Diesen Sonntag ist es soweit: Die CDU wird erneut als stärkste Partei in den Bundestag einziehen – Angela Merkel wird dann zum vierten Mal in Folge zur Bundeskanzlerin gewählt. Aber es bleibt nicht alles beim alten: Voraussichtlich wird die FDP wieder im Bundestag vertreten sein und die AfD wird erstmalig in den deutschen Bundestag einziehen. Haben sich die Befürchtungen, die nach dem Wahlsieg Trumps geäußert wurden, bewahrheitet? Haben Bots, Russland und der Rechtspopulismus die Demokratie ausgehebelt? Ein kurze Spurensuche im Internet in den letzten Zügen des Wahlkampfes.
Die AfD bekommt mehr Aufmerksamkeit als alle anderen Parteien
Insgesamt gibt es mehr Suchanfragen nach der Alternative für Deutschland als für alle anderen Parteien. Sogar der allgemeine Suchbegriff Bundestagswahl wird deutlich seltener gesucht. Ganz offensichtlich konnte die Partei große Aufmerksamkeit generieren, in den Medien wurde ihr Aufstieg minutiös protokolliert. Möglicherweise tragen sie damit auch zu einer verzerrten Wahrnehmung der Bedeutung der neu-rechten Partei bei. Bei Google finden sich 573.000 Ergebnisse, die die Stichworte AfD und Gefahr enthalten (und mit diesem Beitrag wieder eines mehr). Und die AfD weiß sich zu inszenieren: Erst kürzlich machte Alice Weidel den Bosbach und verließ, so gut es ging, entrüstet eine Talkshow im ZDF. Und schaffte es damit wiederum in die Schlagzeilen. Fakt ist, dass vielfach keine Auseinandersetzung mit Themen und Inhalten stattfindet, sondern mit Personen und Emotionen. Dazu braucht man sich nur die Wahlplakate der Parteien für die Bundestagswahl 2017 anzusehen. Im Kanzlerduell war nur schwer festzustellen, über welche Punkte gestritten werden soll. Schließlich regieren SPD und CDU seit Jahren zusammen. Echte Perspektiven und Ideale konnte die SPD offenbar nur wenigen Wählern aufzeigen. Für eine russische Störung sorgte dann doch noch Genosse Schröder, der sich um eine Stellung als Aufsichtsrat beim Ölkonzern Rosneft bemühte.
Wir Bremer waschen währenddessen unsere Hände in Unschuld: Der Osten verantwortet den Aufstieg der AfD – man hat es geahnt.
Auch in den sozialen Netzwerken dominiert die AfD die Debatte
Doch wie steht es in den sozialen Netzwerken? Auch hier dominiert die AfD die Debatte, etwas mehr als 30 Prozent aller Beiträge beziehen sich kurz vor der Wahl auf die AfD – weit mehr als bei den anderen Parteien. Und tatsächlich scheinen knapp 15 Prozent der Beiträge von Bots zu stammen. Allerdings sind das nur wenige Prozentpunkte mehr als bei den Grünen (11,2 %) und bei der Linken (12,3 %). Vielleicht lassen sich die Bots aber auch nicht so leicht enttarnen: Es liegt in der Natur der Wissenschaft, ihre Methoden öffentlich zu machen. Im Oxford Computational Propaganda Project werden Twitter-Accounts über die Anzahl an Tweets als Bots eingestuft (mehr als 500 Tweets in 10 Tagen). Eine derartige Erkennung lässt sich natürlich leicht umgehen.
Immerhin führen die meisten Links, die auf Twitter geteilt werden, zu seriösen Nachrichtenquellen. Dennoch führt jeder vierte Link zu “Junk-News”. Es ist also nicht zu bestreiten, dass Bots und Falschmeldungen die Bundestagswahl beeinflussen. Dass mit ungleichen Mitteln gekämpft wird, kommt aber nicht nur im Internet vor (siehe dazu den Krosse-Artikel über die Wahl Trumps). In Deutschland richtet sich der Anspruch der Parteien auf Fernsehsendezeit nach ihrer “Relevanz” – zum Beispiel dem Ergebnis bei der letzten Bundestagswahl. Auch hier geht es nicht um die besseren Argumente, innovative Ideen oder einen demokratischen Diskurs – sondern um Machtstrukturen und Ressourcen.
Vor September interessiert das niemanden. Und Wahlprogramme liest sowieso niemand.
Gefühlt wird zwar bereits seit Ewigkeiten auf Plakatwänden und in Talkshows um die Gunst der Wähler gebuhlt. Doch offenbar schieben viele Wähler ihre Entscheidung so lange es geht hinaus: Erst im September nahm das Suchinteresse für wahlbezogene Themen merklich zu. Doch die wenigsten suchen tatsächlich nach den Wahlprogrammen der Parteien, ungleich mehr Anfragen kürzen den Informationsprozess mit dem Wahl-O-Mat ab. Von den Nutzern des Wahl-O-Mat geben immerhin zwischen 10 und 20 Prozent an, sich gar nicht für Politik zu interessieren. Ansonsten besitzen viele Nutzer ohnehin schon eine klare Präferenz, wollen sie aber überprüfen.
Die meisten Suchanfragen zum Wahlomat gab es übrigens direkt zu dessen Veröffentlichung, danach geriet er etwas in Vergessenheit. Erst jetzt kurz vor der Wahl gibt es wieder mehr Anfragen. Das hängt vermutlich auch damit zusammen, dass in der Presse vor allem zur Veröffentlichung auf das Programm verwiesen wird.
Die Wahl ist nicht alles, denn wie könnte es anders sein:
Du brauchst einen kurzen Überblick, wie in Deutschland gewählt wird? Hier gibt es einen Crashkurs.
Lennart Tharam
Bildquelle: Landeszentrale für politische Bildung des Saarlandes/Henrik Elburn, bildware.net