Die “The Mystery of Banksy” – Ausstellung bietet einen Rückblick auf die bisherige Arbeit des Street-Art-Graffiti-Künstlers rund um mehrere spektakuläre Installationen. Krosse war für euch vor Ort.
Nach “Van Gogh – The Immersive Experience” ist nun der Provokateur Banksy an der Reihe, dessen Kunst vom 8. April bis zum 14. August 2022 im Bremer BLG Forum ausgestellt wird (Am Speicher XI – Waller Ring Station). Dabei handelt es sich um eine neuartige Installation, in der mehr als 150 Werke des Künstlers gezeigt werden. Von seinen Anfängen in Bristol über freihändige Graffiti bis hin zu seinem neuesten Schablonengemälde von 2021. Auch seine physischen Installationen in der Londoner U-Bahn oder der “Dismaland – Bemusement Park” sind zu sehen. “The Mystery of Banksy – A Genius Mind” bietet dem Besucher in einem einzigartigen Rahmen einen umfassenden Überblick über das Gesamtwerk dieses Ausnahmekünstlers.
Die Ausstellung ist eine pluralistische und immersive Kunsterfahrung, die dank der Kuratorin Virginia Jean möglich ist. Die Engländerin, die seit einigen Jahren in Berlin lebt, hat sich als junge Galeristin und Kuratorin auf den Bereich der Street Art spezialisiert, nachdem sie viele Jahre für den klassischen Kunstmarkt gearbeitet hat. Als Spezialistin auf diesem Gebiet und große Bewunderin von Banksy wegen seiner Leidenschaft für freie Kunst wollte Virginia Jean eine Ausstellung schaffen, die für alle zugänglich ist. „Ein Banksy-Werk berührt jeden und ist an jeden gerichtet“, sagt sie.
Ein visuelles Abenteuer
Kunstobjekte, Graffiti, Fotografien, Skulpturen, Videoinstallationen und Drucke auf verschiedenen Materialien wie Leinwand, Aluminium und Plexiglas wurden speziell für diese temporäre Ausstellung reproduziert und zusammengestellt. Eine Ausstellung für alle: Kinder, Jugendliche, Erwachsene – barrierefreier Zugang inbegriffen.
Eine Zeitleiste mit allen Ausstellungen des Graffiti-Künstlers und eine Black Box mit psychedelischen Videos (Vorsicht bei Epilepsie) werden den Besuchern geboten. Aber auch dreidimensionale Reproduktionen einiger seiner Werke mit detaillierten Erklärungen. So gibt es zum Beispiel “I get lockdown but I get up again” auf der District Line in der Londoner U-Bahn mit Türen, die sich schließen, um einen Effekt wie im wirklichen Leben zu erzeugen. Anstelle der Werbebildschirme ist jedoch ein Video zu sehen, in dem der Künstler den Malprozess zeigt, verkleidet als Reinigungskraft.
Auch das Werk “Venice in Oil”, das die Biennale von Venedig 2019 durcheinandergebracht hatte, ist nachgebildet, ein Puzzle aus Bildern, das den Massentourismus anprangert. Und nicht zu vergessen: das berühmte “Walled Off Hotel”, das in seinem originalen Stil nachgebaut wurde. Die Museumserfahrung findet nicht nur visuell, sondern auch sensorisch statt. Von Zeit zu Zeit ist das Geräusch von Graffiti-Bomben zu hören, als wäre Banksy nicht weit entfernt.
Um dem Motto des Künstlers: “Copyright is for losers ©TM” gerecht zu werden, sind die Hommage an Banksy und die darin gezeigten Werke jedoch aufgrund des anonymen Status des Künstlers nicht von ihm autorisiert. Es ist daher wichtig zu betonen, dass es sich bei den gezeigten Werken nicht um Originale, sondern um Reproduktionen handelt.
Obwohl die Erklärungen zu den Werken sehr detailliert sind, sind sie überwiegend auf Deutsch und nicht auf Englisch. Weitere Informationen gibt es über QR-Codes an den Wänden. Für nicht deutschsprachige Personen ist die Ausstellung daher weniger empfehlenswert, wenn Erklärungen zu den Bildern gewünscht sind.
