Harte Kerle auf Harleys, Ehrenkodex und Loyalität bis in den Tod. Mit Sons of Anarchy wird die Welt der Serien um einen modernen Western bereichert, der vorher in der Form nicht da gewesen ist. Bei all dem Testosteron kommt jedoch auch das Herz nicht zu kurz.
Kleinstadtidylle? Fehlanzeige!
Die Geschichte beginnt in Charming, einer fiktiven Kleinstadt im Norden Kaliforniens. Dort hat sich der von Clay Morrow (Ron Perlman) geführte Motorrad-Club Sons of Anarchy niedergelassen. Im Zentrum des Geschehens stehen der Präsident Clay und sein Stiefsohn und Vize-Präsident des Clubs Jackson „Jax“ Teller (Charlie Hunnam). Um beide herum formiert sich der Rest des Clubs bestehend aus einer Hand voll Männern, in deren Leben nur eine Sache von Bedeutung ist: Die Loyalität gegenüber dem Club. Die Sons verdienen ihren Unterhalt mit allerlei zwielichtigen Geschäften. Waffenhandel, Schutzgelderpressung und Prostitution stehen auf der Tagesordnung. Schnell wird klar, dass auch innerhalb des Clubs nicht immer alles mit rechten Dingen zugeht. Jax soll eines Tages den Club übernehmen, jedoch schleichen sich früh Zweifel bei ihm ein. Spätestens als er ein Manuskript seines verstorben Vaters findet, in dem dieser einige Geheimnisse aus der Vergangenheit preisgibt, wächst Jax‘ Misstrauen in seinen Stiefvater und noch-Präsidenten Clay. Als später seine ehemalige Jugendliebe und heutige Krankenschwester Tara (Maggie Siff) in sein Leben tritt, ist das innere Chaos perfekt. Eine überaus tragende Rolle spielt auch Jax‘ Mutter und Clay’s Ehefrau Gemma (Katey Sagal). Die knallharte Rockerbraut würde alles für ihre Familie tun – sogar töten.
Survival of the cruelest
Die Bikes dürfen natürlich nicht fehlen[/caption] Doch kehren wir zurück nach Charming. Dort müssen sich die Sons of Anarchy regelmäßig gegen ihre zahlreichen Widersacher behaupten. Neben rivalisierenden Biker Gangs wie den latein-amerikanischen Mayans oder den afro-amerikanischen Niners müssen sich die Jungs auch gegen Drogenkartelle, die chinesische Mafia, die irische IRA oder die arische Bruderschaft durchsetzen. Gegner gibt es genug. Im Laufe der Serie werden Jax und seine Crew mehrfach gezwungen, sich mit einer Partei zu verbrüdern, um einer anderen zu schaden. Zum Teil wird äußerst skrupellos und brutal vorgegangen, um den Machtanspruch zu stärken. Hier tut sich eine weitere große Stärke der Serie auf. Vertrauen gibt es in der Welt der Sons nicht. Für niemanden. Der Tod fährt regelmäßig auf dem Sozius der Harley mit. Speziell für Jax führt dies später zu einer inneren Zerissenheit, denn er steht immer zwischen zwei Familien. Auf der einen Seite sein Club und auf der anderen seine richtige Familie.
Der Blick über den Tellerrand
Kurt Sutter porträtiert über 7 Staffeln hinweg ein Milieu, das die meisten bis dato höchstens aus den Medien kannten. Die realistische Darstellung der Biker-Szene gelingt streckenweise großartig. Der Zuschauer wird in die Welt der Outlaws entführt, in der eigene Gesetze herrschen. Ist man einmal in diese Welt eingetaucht, führen selbst die grausamsten Taten der Männer in den schwarzen Leder-Kutten nicht zwangsläufig dazu, dass man die Sympathie für den Charakter verliert. Dazu tragen die zum Teil genialen schauspielerischen Leistungen der Akteure bei. Um die Authentizität zu steigern, sind echte Hells Angels in den Cast eingebunden, wie beispielsweise der Son-Member„Happy“. Jeder Charakter der Serie ist gut durchdacht und wird an irgendeiner Stelle in den sieben Staffeln entscheidend in Szene gesetzt. In der von Männern geprägten Umgebung nehmen aber speziell die Frauen tragende Rollen in der Serie ein. Katey Sagal gewann für ihre Rolle als Jax‘ erbarmungslose Mutter Gemma 2011 sogar einen Golden Globe. Die Serie bildet zudem die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation in den USA sehr realistisch ab. Zeit Online schrieb dazu: „An kaum einer sozialen Gruppe lässt sich der Bruch zwischen dem amerikanischen Traum und der amerikanischen Realität so sinnfällig illustrieren wie an einer Rockergang.“ Des weiteren heißt es in der Rezension: „Die Serie passt in das gegenwärtige Amerika der Rezession und Desillusion, Helden sucht man hier vergeblich.“
Ein Klangteppich, der es in sich hat
Die Serie fährt einen außergewöhnlich präzisen Soundtrack auf. Nicht selten werden bestimmte Szenen durch gezielten Einsatz von Melodien stark emotional verstärkt. Oft passiert dies am Ende einer Folge. „Nichts außergewöhnliches“, wird sich mancher sagen. Im Fall der Rocker-Truppe aus Charming ist es das jedoch in der Tat. Oft wird der Zuschauer stark emotional aus der jeweiligen Folge entlassen, die Emotionen variieren hierbei stark. Der Soundtrack besteht zum großen Teil aus neu interpretierten Pop- und Rocksongs aus den 1960er Jahren.
Fazit
Auch, wenn man sich vorher nicht großartig mit dem Biker-Milieu auseinandergesetzt hat, sollte man dieser Serie eine Chance geben. Kurt Sutter schafft es, einen Spagat zwischen einer klassischen Dramaserie und einem actiongeladenen Spektakel zu kreieren. Besonders deutlich wird dies am Hauptcharakter Jax, der ständig droht, an seiner doppelten Verantwortung (Club und Familie) zu zerbrechen. Des Regisseurs Liebe fürs Detail wird auch dadurch unterstrichen, dass er über fünf Staffeln hinweg höchstpersönlich in der Rolle des inhaftierten Otto Delaney mitwirkt und durch seinen Charakter die Handlung entscheidend mitprägt und verändert. Gewalt, Familiendramen, Liebe, Verrat, Freude, Trauer, Wut oder Mutter- bzw Vatergefühle – Sons of Anarchy hat all dies zu bieten und ist mehr als eine schlichte Biker-Serie. Wer sich die Zeit zum Schauen nimmt, wird sicher nicht enttäuscht werden.
Von Daniel Sprauer
Bildquelle: James Minchin / FX