Angst vorm ersten Schritt? Vor einer Abfuhr? Oder einfach nur die richtige Gelegenheit verpasst? Keine Sorge, das digitale Zeitalter bietet auch für Flirtmuffel eine Lösung: das Zauberwort ist „Spotted“. Das Netzphänomen breitet sich weltweit rasend schnell an Universitäten und öffentlichen Plätzen aus. Was das ist, wie es funktioniert und ob es wirklich die perfekte Alternative zum Liebesbrief ist erfährst du hier!
“Du saßt heut in der Mensa mit deiner gelben Jacke, hab dich gesehn und dacht mir O Backe! ich würd gern wissen wer du bist, was du gern isst, hab ich gesehen, aber leider musste ich dann gehen. In VWL sah ich dich wieder, schöne gefühle strömten durch meine Glieder. Also blondes Ding in der gelben Jacke, dein Hintern war übrigens echt nicht kacke, schreib, wenn du denkst du bist gemeint! Wer weiß, vielleicht sind wir ja eines Tages vereint..”
…ob der junge Mann bei seiner Suche Erfolg hat, wird sich zeigen. Spotted jedenfalls hat Erfolg. Mehrere hundert Spotted-Seiten gibt es bereits auf Facebook. Jede Uni, die etwas auf sich hält, ist mit einem anonymen Spotted-Team vertreten und in vielen Städten können sich auch die öffentlichen Verkehrsmittel dem neuen Flirt-Trend nicht entziehen. Man könnte von einem Boom sprechen: Innerhalb weniger Tage hatte die Spotted-Seite der Uni Bremen mehrere tausend Likes und ebenso viele Menschen, die darüber sprachen. Ob online oder in der realen Welt: Spotted war sofort Gesprächsthema. Aber warum eigentlich?
Und was genau ist Spotted?
Spotted ist eine moderne Version der anonymen Kontaktanzeige/-suche, nur eben online, die sich hauptsächlich auf Facebook oder auf unabhängigen Seiten wie www.bibflirt.de realisiert. Folgendes Szenario: Erblickst du zum Beispiel deine Traumfrau in der Mensa, hast aber dank Smartphone-Nutzung vergessen, wie Face-to-face-Kommunikation oder Blickkontaktaufnahme funktioniert, kannst du dich an das Spotted-Team deines Vertrauens/deiner Uni wenden. In einer privaten Nachricht bei Facebook schickst du ihm eine detaillierte Personenbeschreibung und Ort und Zeit der ersten verpatzten Kontaktaufnahme, einen verzweifelten Such-Aufruf oder deine (mehr oder weniger) lesenswerten poetischen Ergüsse. Das Spotted-Team postet dann diese Nachricht anonym für jeden sichtbar auf ihrer Seite. So erreichst du mehrere tausend Menschen, und wenn du Glück hast sogar deine Traumfrau. Wenn diese sich wiedererkennt und das Unbekannte sie reizt, kann sie sich ebenfalls bei Spotted melden, das Team vermittelt dann den Kontakt und verhilft dir zu deinem persönlichen Happy-End…oder zu einem peinlichen Blind-Date.
„Spotten“ kommt von „to spot: entdecken, bemerken“
Spotted hat, wie so viele Dinge, die unseren Alltag bereichern, seinen Ursprung jenseits des europäischen Festlands. Die sonst so schüchternen Briten und zurückhaltenden Amerikaner haben damit angefangen, online zu „spotten“ – für den versierten Wannabe-Native-Speaker wird sofort ersichtlich, dass „spotten“ von „to spot: entdecken, bemerken“ kommt.
Kontaktanzeigen, die bisher zum Jagdgebiet von „Kuschelbär69“ gehörten, der auch keine Probleme mit Kindern hat und für die Gestaltung seiner Frührente noch eine liebevolle Partnerin an seiner Seite sucht, sind auf Spotted vor allem junge Akademiker aktiv. „Die Uni ist der Laufsteg schlechthin“, begründet die Spotted-Seite der Uni Bremen. Aber auch andere öffentliche Einrichtungen ziehen zunehmend nach, um jedem eine Chance im Krieg um die Liebe zu ermöglichen.
Defintiv ist Spotted die Chance für viele Menschen, ihr Glück zu suchen nach dem Motto: „Ich hab wenigstens alles versucht!“ Natürlich sind nicht alle Anzeigen ganz ernst gemeint. Ob der junge Mann, welchem die Oberweite einer Dame nicht mehr aus dem Kopf geht, wirklich seine Partnerin fürs Lebens sucht, sei dahingestellt. Und auch über die Erfolgsquote der Vermittlungen – sofern diese denn stattfinden- ist wenig bekannt.
…oder wird man da eher „verspottet“?
Was defintiv unbestreitbar ist: Spotted bietet jede Menge Gossip-Potential und der ein oder andere Student wird sich mehr Gedanken um sein Outfit machen wenn er die Bibliothek zum Lernen/„Gespottet-werden“ aufsucht.
Anonyme Nachrichten hin oder her, Datenschützer sehen zudem in den neuen Plattformen ein hohes Missbrauchspotential. Für den Einzelnen kann Spotted auch unangenehm werden: Peinliche Details, lange Verweildauer und Kommentarfunktion der Anzeigen sind nicht immer erfreulich. Inzwischen hat sich sogar eine Gegenbewegung gebildet, die weniger in Amors als in Luzifers Auftrag handelt und Zwist und Sticheleien verbreitet. „Verspottet“ – der Name ist Programm. Auch dies kann, aber muss nicht zwangsläufig für jeden amüsant sein. Eine bedenkliche Gradwanderung zwischen anonymen Lästereien und Cybermobbing ist zu befürchten.
„Spotten“, „verspotten“, „bibflirten“ und Co: Wem das zu viel wird, dem empfehlen wir die Retroversion des Flirtens: Zähne zusammenbeißen, Haare richten, Herzklopfen in den Griff bekommen, in die Offensive gehen und zum gemeinsamen Kaffee laden – oder für die Romantiker unter uns: „Hey, deine Augenfarbe passt zu meiner Bettwäsche!“
Lisa Marie Siewert und Anna Luley