„Ich bin Klarinette.“ Über ein etwas anderes Wochenende unter Musikstudenten, wo Goethe und Schiller, Vivaldi, Tonika, Dominante und Kadenz – Dinge, an die ich mich nur dunkel aus dem Musikunterricht in der Schule erinnere – zum Alltag gehören.
„Wir Musiker, wir sind ein lustiges, aber verschwenderisches Völkchen“ singen die Ärzte. Wie sehr vor allem das „lustig“ zutrifft, durfte ich an einem Wochenende in Detmold erleben. Detmold ist eine kleine Stadt in NRW die – so zumindest mein erster Eindruck – eigentlich nur aus einer Musikhochschule besteht. Ich habe dort eine Freundin besucht, die Gesang studiert. Sie singt Sopran und wohnt in einer 6er WG zusammen mit einem Tonmeister mit Hauptfach Horn, einem Cellisten, einem Tenor, noch einem Sopran und einem Alt Schulmusik. Das bleibt einem beim Betreten der Wohnung auch nicht lange verborgen, denn es singt und klingt aus allen Richtungen.
„Wir lieben sehr im Herzen
drei schöne Dinge fein
Sie wenden Leid und Schmerzen
wenn sie beisammen sein.“
Man muss natürlich viel Singen üben – zu einem Gesangsstudium gehört aber noch weitaus mehr, als man sich vorstellen kann. Musiktheorie und Musikgeschichte müssen sitzen, wenn der Gehörbildungs-Dozent einem etwas auf dem Klavier vorspielt, muss man das auch aufschreiben können. Ein wenig Schauspiel-Talent sowie die italienische Sprache gehören dazu. Als eine ebenso komplexe Angelegenheit entpuppt sich das Singen: Der Kiefer und die Knie müssen locker sein und der Gesichtsausdruck entspannt, die Worte müssen richtig betont werden, die Vokale die gleiche Färbung haben und was auf keinen Fall fehlen darf ist der Glanz in der Stimme. Daran arbeitet man täglich beim Üben oder bei der Korrepitition, bei der man von einem Klavier begleitet wird. Diese sorgt stets für viel Begeisterung, denn „die Korrepititoren haben es einfach drauf!“
„Gehen wir heute zu den Klarinetten?“
Wenn man sich den ganzen Tag mit diesen Dingen beschäftigt, hört man auch am Abend nicht damit auf. So besucht man nach einem langen Tag an der Hochschule nicht „seine Gang“, sondern man geht zu den Klarinetten. Die sind nämlich immer gut drauf und auch sehr trinkfest. Spaß ist mit ihnen also garantiert, auch wenn sie manchmal stundenlang über ihre Blättchen diskutieren, die meistens nicht zu gebrauchen sind. Entweder ist die Luftfeuchtigkeit zu hoch oder sie sind schon vor dem ersten Gebrauch kaputt – das scheint eine Wissenschaft für sich zu sein. Bei meiner Freundin hingegen steht – natürlich – die Stimme im Vordergrund. Zugluft oder rauchen im Haus sind in Gegenwart von Sängern unerwünscht – davon abgesehen sind sie die wichtigsten Menschen im Raum, die unter den Studenten. Den Part der typischen Nerds übernehmen angeblich die Kirchenmusiker.
Eine etwas andere Party
Wie viel an diesen Klischees wirklich dran ist kann ich nicht sagen. Klar ist, dass ein Abend unter Musikstudenten etwas anders verläuft als ich es kenne. „Ein guter frischer kühler Wein“ ist natürlich dabei, das Einzige, was mir bekannt vorkommt. Der ganze Abend ist untermalt von klassischer Musik. Activity-Teams werden ausgelost, es gibt eine Bassschlüssel- und eine Violinschlüssel-Gruppe. Auf Activity folgt dann gerne mal eine Gedichterunde, in der jeder sein aktuelles Lieblingsgedicht aufsagt. Manchmal werden sogar ganze Balladen vorgetragen, zum Beispiel Schillers „Der Taucher“. Kurz nach Mitternacht habe ich als Nicht-Musikerin dann noch ein kleines Privatkonzert bekommen, inklusive Dirigent, „damit ich mich erquick.“
„Die liebliche Musik,
Ein freundlicher Anblick
Ein guter frischer kühler Wein
das sind drei gute Dinge fein
damit ich mich erquick.“
Die Zitate stammen aus dem Lied “Wir lieben sehr im Herzen” von Daniel Friderici. Eine Chorversion findet ihr hier!
Jelena Kuhn