Der Rammstein Sänger Till Lindemann hat Ende November letzten Jahres das zweite Album seines Solo-Projektsauf den Markt gebracht. Nun hat er am 04.02. in Hannover auch sein erstes Solo-Konzert gegeben.
Vor der Swiss Hall in Hannover stand auch noch eine halbe Stunde nach Einlassbeginn eine beeindruckend lange Schlange, welche die Vorfreude der Lindemann-Fans aber keineswegs trübte. Schon beim Release seines ersten Solo-Albums “Skills in Pills” in 2015 wurden die Rufe nach Konzerten laut. Erfüllt wurde der Wunsch erst jetzt und das in der Pause zwischen den beiden Tourneen von Rammstein. Jahrelang hörte man von beiden Bands nicht viel und dann kommt alles auf einmal – die Fans sind also im siebten Himmel.
Till Lindemann zieht alle an
Das Konzert war ausverkauft und die Swiss Hall entsprechend voll. Das Publikum war vielfältig: Jung und Alt, Frau und Mann, Goth und Familienvater. Aus ganz Deutschland sind sie nach Hannover gepilgert, teilweise sogar aus Leipzig oder Dresden. Jetzt sammeln sie sich alle bei den Getränkeständen, um sich Bier in Lindemann-Bechern zu holen und von allen drei verschiedenen Versionen eine zu ergattern.
Zwei sehr unterschiedliche Vorbands
Pünktlich um 20 Uhr betrat die erste Vorband die Bühne. Die deutsche Sängerin “Jadu” versuchte das Publikum anzuheizen. Sie selbst bezeichnet ihre Musik als “Military Dream Pop”, marschierte mit ihren Bandmitgliedern in Militäruniformen über die Bühne und sang über Treibjagd und Uniformen. Im Publikum tat sich nicht viel, was sicherlich auch mit dem katastrophalen Sound zusammenhing, die meiste Zeit hörte man nur das Schlagzeug.
Als zweite Vorband hatte die Aggrotech-Band “Aesthetic Perfection” ihren Auftritt, am Schlagzeug kein geringerer als Joe Letz, der Drummer von Combichrist. Hier war der Sound Gott sei Dank wieder in Ordnung und die Menge kam langsam in Tanzlaune.
Tortenschlacht und Fischweitwurf
Um viertel vor zehn betrat dann auch endlich Lindemann die Bühne. Eingeleitet durch einen kleinen Film, in dem man Till Lindemann in einer Windel an einem Hafen herum tänzeln sieht, startete Lindemann sofort ohne weitere Umschweife mit dem ersten Song “Skills in Pills”. Wie auch bei Rammstein hielt Till Lindemann die Kommunikation mit dem Publikum auf einem Minimum. Sprechen tat er nicht mit den Fans. Er führte sie, wenn überhaupt, durch Gestik – und machte sie dreckig. Bei Rammstein ist es das obligatorische Schaum- und Tequilabad, bei Lindemann sind es Torten und Fische, die sich auf das Publikum der ersten Reihen ergossen.
Sehr viel Sex
Warum die Tour für unter 18-jährige nicht zugänglich ist, war dann auch schnell klar. Auf einer Leinwand hinter der Bühne liefen die Musikvideos der Bands, die teilweise nur auf Pornoplattformen zu finden sind, dazu für die Konzerte eigens gedrehte Spots von zum Beispiel verschiedenen Vulven, die passend bei dem Song “Golden Shower” in Szene gesetzt wurden.
Eine große Party
Die Songauswahl war eine gute Mischung aus alten und neuen Liedern, die Show war unterhaltsam. Besonders bei “Steh auf” und “Platz Eins” war jeder einzelne im Raum am feiern. Und tatsächlich wagte Lindemann dann doch eine Annäherung an das Publikum – zumindest räumlich. Was bei Rammstein die Schlauchbootfahrt über die Fans ist, war bei Lindemann ein überdimensionaler Hamsterball auf Schienen. Der Effekt war nett, nur leider muss man auch am richtigen Ende des Raums stehen, um dem Sänger dadurch näher zu kommen, er fährt nämlich nur in einem kleinen Teil der Halle kurz hin und her.
Nach etwas über einer Stunde und einer Zugabe war das Spektakel vorbei, die Band verbeugte sich kurz und verließ stumm und schnell die Bühne. Es war ein lautes, unterhaltsames Konzert mit starker Setlist und ein ordentlicher Auftakt für die erste Tour der Band. Wir haben eine Till Lindemann Show erwartet und die haben wir auch bekommen, zwar ohne Feuer, dafür aber mit viel nackter Haut – zumindest auf Leinwand. Mit Ohrensausen und ohne Stimme haben wir den Saal zufrieden verlassen, auch wenn Till für die 50 Euro pro Ticket zwei oder drei Torten mehr hätte werfen können.
von Merle Oßmer
Bildquelle: Hauke Brand