16 Uhr. Die Türen der Büros schließen sich, die Busse und Bahnen sind voll und der Berufsverkehr beginnt. Wochenendstimmung stellt sich ein. Die Menschen sind sichtlich erleichtert, ihren Arbeitsalltag nun für zwei Tage hinter sich lassen zu können und sich ganz dem Sog des Nachtlebens hinzugeben.
Freitagabend – Leichtigkeit liegt in der Luft. Sie ernährt sich von nachlassendem Stress, Erleichterung, welche dem Ende der Woche geschuldet ist, der Vorfreude auf die zwei kommenden freien Tage und der Erholung vom alltäglichen Leben.
In Bremen tummeln sich am frühen Abend dieses Freitags nach und nach immer mehr Menschen an einer Kreuzung. An jeder Ecke stehen Gruppen vor geschlossenen Cafés, Bars oder Imbissläden, die Autos kommen nur langsam voran, weil die Straße voller Fußgänger ist – Menschen, die bereit sind, in das Nachtleben einzutauchen und stundenlang in Bars zu versacken.
So ist es auch in einer Bar, welche am Ende einer kleinen, engen Straße liegt. Die Straße führt direkt von der sehr belebten Kreuzung, an der die Bars und Rollo-Läden dicht an dicht liegen, Autos hupen, Menschen in Taxis einsteigen und man die Geräusche belebter Gruppen junger Menschen wahrnehmen kann, zu dieser Bar.
Kicker, Qualm und Fußballfans
Es ist ungefähr 20 Uhr. Beim Betreten der Bar strömt einem direkt ein einnehmender Geruch von Rauch und Alkohol entgegen, und dann ist da noch ein anderer Geruch, der sich nicht direkt definieren lässt und keinem bekannten Geruch ähnlich ist. Wer allerdings öfter Gast dieser Bar ist, weiß: Das ist der ganz bestimmte eigene Geruch der Bar, in der sich die Menschen so gern an ihrem Freitagabend aufhalten.
Vereinzelt sitzen alte Männer am Tresen, unterhalten sich mit dem Barkeeper oder ihrem Sitznachbarn, trinken ihr Bier, ziehen an ihren glimmenden Zigaretten oder starren mit leeren Blicken Löcher in die Luft. An diesem Freitag, an dem noch frühen Abend scheint alles sehr ruhig und entspannt. Musik füllt den Raum mit angenehmen Klängen im Hintergrund, leises Sprechen der Gäste ist zu hören und dabei vereinzelt lautes Auflachen. Im Hintergrund das “Klacken” des Balles von dem Tischkicker, der am Fenster der Bar aufgestellt ist und nun zum Spielen von den ersten jungen Menschen genutzt wird. Sie versuchen immer wieder aufs Neue ihr Glück und fordern den “Profikicker” der Bar heraus, der wöchentlich mehrere Abende hier verbringt und so sein Können immer weiter verbessert.
21:30 Uhr. In den kommenden drei Stunden füllt sich die Bar deutlich. Menschen, alle ganz verschieden, betreten die Bar, sie sind jung, alt, teilweise hübsch gemacht und herausgeputzt in Werder Bremen Fan-Kleidung, gerade vom Fußballspiel kommend oder auch ganz leger in Alltagsbekleidung. Die bisher noch deutlich wahrzunehmenden Gespräche, welche sich im Hintergrund abspielen, geraten durcheinander und werden nun weniger deutlich. Es macht sich ein verschwimmendes Gemurmel im Laden breit. Die Barkeeper haben jetzt sichtlich mehr zu tun, man könnte meinen, sie wären gestresst, da sie aber wie ein eingespieltes, immer gut gelauntes Team wirken, ist eher das Gegenteil der Fall. Mit einem immer freundlichen Lachen im Gesicht lassen sie sich gern auf ein kurzes Gespräch mit den Gästen am Tresen ein. Dabei sind ihre Blicke trotzdem immer aufmerksam auf sämtliches Geschehen in der Bar gerichtet.
Taschendieb um Mitternacht
Null Uhr – die Stimmung ist ausgelassen, der Alkoholpegel der Gäste ist seit Beginn dieses Freitagabends deutlich gestiegen, doch es sind weiterhin fröhliche Blicke in den Gesichtern der Menschen. Am Kicker häufen sich Gruppen junger Menschen, die gespannt darauf warten, an die Reihe zu kommen oder ihre Freunde anzufeuern und den Spielverlauf dabei gebannt zu verfolgen. Die Musik ist mittlerweile so laut, dass der Bass beinahe zu übersteuern droht. Manche Gäste schreien ihr Gegenüber an, um sich verständlich zu machen, dabei wird ausgelassen getanzt.
Freunde tanzen miteinander, Paare, neu gefundene Flirts, aber auch Männer mit Frauen, wobei den Frauen anzusehen ist, dass sie sich der Sache ungern hingeben möchten. Einige lassen es sich nach anfänglich unsicheren Blicken gefallen, einige entfernen sich wortlos oder mit genervten Blicken und andere machen ihrem Gegenüber eine Ansage. Ungefähr eine halbe Stunde später stürmt der Barkeeper hinter dem Tresen hervor, aus der Bar hinaus. Taschendiebe! Die Musik wird schlagartig leise. Wie ein Warnruf hallen die Worte des Barkeepers: “Leute, passt auf eure Sachen auf!”, worauf die Atmosphäre einen unruhigen Ton annimmt, der jedoch nur ein paar Sekunden anhält. Denn der Refrain von “Bier” von BHZ durchbricht die zu kippen drohende Stimmung. Alle tanzen weiter, bestellen sich Drinks und wünschen sich beim Barkeeper ihre Lieblingslieder, um mit ihren Freunden und neuen Bekanntschaften ausgelassen zu tanzen.
Leere Gläser, müde Menschen
Drei Uhr – die Bar-Tür funktioniert wie ein Reißverschluss. Während für die einen der Abend nun ein Ende findet, sind die anderen erst jetzt bereit, sich dem kleinen Paralleluniversum hinzugeben. Es herrscht ein reges Getümmel, die Leute stehen dicht beieinander und es ist kaum noch Platz, um sich wirklich frei zu bewegen. Ein flüssiger Kopfheber geht nach dem anderen über die Theke und wird nach einem leidenschaftlichen Trinkspruch zu sich genommen.
Um fünf Uhr morgens wird nun zur letzten Runde aufgerufen. Es wird immer leerer, die Blicke müder und die Worte kommen nur noch schleppend aus den Mündern der Menschen. Nach und nach gehen die Gäste, bis nur noch diejenigen rausgebeten werden müssen, für die der Abend nie ein Ende hat. Plötzliche Stille tritt ein, eine unerwartete Ruhe breitet sich im Raum aus und es ist nur noch leise Musik zu hören. So einladend und verheißungsvoll die Lichter und Menschen hinter den Fenstern dieser Bar wohl vor einer halben Stunde noch wirkten, so schläfrig und erschöpft scheint jetzt der Raum mit den leeren Barhockern und ausgewaschenen Biergläsern. Diese Ruhe und Entspannung halten jedoch nur so lang an, bis die Barkeeper in wenigen Stunden am Samstagabend wieder öffnen und der zweite Abend des Wochenendes beginnen kann.
Von Oliva Höchst