Wer ist Banksy ?
Er ist einer der bekanntesten Künstler der Welt, der die moderne Welt satirisch aufs Korn nimmt und mit den Codes des Kunstmarkts spielt. Die Anonymität nährt das Geheimnis um Banksy und führt dazu, dass man sich immer mehr über die Natur und die Bedeutung seiner Werke Gedanken macht. Er betrachtet Kunst als eine neue ästhetische Erfahrung des Politischen und als eine Waffe gegen die Fehlentwicklungen der postmodernen Gesellschaft.
Zynisch, ironisch und witzig sind die Adjektive, die seine Kunst beschreiben. Er gilt als Anarchist, Provokationen gegen das britische Parlament, die Königin und die Polizei sind seine Lieblingsthemen.
Man muss sich nur mit der Bedeutung seiner Werke bei den verschiedenen Ausstellungen, die er organisiert hat, beschäftigen. So zum Beispiel Barely Legal, 2007 in einem Lagerhaus in Los Angeles, wo die versammelten Werke die Konsumgesellschaft scharf kritisieren.
In einer scharfen Kritik am Konsumismus bezieht sich Banksy auf die christliche Ikonographie und malt mit seiner ikonischen Schablone vier trauernde Frauen, die vor einem Schild mit der Aufschrift “Sale Ends Today” niedergeworfen sind.
In “Festival” steht eine Gruppe von Menschen vor einem Stand (am Eingang eines Festivals oder eines Konzerts) Schlange, um ein T-Shirt mit der Aufschrift “Destroy Capitalism” zu kaufen. Banksy zeigt uns, dass, auch wenn die Leute in der Schlange wie Hippies und Punks aussehen, der Kampf gegen den Kapitalismus oft ein Widerspruch ist, der sich den Regeln des Konsums nicht entziehen kann.
Eines der bemerkenswertesten Werke ist “Morons”, das eine Auktion inszeniert, bei der ein Auktionator ein Gemälde verkauft, auf dem steht: “I can’t believe you morons buy this shit”. Banksy macht sich hier auf ironische Weise über die Kunstwelt lustig und kritisiert ihre wirtschaftliche Funktionsweise.
Rekordsumme für ein zerrissenes Gemälde
Der Gipfel des Zynismus, wenn man bedenkt, dass er es liebt, sich über den Kunstmarkt lustig zu machen. Doch der Kunstmarkt liebt es, zu kommerzialisieren, zu rentabilisieren und den kapitalistischen Aspekt bis zum Äußersten auszunutzen.
Dieser Wahnsinn erreichte seinen Höhepunkt, als das Werk “The Girl With Balloon”, das bei einer Auktion 2018 teilweise zerrissen wurde, im Oktober letzten Jahres für 16 Millionen Pfund zerstört zurückgekauft wurde. Ein Rekord, selbst für das große Haus Sotheby’s.
Das gilt auch für die zahlreichen Merchandising-Produkte, die in großen Stückzahlen über die Ladentheke gehen. Was würde Banksy dazu sagen, wenn er die Preise von 20 Euro für Erwachsene (am Wochenende) sehen würde, nur um die Ausstellung zu sehen? Oder von 14 Euro unter der Woche bis 16 Euro am Wochenende für ältere Menschen und Studenten?
Als kleines Extra am Ende geht die immersive Erfahrung weiter: man kann Graffiti mit den ikonischen Banksy-Motiven über den Pullover sprühen, oder damit auf der Graffiti Area schreiben und zeichnen. Allerdings fallen für die individuelle Gestaltung der Pullover wiederum Extrakosten an.
Die gleiche Ausstellung wird auch in Leipzig, Hamburg und demnächst in Frankfurt, Kiel, Mülheim und anderen Orten abgehalten.
Eine einzigartige Ausstellung, umfassend, detailliert, visuell und sensorisch. Das ist der Anspruch von “The Mystery of Banksy- A Genius Mind” und der ist gelungen. Das Geheimnis um den Künstler ist dank dieser Ausstellung ein wenig verblasst.
von Agustina Erneta