Sandra Auffarth gehört mit 25 Jahren zur weltweiten Elite im Vielseitigkeitsreiten. Sie ist in Bergedorf, nahe Ganderkesee, aufgewachsen. Dieses Jahr nahm sie das erste Mal an den olympischen Spielen in London teil. Mit der Mannschaft gewann sie Gold und in der Einzelwertung Bronze. Nach der Aufregung im Sommer, freut sie sich nun auf ein besinnliches Weihnachtsfest im Kreise der Familie.
Im Interview mit KROSSE berichtet das jüngste, deutsche Vielseitigkeits-Teammitglied über Olympia, ihren Alltag, bereits erfüllte Träume und neue Ziele.
KROSSE: Zu Beginn wäre es super, wenn Sie sich einmal kurz vorstellen würden, indem Sie drei Dinge nennen, die typisch für Sandra Auffarth sind.
Sandra (lacht): Es ist immer leichter andere zu fragen. Was ist typisch für mich? Hm, schwierig zu sagen. Ich bin oft mit Pferden zusammen. Was das betrifft, bin ich auch sehr ehrgeizig. Außerdem bin ich geduldig, also ich überstürze nichts. Reicht das so? (Sandra lacht.)
Ja klar, das sind ja schon drei Eigenschaften.
Okay.
Der Reitsport an sich ist ein wirklich zeitintensives Hobby beziehungsweise Beruf. Wie läuft Ihr Alltag ab?
Also, morgens bin ich um 7 Uhr im Stall. Die Pferde werden gefüttert und ihre Boxen werden ausgemistet. Um 8 Uhr wird gefrühstückt und um halb 9 geht’s dann mit dem Reiten los. Um 12 oder halb 1 wird wieder gefüttert, dann eben Mittag gegessen und anschließend reite ich wieder, bis 18 oder 19 Uhr. Dann wird wieder gefüttert. (Sandra lacht.) In der Turniersaison ist es natürlich so, dass man viel unterwegs ist. Ich fahre oft nach Warendorf zum Training. Dann kommt man auch mal spät nach Hause, je nachdem wie das Training angesetzt wird. An den Wochenenden sind Turniere. Viele sind sogar unter der Woche. Das kommt dann immer so dazu.
Also wünschen Sie sich manchmal, dass der Tag 48 Stunden und nicht nur 24 hat?
Ja doch, dass würde manchmal schon helfen.
Bei einem solchen Alltag scheint Freizeit knapp bemessen. Wann waren Sie das letzte Mal im Urlaub?
Oh, dieses Jahr ist das noch gar nicht so lange her. Wir haben mit den Medaillengewinnern von London einen gemeinsamen Urlaub geschenkt bekommen, eine Woche Griechenland. Das war ganz schön. Sonst ist das in den letzten Jahren eher weniger der Fall gewesen. Natürlich haben die Pferde auch ihre Auszeiten, aber dann fallen wiederum viele Sachen im Büro an, die auch gemacht werden müssen. Das vergisst man manchmal, weil man immer nur ans Reiten und an die Pferde denkt, aber das gehört ja leider auch dazu. Sonst treffe ich mich halt auch mal mit Freunden oder gehe abends weg.
Also legen Sie Wert auf Abwechslung?
Ja schon. Ausgleichssport mache ich auch. Ich habe einmal die Woche Physiotherapie, bei der wir ein spezielles Trainingsprogramm machen, das auf mich zugeschnitten wurde. Wir trainieren zum Beispiel spezielle Muskelgruppen gegen. Vermehrt in der Turniersaison, jetzt im Winter ist das ein bisschen weniger geworden, sind auch Laufen und Schwimmen fester Trainingsbestandteil. Beim Vielseitigkeitsreiten ist eine gute Grundkondition schon wichtig.
Die Büroarbeit haben Sie kurz angesprochen. Sie sind ausgebildete Pferdewirtin sowie Sport- und Fitnesskauffrau. Was würden Sie denn nun als Ihren Beruf bezeichnen?
Also Pferdewirtin ist ja eigentlich das, was ich so mache mit dem Reiten. Der Beruf ist breit gefächert. Man kann Reiten unterrichten, Pferde ausbilden und dann gibt es auch noch das Turnierreiten. Die Bürosachen, das ganze Organisatorische, gehören halt mit dazu. Ähm ja… (Sandra macht eine kurze Pause und schmunzelt.) Ich bevorzuge aber dann doch das Reiten. Das im Büro, das muss halt so mitlaufen. Da kommt man nicht drum herum. Speziell als Sport- und Fitnesskauffrau, bin ich jetzt nicht mehr tätig, obwohl die Büroarbeit ein bisschen in die kaufmännische Richtung geht. Man macht von allem etwas.
Wie haben Sie es geschafft so weit zu kommen?
Ich wollte immer unbedingt auf’s Turnier. Nur reichte es mir eigentlich auch mit jungen Pferden in kleineren Klassen. Es hat mir einfach Spaß gemacht Pferde auszubilden und neue Reize zu setzen, um zu sehen, wo die Grenzen sind und was man alles schaffen kann. Natürlich ist es von vielen jungen Leuten ein ganz großer Traum einmal an Olympia teilzunehmen. Für mich war es allerdings nie mehr als ein Traum. Ich hätte nie gedacht, dass ich daran wirklich mal teilnehme, geschweige denn zwei Medaillen mit nach Hause bringe. Das hätte ich wirklich nie gedacht. Mein großes Glück ist natürlich auch, dass ich so ein tolles Pferd habe.
Apropos Olympia, was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben, vielleicht auch etwas Negatives? Was war im Hinblick auf die Vorbereitung anders als bei anderen Turnieren?
