Dass Deutschland Fußball liebt ist keine Frage. Aber lieben die Deutschen wirklich all ihre SpielerInnen? Im preisgekrönten Sportdokumentarfilm „Schwarze Adler“ greift Regisseur Körner dieses Thema exakt auf.
„Hear Me!“ schallt der Soundtrack Titel des Dokumentarfilms „Schwarze Adler“ aus den Boxen – und Regisseur Torsten Körner hört hin. Er lauscht allem und jedem. Der Sportdokumentarfilm beleuchtet den immer noch präsenten Rassismus im deutschen Profi – Fußball: zu Wort kommen Pionier Erwin Costedde und Nationalspielerin Steffi Jones. Sie erzählen von den Erlebnissen auf dem Fußballfeld und von den diskriminierenden Strukturen des Alltags von schwarzen BürgerInnen.
Film über Rassismus im Fußball gewinnt den Medienpreis
„Guter Journalismus ist eine Frage von Halt“, leitet Frank Irmhoff, Präsident der Bremischen Bürgerschaft, die 16. Medienpreisverleihung vom Deutschen Roten Kreuz ein. Die GewinnerInnen werden jährlich für herausragenden Journalismus über gesellschaftlich relevante Themen, mit einem Geldpreis von 12.000 Euro gekürt. Aus insgesamt 256 Einsendungen in den Kategorien Print, Hörfunk, digitale Medien und Fernsehen wurden die PreisträgerInnen von acht ehrenamtlichen JournalistInnen ausgewählt.
Wer sind die schwarzen Adler?
Mit dem Amazon Prime Film „Schwarze Adler“ gewinnt Regisseur Torsten Körner den Medienpreis in der Kategorie Fernsehen. Der Film handelt von SpielerInnen, die in der in der Bundesliga oder für die Nationalmannschaft gespielt haben und dort Hürden und rassistischen Vorurteilen ausgesetzt waren. „Der Film ist sicher kein klassisches Sporthelden-Porträt, sondern eher auch eine Gesellschaftsstudie. Natürlich ist es auch ein Fußballfilm, Fußball ist aber eben auch ein soziales Vehikel und eine der mächtigsten Traummaschinen in der Gesellschaft“, so Körner. Erwin Costedde, Jimmy Hartwig, Steffi Jones und 12 weitere SportlerInnen erzählen im Film ihren Weg in die professionelle Fußballwelt. Körner war es besonders wichtig, „Spieler und Spielerinnen aller Generationen zu Wort kommen zu lassen.“
Auf der Veranstaltung wird der Teaser gezeigt: Exakt zwei Minuten und 59 Sekunden lang. Die Stimmung im Saal – angespannt. Auf lautes Lachen folgt eine geschockte Stille. Die Augen der ZuschauerInnen sind voll von Tränen, Mitgefühl und Scham. Die Laudatio hält Jurymitglied Otmar Willi Weber. Er schnauft laut aus. Der Applaus für die gerade angeschauten Bilder hält immer noch an. Seine Rede hält er fest in den Händen, noch schafft er es, die Tränen zurückzuhalten. Er atmet aus und beginnt, „ein Team, ein gemischtes, Frauen und Männer, die den schwarzen Adler auf der Brust getragen haben. Schwarzer Adler auf weißem Grund, gespielt mit schwarz-weißem Ball, schwarz und weiß“. Weber pausiert und fragt mit einer erschöpften Mimik in das Publikum: „Ein selbstverständliches Miteinander?“. Kreativ verpackt mit Fußballmetaphern, berichtet er über die schwerwiegenden Rassismusvorfälle aus dem Film, seine persönliche Liebe für die ProtagonistInnen des Films und beglückwünscht den Regisseur Torsten Körner, für den „gelungenen und beeindruckenden Film über Rassismus“.
Ein rassistischer Waschmittelkarton?
