26 Künstler*innen, vier Ateliers und einen Tag lang Kunst für Neugierige. Zum 23. Mal fanden am vergangenen Sonntag die „Offene Ateliers“ in Bremen Gröpelingen statt.
Die vier Künstlerräume nahe des Industriehafens waren von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Mitgemacht haben die Ateliers sich in der Kap-Horn-Straße 7 und 9, Use Akschen 71, sowie der Louis-Krages-Straße 26 . Den Gästen wurde ein volles Tagesprogramm inklusive Einsicht in die kreative Arbeitswelt der Künstler*innen geboten. Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einem musikalischen Auftakt mit anschließender Führung. Als Highlight des Tages gab es eine Klangperformance und eine Lesung.
Es wurde ein breites Spektrum an Kunstwerken serviert. Überall herrschte eine angenehme Atmosphäre und Leckereien wie Kuchen, Kekse, Glühwein und sogar in Herzform ausgestanzte Schnitten wurden geboten. Favorisierte Ausstellungsstücke oder Postkarten konnten beim Durchstöbern der Arbeiten, ebenso wie Kataloge käuflich erworben werden.
Alle teilnehmenden Kunstschaffenden hatten ihren eigenen Schwerpunkt. Von Zeichnungen und Malerei war bis zu Skulpturen wie Plastiken alles dabei. Porzellangestaltung, eine Schubladenkommode aus Holz, Menschenfiguren aus Draht. Interaktive Kunst, bei der die Gäste selbst ihren Teil zum Kunstwerk beitragen konnten. Ein Sessel stand zwischen den Ausstellungsstücken mit der Aufforderung „Seien Sie ein Kunstwerk“ sich hinzusetzen. Ein weiteres Beispiel ist eine Sammlung von Zitaten, die sich Besucher*innen selbst aussuchen und aufkleben konnten. Auch Installationen, Fotografien und experimentelle Kunst waren zu sehen.
Besonders war außerdem das Kunst- und Integrationsprojekt von Juliane Stegemann-Trede und Silke Behrens. Im Atelier „Jules-Art“ wurde die Zusammenarbeit mit jungen Geflüchteten ausgestellt. Die Gesichter der einzelnen Künstler*innen wurden auf Polaroidfotos gesammelt und eingerahmt. Unter jedem Kunstwerk ließ sich nachlesen, wer dieses geschaffen hatte.
Gesellschaftskritik in der Kunst
Dass politische Botschaften sich ebenfalls in Kunst widerspiegeln können , zeigt Künstlerin Leonie Nowotsch. Sie malte in ihrer Bilderserie aus Aquarellfarben verschiedene Motive der heutigen Plastikverschmutzung in den Ozeanen. Auf jedem Bild war Müll im natürliche Lebensraum der Tiere zu sehen. Weitere Werke machten auf die entgegengesetzten Emotionen gegenüber Haus- und Wildtieren aufmerksam. Vogelspikes zur Taubenabwehr wurden stattdessen an ein Vogelhäusschen geheftet. Zeichnungen von Hauskatzen im Dschungel und ein von Kratzbäumen umgebener Tiger regten ebenfalls zum Nachdenken an.
Bauschaum und OSB-Platten statt Leinwände
Um die Hintergründe zur Entstehung der Arbeiten zu erfahren, befragte Krosse zwei Künstler*innen zu ihren Inspirationen und Absichten. In einem von Rohren durchzogenen Kellergewölbe stellt der Künstler Peter Holz am Ende des Ganges seine Material-Kunst aus. Der industrielle Flair des Ortes passt zum Stil des Künstlers: Die meisten Werke sind auf Grobspanplatten entstanden, fast alle Materialien bestehen aus Alltagsgegenständen. Auf ihnen wurde gemalt, geklebt und getackert. Anschließend wurden sie mit einem Metallrahmen versehen. Die Auswahl der Gegenstände ist originell. Oft entstanden seine Werke, indem er zu vor etwas in Einzelteile zerlegte. „Ich sage lieber zerlegen und nicht zerstören, weil daraus etwas Neues entsteht.“, so Holz.
Es finden sich Stoffe, Drahtzäune, Bleche, Spiegel, Löffel, Spachtel und Montageschaum wieder. Schlangenförmiges Silikon, die eigentlich zur Abdichtung von Fugen genutzt werden. Sogar eine Silvesterrakete. Auf die Frage weshalb Herr Holz ausgerechnet OSB-Platten anstatt Leinwände für seine Arbeit auswählt, antwortete er: „Ich arbeite – wie mein Name schon sagt – am liebsten mit Holz.“ Besonders stolz ist er auf seine Plastik, die anlässlich der Maritimen Woche entstanden war. Sie stellt ein Schiffswrack dar, bestehend aus Fundstücken der Weser.
Abwechslungsreiche Darstellungen in Aktmalerei und Keramik
Künstlerin Frau Gottwald verwendet ebenfalls unterschiedliche Materialien für ihre Werke. In ihren Aktmodellskizzen von drei verschiedenen Frauen nutzte sie Sand, Kaffeebohnen, Konfetti und Holzkohle. Jedes der Gemälde erlangte somit seinen eigenen Charakter. Weitere Skizzen von Frauen wurden auf Tapete ausgeschnitten. Ansonsten töpfere sie gerne, insbesondere mit Raku-Keramik – einer speziellen Brennmethode aus Japan, bei der Risse in der Glasur entstanden.
Ein weiteres Objekt „Der Reichsadler füttert seine Lämmerbrut“ wird in der Ausstellung im Mai 2020 im Finanzamt Bremen zu sehen sein. Die Lämmer stehen sinnbildlich für die Bevölkerung im Dritten Reich, die ihre Schuld in der NS-Zeit leugneten. Gottwald macht darauf aufmerksam, dass sie sich ebenfalls von den Einnahmen des Reichadlers nährten, indem sie Möbel und andere Gegenstände der Juden kauften. „Sie sind nicht unschuldig“, erklärte sie.
Nadine Böhme
Bild: Karin Kallfels