Selbst nach sieben Staffeln ist die US-amerikanische Anwaltsserie „The Good Wife“ noch immer ein Geheimtipp unter deutschen Serienjunkies: Ganze 156 Episoden um das berufliche und private Drama der Top-Anwältin Alicia Florrick (Julianna Margulies). Seit April 2017 ist die siebte und letzte Staffel auf Netflix verfügbar. Hoffnungsschimmer für die Fans: Die erste Staffel des Spin-Offs „The Good Fight“ startete bereits im Februar 2017 in Amerika, der deutsche Starttermin wurde allerdings noch nicht bekannt gegeben. Es bleibt also noch genug Zeit, um alle sieben Staffeln vom Vorgänger „The Good Wife“ in einem Bingewatching-Marathon auf Netflix anzusehen – Krosse findet: es lohnt sich!
Nach 13 Jahren Pause zurück ins Berufsleben
Ausgangspunkt der ersten Staffel ist der Skandal um Alicias Ehemann Peter Florrick (Chris Noth aka Mr. Big, bekannt aus „Sex and the City“): Der Oberstaatsanwalt von Chicago wird angeklagt, öffentliche Gelder veruntreut zu haben – für Edel-Prostituierte. Peter tritt von seinem Amt zurück, wird verurteilt und geht ins Gefängnis. Doch wie es der Serientitel bereits vermuten lässt, steht Alicia als ‚gute Ehefrau‘ zu ihrem Mann. Bei der öffentlichen Pressekonferenz zu Peters Rücktritt und Verurteilung zu Beginn der Serie hält Alicia brav die Hand ihres Mannes. In ihrem Innern brodelt es währenddessen allerdings gewaltig: Hinter den Kulissen kassiert Peter eine deftige Ohrfeige. Dies bleibt jedoch das erste und vorerst letzte Mal, dass Alicia ihre Demütigung offen zeigt. Denn Alicia fügt sich nicht einfach in die Rolle der bemitleidenswerten, betrogenen Ehefrau und offenbart stattdessen ihre starke Persönlichkeit. Schließlich ist Alicia plötzlich die Alleinversorgerin der Familie und muss den Lebensunterhalt für sich und ihre zwei Kinder Grace (Mackenzie Vega) und Zach (Graham Philips) verdienen. Und auch sich selbst gestattet sie keine Trauer und lässt erst nach zwei Staffeln die ersten eignen Tränen zu.
Statt in Selbstmitleid zu versinken kehrt Alicia nach 13 Jahren Pause zurück in ihren alten Beruf als Anwältin. Den Job in einer der Top-Anwaltskanzleien von Chicago erhält Alicia durch ihren Studienfreund und Mitinhaber der Kanzlei Will Gardner (Josh Charles). Was er ihr zunächst verschwiegen hat: Die Kanzlei hat eigentlich nur eine freie Stelle – und zwei Anwärter darauf. Nach der langen Berufspause muss sich Alicia also doppelt anstrengen und sich in der Kanzlei ‚Lockhart & Gardner‘ auch noch gegen ihren deutlich jüngeren Mitbewerber Cary Agos (Matt Czuchry) behaupten. Vor allem die zweite Namenspartnerin der Kanzlei Diane Lockhart (Christine Baranski) ist zunächst skeptisch, ob Alicia dem hohen Druck standhalten kann.
Gleichzeitig steht Alicia im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit und wird ständig mit den Taten ihres Mannes konfrontiert. In ihrem Umfeld stößt Alicia immer wieder auf Unverständnis, wie sie Peter seine Untreue scheinbar verzeihen konnte. Neben Alicias persönlichen Problemen – und der sich anbahnenden Romanze mit Jugendliebe Will Gardner – stehen die Anwälte nebenbei in jeder Folge vor kniffligen juristischen Fällen. Dabei sieht sich Alicia immer wieder mit der Frage konfrontiert, was für eine Anwältin sie sein will. Sie selbst hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und klare Moralvorstellungen, trotzdem verteidigt sie beruflich Mandanten wie den Drogenbaron Lemond Bishop (Mike Colter) oder Frauenmörder Colin Sweeney (Dylan Baker). Ein Glück, dass Alicia bei ihren Fällen auf ihre Freundin und taffe Ermittlerin Kalinda (Archie Panjabi) zählen kann, die nicht davor zurückschreckt, auch mal Zeugen einzuschüchtern oder Autos zu demolieren.
Trailer Staffel 1:
Von der Bilderbuch-Ehefrau zur knallharten Top-Anwältin
Im Laufe der weiteren Staffeln verfolgt der Zuschauer Alicias fortlaufende Entwicklung. Aus der treuen Ehefrau, die auf der Bühne mit zugeknöpftem Kragen hinter ihrem Mann steht wird eine zielstrebige und unabhängige Karrierefrau. Alicia lernt, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und das Leben gelassener zu sehen. Katastrophen bewältigt sie mit ihrem trockenen Humor und dem abendlichen Gläschen Rotwein. Doch es ist nicht immer alles rosig. Die „Heilige Alicia“, wie sie von der Presse genannt wird, steht bei ihren Fällen zunehmend vor moralisch schwierigen Entscheidungen und das persönliche Drama der Dreiecksbeziehung um Will, Peter und Alicia spitzt sich immer weiter zu.