Auf der Website zum Film erläutert Körner näher die Idee zum Film. Als „Wäscheverantwortlicher“ der Familie stößt er auf den XXL –Waschkarton von Persil. Darauf zu sehen: der Bundesadler und die Fußballspieler Per Mertesacker und Manuel Neuer. Im Hintergrund sieht man lediglich die Hinterköpfe der restlichen Mannschaftskameraden. Nach monatelangem Nutzen und Beobachten des Kartons hinterfragt Körner dessen Gestaltung. „War unsere Nationalmannschaft nicht schon längst diverser als auf diesem Waschmittelkarton suggeriert wurde? Hatten wir keine schwarzen Spieler in der Mannschaft?“. So entwickelt sich aus der Idee innerhalb von zehn Monaten der mehrfach preisgekrönte Dokumentarfilm. Bereits nach dem ersten Interview mit Nationalspieler Kostedde wusste Körner, dass er und sein Team „die richtige Geschichte erzählen, eine Geschichte, die anrühren und aufklären kann.“
Das „weiße Bewusstsein “
Bei der Zusammenstellung eines diversen Teams seien sie auf Mängel gestoßen. Körner erklärt, dass es hilfreich, aber nicht zwingend sei, dass man bei solchen Themen ein diverses Team hat. Für ihn steht bei so einem Prozess eher die „persönliche Chemie, Handwerk und Verfügbarkeit“ im Fokus. Jedoch betont er, dass wir hinterfragen sollten, „ob die mangelnde Repräsentation von Frauen und Männern mit migrantischer Herkunft strukturelle Gründe hat, und ob es Benachteiligungsmuster gibt, die abgebaut“ werden müssen.
Körner und sein Team begegnen im Laufe des Projekts auch weitere Herausforderungen. In den emotionalen Interviews kommen die erschreckenden Erlebnisse der ProfifußballerInnen ans Tageslicht. Von diffamierenden Beleidigungen auf dem Fußballplatz seitens der SpielerInnen und des Publikums, Drohungen von rassistischen Passanten, bis zu Körperverletzungen ist alles dabei. Als Interviewer, erklärt Körner, muss man in solchen Situationen „Empathie zeigen, innehalten, Zeichen senden, dass man bemüht ist, den Schmerz anzuerkennen und nachzuvollziehen“. Auch im Schnitt musste sich das Team überlegen, wie man die gezeigten Emotionen „respektvoll und verantwortungsvoll einsetzt“. „Medien leben einfach von Emotionen, die sie erzählen und schüren wollen“, deswegen begründet Körner, muss man „damit sorgsam umgehen“. Sein Fazit: „heulen mit Niveau ist mein Ziel als Zuschauer und Gefühl mit Bedacht ist mein Ziel als Filmemacher“.
Mit der Gestaltung des Films differenzieren sich Körner und sein Team ebenfalls vom typischen Fußballfilm. „Mit einem frischen Look, mit ausgesuchter Kameraarbeit“, wollten sie das Thema „möglichst sorgfältig auf die Bühne stellen“. Um die „Lebensfilme der Akteure so spannend wie ein Bundesligaspiel oder Länderspiel“ darzustellen, wurden die Interviews an üblichen Fußballorten, jedoch aus untypischen Perspektiven gefilmt. Zusätzlich wird die Dramaturgie des Films mit alten Waschmittelwerbeclips wie „mit Blanco 73 wird alles herrlich weiß – auch farbige Sachen“ kritisch untermalt. Die alten Spots haben laut Körner „etwas wie ein weißes Bewusstsein etabliert. Sie sorgen dafür, dass „Reinheit und Weisheit mit moralischer Sauberkeit“ verknüpft werden. Er führt weiter aus, „wo man eine Fußballmannschaft immer nur als ‚weiß‘ dachte, war es schwer, sich an Spieler zu gewöhnen, die diesem exkludieren Vorstellungsbild nicht entsprachen“.
Alles doch nur Zukunftsmusik?
Die Frage aus der Laudatio von Weber nach „einem selbstverständlichen Miteinander“ ist aber noch nicht beantwortet. Protagonist Otto Addo erklärt im Dokumentarfilm, dass sich nicht viel verändert habe und die strukturellen Probleme im Alltag weiterbestehen. Laut Körner habe es auf „den großen Bühnen des Fußballs sicher Fortschritte gegeben, – aber im Amateurbereich gibt es noch erhebliche Probleme.“ Wie es weitergehen soll, könne er so nicht beurteilen. „Fußball ist Teil der deutschen Gesellschaft, solange wir rassistische Strukturen in der Gesellschaft haben, so lange werden wir Rassismus auch in den Stadien erleben“. Sein Appell an alle Fußballfans zum Verhalten bei rassistischen Situationen: „Aufstehen, Widerstand organisieren, einschreiten. Wer wegsieht, macht sich schuldig“.
Von Sevim Özkan