikum den Schlachtruf „WE ARE PARAMORE“ rief, kam es zum letzten Lied und es wurde endlich endlich „Hard Times“ gespielt, von dem man seit den Wochen nach seiner Veröffentlichung einen Ohrwurm hatte. Auch wenn mir Songs wie „Idle Worship“ oder „Ignorance“ verschmäht blieben, war es doch ein wahres Erlebnis, Paramore live zu sehen – Pflicht für alle Fans! Mit zum Nachdenken anregenden, leicht depressiv-tiefgründigen Texten, welche aber knallbunt im Synthpop verpackt sind, waren die neueren Songs doch viel besser als erwartet. Erwartungen wurden übertroffen, neue wie langjährige Fans hatten alle ihren Spaß und nachdem ich zeitweise in meine Teeniejahre zurückversetzt worden bin, habe auch ich wieder richtig Lust bekommen, die Lieder wieder öfter zuhören, nachdem ich sie doch zeitweise durch den Soundwechsel aus dem Gehör verloren hatte.
Nadia Mejri
Bildquelle: Krosse