Auswandern ist nicht nur in Deutschland ein ständig zunehmender Trend. Doch während sich hier alle über den ganzen zu erledigenden Papierkram aufregen, haben die Menschen, die Nordkorea verlassen wollen, ein ganz anderes Problem – nämlich auf ihrer Flucht in ein besseres Leben nicht erwischt, gefangen genommen oder sogar erschossen zu werden.
Nordkorea. Für wohl ziemlich alle von uns ein absolut fremdes Land. Das könnte daran liegen, dass es nicht gerade unter die Top 10 der beliebtesten Reiseziele der Deutschen fällt – ausreichend Gründe gäbe es bestimmt. Zum Beispiel, dass die immer wieder aufkommenden Meldungen zu Aufstockungen von Atomwaffen eher abschrecken oder dass es eher einschüchternd ist, in ein Land zu reisen, wo noch diktatorisch regiert wird. Mal davon abgesehen, dass die Menschen dort ein völlig anderes Leben führen. Sie bekommen nicht einmal mit, was in all den anderen Ländern auf der Erde passiert und stehen 24 Stunden am Tag unter Beobachtung. Laut Nachrichtenberichterstattungen leiden mehr als 6 Millionen Nordkoreaner an Hungersnot und auch die Wasserversorgung der Bevölkerung ist nicht sichergestellt.
Die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich zunehmend und das Land ist hoch verschuldet.
Da kaum Öl zur Stromerzeugung eingekauft werden kann, wird es nachts in den Städten komplett dunkel, was man auf Satellitenaufnahmen gut erkennen kann. Trotz alledem will das Regime die strikte politische und ideologische Kontrolle aufrecht erhalten. Als Nordkoreaner kann man nicht mal eben für eine Woche Urlaub das Land verlassen; selbst um in eine andere Stadt zu fahren, braucht man einen speziellen Passierschein. Aufgrund der geringen Attraktivität des Landes für Einwanderer ist Nordkorea fast ethnisch homogen, bis auf eine kleine chinesische Minderheit. Es weist somit den prozentual niedrigsten Ausländeranteil weltweit auf.
Was von den vielen negativen Meldungen wirklich wahr ist, ist schwer zu sagen, da kaum Informationen aus der abgeschotteten Nation durchsickern. Was diese negativen Meldungen jedoch bestätigt, ist die seit der Jahrtausendwende zunehmende Flüchtlingswelle.
Meine Großmutter floh bereits vor mehreren Jahrzehnten aus Nordkorea.
Sie wollte meinem Großvater nach Seoul folgen. Dabei ließ sie ihre Familie zurück, nichtsahnend, dass sie sie vielleicht nie wieder sehen würde. Das war bevor die Grenze zwischen Nord- und Südkorea errichtet wurde. Heute wird sie die „entmilitarisierte Zone“ oder auch kurz „DMZ“ genannt. Sie ragt jeweils ca. 2 Kilometer weit in die jeweiligen Hälften des Landes und ist 248 Kilometer lang. Seitdem hat meine Großmutter nichts mehr von ihrer Familie gehört. Ihre Eltern sind höchstwahrscheinlich altersbedingt tot; meine Großmutter ist immerhin schon 86 Jahre alt, aber sie hatte noch eine Schwester. Doch dass sie noch lebt ist unwahrscheinlich, die Lebenserwartung bei Frauen in Nordkorea liegt nämlich nur bei 72 Jahren. Ihre Schwester zu suchen war so gut wie unmöglich. Keine Möglichkeit zurück nach Nordkorea zu gehen, keinerlei Anhaltspunkte.
Im letzten Herbst flog ich mit meiner Mutter, meiner Patentante und meiner Schwester nach Südkorea, um meine Familie mütterlicherseits zu besuchen. Das erste Mal, dass ich alt genug war, um das Land bewusst zu erleben und mich für die Geschichte, Kultur und natürlich die Trennung des Landes zu interessieren.
Wir beschlossen also an einer „DMZ-Tour“ teilzunehmen.
Eine Tour von Seoul über mehrere Stationen bis nach Panmunjeom (offziell auch „Joint Security Area“) der Ort in der demilitarisierten Zone, an dem 1953 der Waffenstillstandsvertrag zwischen Nord- und Südkorea unterzeichnet wurde. Die einzige Möglichkeit in die DMZ zu gelangen, ist, an einer der Touren mit Reiseführer teilzunehmen oder als US-Amerikanischer oder südkoreanischer Soldat dort stationiert zu sein. Die Tour versprach uns auch, mit beiden Füßen in Nordkorea stehen zu können. Dass das nicht mal einen kleinen Einblick davon geben würde, wie das Leben in Nordkorea wirklich ist, war uns aber im Vornherein schon klar. Trotzdem würde wohl der Großteil der Weltbevölkerung Nordkorea nicht so nahe kommen wie wir an diesem Tag.
Wir trafen in einem Hotel in der Innenstadt von Seoul auf unsere Gruppe und unsere Reiseführerin. Die Gruppe war eine bunte Mischung aus typischen amerikanischen Touristen, einer spanischen Familie, einem niederländischen Paar, die ihre Flitterwochen hier verbrachten, und uns. Unsere Reiseführerin war eine kleine zierliche Koreanerin, das Gesicht mit Lichtschutzfaktor 50+ eingecremt und einem starken koreanischen Akzent. Dementsprechend war ihr Englisch teils schwerverständlich. Außerdem sollte uns eine junge Frau begleiten, die vor wenigen Jahren aus Nordkorea floh und uns ihre Geschichte auf der Fahrt in die DMZ erzählen sollte.
Fortsetzung folgt…
Cora Beckmann