Auch die Kanzlei verändert sich ständig weiter. Aus ‚Lockhard&Gardner‘ ergeben sich im Laufe der Serie so viele neue Kanzleinamen mit unterschiedlichen Zusammensetzungen der Inhaber, dass der Zuschauer irgendwann aufhört mitzuzählen. Jeder, der Intrigen liebt, kommt bei den ständigen Kanzlei-Komplotts also definitiv auf seine Kosten. Bei den spannenden Fällen lernt der Zuschauer über die Staffeln hinweg zudem auch die Richter und konkurrierenden Anwälte besser kennen. Eine besondere Hassliebe verbindet dabei Alicia und ihren wiederkehrenden Gegner Louis Canning, gespielt von Michael J. Fox. In zahlreichen Gastauftritten treibt der manipulative Canning die Serienfans immer wieder zur Weißglut. Der an Parkinson erkrankte Schauspieler (bekannt u. a. als Marty McFly aus „Zurück in die Zukunft“) verkörpert einen ebenfalls an einer neurologischen Krankheit leidenden Anwalt, der seine motorischen Störungen vor Gericht ständig ausnutzt, um Richter zu beeinflussen und Fälle zu gewinnen.
Ein weiterer Pluspunkt: Innerhalb der sieben Jahre von „The Good Wife“ greift die Serie oftmals aktuelle Themen auf und beschäftigt sich beispielsweise mit Polizeigewalt gegen Schwarze, der Macht von Suchmaschinen oder Whistleblowing. So sorgt die Serie ständig für Abwechslung und regt zudem zum Nachdenken an. Besondere Aufmerksamkeit kommt dabei vor allem der Überwachung durch die NSA zu. In einem Nebenstrang treten über mehrere Staffeln hinweg immer wieder zwei alberne NSA-Mitarbeiter auf, die Alicia’s Leben über ihre persönlichen Telefonate wie eine Daily Soap verfolgen und nebenbei Ziegen-Videos auf Youtube ansehen.
„Es begann mit einem Schlag, und es sollte mit einem solchen enden“
Die preisgekrönte Dramaserie wurde bis zu seinem Tod 2012 von Tony Scott („Top Gun“, „Man on Fire“) und seinem Bruder Ridley Scott („Gladiator“, „Der Marsianer“), danach von den Autoren Michelle und Robert King produziert. Hauptdarstellerin Julianna Margulies gewann für ihre Rolle als Alicia gleich fünf Auszeichnungen, darunter zwei Emmys (2011, 2014) als beste Hauptdarstellerin einer Dramaserie. Grund dafür, dass der ganz große Erfolg bei den Zuschauern dennoch ausblieb, könnte sein, dass „The Good Wife“ seit der ersten Staffel 2009 in den USA auf dem Sender CBS ausgestrahlt wird, der eher als Mittelschichtsfernsehen gilt.
Für alle eingefleischten Fans, die bereits alle sieben Staffeln gesehen haben und das Serienende noch nicht richtig verdaut haben: In diesem offenen Brief beziehen die Serien-Autoren Michelle und Robert King Stellung zum endgültigen Staffelfinale. Ohne zu viel spoilern zu wollen – das Serienende hat bei den Fans definitiv gespaltene Reaktionen hervorgerufen. Vor allem eine erneute Ohrfeige in der letzten Folge der siebten Staffel sorgte für Furore und stieß bei einigen Fans auf Unverständnis. Die Autoren erklären, dass die beiden Ohrfeigen zu Beginn und am Ende der Serie eine Art Rahmen für die Handlung bilden sollen: „The show would start with a slap and end with a slap“.
Zum Glück wird die Story um Chicagos Top-Anwälte nun im Spin-Off „The Good Fight“ trotzdem weitergeführt. Nach sieben Staffeln, in denen die Zuschauer mit Alicia gelitten und gelacht haben, müssen sie sich allerdings von ihrer Lieblings-Anwältin verabschieden. Denn das Spin-Off muss ohne die Serienheldin auskommen. Doch auch in „The Good Fight“ stehen starke Frauenrollen im Mittelpunkt, die die Fans bereits ins Herz geschlossen haben, unter anderem die Kanzleichefin Diane Lockhart. Die Serie beginnt erneut mit einem Skandal, der den Ruf einer jungen Anwältin (gespielt von Rose Leslie, bekannt als Ygritte aus „Game of Thrones“) und ihrer Mentorin Diane zerstört. Weiterhin als Hauptrollen mit von der Partie sind aus dem alten Serien-Cast auch Marissa Gold (Sarah Steele) und Lucca Quinn (Cush Jumbo). Seit November läuft “The Good Fight” nun in Deutschland auf Fox und ist auch auf Sky verfügbar. Es wurde sogar schon eine nächste Staffel für das kommende Jahr angekündigt – das hört sich definitiv vielversprechend an!
Trailer:
Louisa Charles
Bildquelle: © CBS Broadcasting Inc.