Also, das ist natürlich schon alles beeindruckend. Angefangen hat es in der Vorbereitungszeit damit, dass ganz viel Presse dabei war. Im Vorfeld kamen viele Fotografen zu uns auf den Hof und wollten Portraits machen. Fernsehen, Radio – alles war eigentlich irgendwie mal da, sodass jeden Tag etwas los war. Das ist nicht negativ, aber anders. Man merkt einfach, dass Olympia auch von allen anderen als ein besonderes Turnier angesehen wird. In London selber hatten wir eine sehr gute Stimmung im Team. Das war alles recht entspannt. Dort war das ganze Drumherum mit dem olympischen Dorf, der Eröffnungsfeier und der Kulisse an sich einfach Wahnsinn.
Bei der Olympia-Live-Übertragung wurden Sie als „die coole, blonde aus dem hohen Norden“ bezeichnet. Sind beziehungsweise waren Sie wirklich so gelassen?
Also, meine Stärke ist glaube ich schon, dass ich mich sehr gut konzentrieren kann und mich von dem Ganzen nicht so verrückt machen lasse. Es war schon so, dass man in manchen Momenten deutlich mehr angespannt war als bei einem normalen Turnier. Im Wettkampf selber, war ich aber eigentlich so wie immer, ganz normal und auch nicht aufgeregt. Das ist wiederum das Schöne beim Reiten. Im Wettkampf selber geht man auf das Pferd ein. Und vergisst dann auch mal, dass man gerade bei Olympia ist. (Sie lacht.)
Steht Erfolg in solchen Situationen an erster Stelle oder würden Sie es eher als die schönste Nebensache der Welt bezeichnen?
Hmm, manchmal kann man auch sehr erfolgreich sein, aber das Gefühl war gar nicht so gut, dann bin ich immer nur so halb zufrieden. Am schönsten ist es, wenn man selber einen guten Wettkampf gemacht hat und das Pferd alles gut gemacht hat. Dann bin ich immer sehr happy und freue mich über das Turnier. Was dabei herauskommt, ist dann halt das andere. Bei einer Olympiade kann man mit der eigenen Leistung sehr zufrieden sein und vielleicht trotzdem nur 15. werden. Dass es bei mir sogar für eine Einzelmedaille gereicht hat, war natürlich die schönste Nebensache.
Bei Olympia gibt es immer den legendären Hype um beispielsweise Usain Bolt. Nimmt man das vor Ort auch so wahr?
Man ist schon sehr fokussiert. Da das alles so beeindruckend ist, ist man irgendwie gar nicht mehr so erschrocken, wenn man so’nem Usain Bolt auf einmal begegnet. (Sandra lacht.) Beim Essen im olympischen Dorf hatte man auch mal Zeit, die anderen Teilnehmer zu treffen. Man fühlt sich aber eher wie in einem Film. Man macht das alles zwar mit, aber realisiert manche Dinge gar nicht so wirklich. (Sandra lacht.)
In einem Vorbericht zu den olympischen Spielen, haben Sie gesagt, dass Sie in London gerne den Buckingham Palace sehen würden. Hatten Sie überhaupt Zeit dazu?
Nein, leider nicht.
Was hat sich nach Olympia verändert? Sie haben unter anderem das silberne Lorbeerblatt, die höchste Auszeichnung für einen deutschen Sportler, vom Bundespräsidenten überreicht bekommen. Wie war das? Was hat Herr Gauck für einen Händedruck?
Auch einen ganz normalen wie alle anderen. (Sandra lacht.) Solche Sachen sind natürlich schon besonders. Es ist auch immer wieder schön die anderen Sportler zu treffen.
Seit Olympia bekomme ich viele Einladungen, habe viele Veranstaltungen und natürlich Interviews, so wie jetzt. Eigentlich gab es seitdem auch noch keinen Tag, an dem ich keinen Fanbrief bekommen habe.
Welche Veranstaltungen liegen dieses Jahr noch an?
Als Mannschaft sind wir zum Beispiel zur Sportlerwahl des Jahres nach Baden-Baden eingeladen. Das ist noch mal eine ganz schöne Sache. Außerdem mache ich beim Spendentag von FFN mit. Dort übernehme ich ein Spendentelefon. Das ist eine ganz neue Sache, auf die ich mich freue.
Olympia war bereits ein riesiger Erfolg. Was für Ziele, Träume und Wünsche haben Sie noch?
Ja schon. Klar ist das jetzt ein ganz großer Erfolg gewesen. Es erneut mit einem anderen Pferd zu schaffen, wäre eine neue Herausforderung. Natürlich freue ich mich auf weitere tolle Jahre mit meinem derzeitigen Pferd. Vor allem hoffe ich, dass er gesund bleibt. Bei der Weltmeisterschaft bin ich zum Beispiel noch nie mitgeritten. In zwei Jahren dabei zu sein, wäre auch ein großer Traum. Man muss halt gucken, wie es so läuft.
Zum Abschluss, Sie haben bald Geburtstag. Wissen Sie schon, wie Sie Ihren Geburtstag feiern möchten?
Oh, den feiere ich ganz ruhig. Bei meinem Empfang haben wir ja schon eine mega große Party gehabt. Da fällt der Geburtstag dieses Jahr ein bisschen ruhiger aus. (Sandra lacht.)
KROSSE wünscht viel Glück und drückt weiterhin die Daumen! Vielen Dank an Sandra Auffarth für das Interview und den Einblick in das Leben einer Olympiasiegerin. Wir haben uns sehr gefreut.
Lena Karch
Bildquelle: http://www.flickr.com/photos/nationalarchives/3047452743/ (21.12.2012)