Stillstand in Fußballdeutschland – seit dem 26. Spieltag hat Corona den Fußball fest im Griff. Nun könnte sich das aber schnell ändern. Schon ab Mitte Mai sollen die Mannschaften wieder auf dem Platz stehen, die Schiris wieder pfeifen und die Trainer auf der Bank Platz nehmen – nur die Fans müssen mit der eigenen Couch vorlieb nehmen.
Während alle Ligen anderer Sportarten bereits ihre Saison für beendet erklärt haben und auch in unseren Nachbarländern die laufende Fußballsaison längst abgebrochen wurde, scheinen für den deutschen Fußball andere Regeln zu gelten. Die Saison, die seit dem 13. März 2020 pausiert, soll bis Ende Juni beendet werden. Wie das funktionieren könnte, beriet die DFB-Mitgliederversammlung am 17. April.
DFB will Geisterspiele
Geisterspiele stehen an. Dass das Publikum nun ihre Mannschaften nicht anfeuern dürfe, ergibt sich aus dem Versammlungsverbot und der Kontaktsperre der Politik. Die Fußballer sollen also ohne ihre Anhänger in den Stadien aufeinander treffen. Doch wäre das wirklich noch Fußball? Eine Kostprobe dessen sahen die Fans während des Champion League Spiel zwischen PSG und Dortmund. Eine merkwürdige Stille erfüllte das ganze Stadion. Noch kurioser: Der Zuschauer konnte die Stimmen und Absprachen der Spieler auf dem Platz vernehmen. Ein wirkliches Topspiel-Gefühl konnte so nicht wirklich aufkommen.
Fußball und Abstandsregelung – geht das überhaupt?
Noch fragwürdiger ist allerdings: Wie ist ein Weiterführen der Bundesliga-Saison überhaupt mit den geltenden Abstandsregelungen vereinbar? In Deutschland sind Schulen noch immer geschlossen. Sie öffnen ab dem 27. April 2020 unter strengen Auflagen und nur für Abschlussklassen. Millionen Kinder sitzen Tag für Tag zuhause und dürfen ihre Freunde nicht treffen, Oma und Opa nicht besuchen. Und jetzt sollen jene Kinder ihre Vorbilder im Fernsehen sehen, die sich nicht an die strengen Regeln halten müssen? Das wäre ja vielleicht sogar positiv, würde es wohl einige Gemüter erfreuen. Denn wenn der Fußball wieder auf den Bildschirmen der Nationen auftaucht, so sorgt er sicherlich für Ablenkung und neue Gesprächsthemen während der Pandemie.
Doch wie erklären die Eltern ihren Kindern, dass sie wenige Wochen später, wenn auch für sie wieder die Schule beginnt, Abstand zu ihren Freunden halten müssen? Wie macht man einem Kind dies plausibel, wenn es wenige Zeit später 23 Menschen auf dem Fußballfeld sieht, die mit Körperkontakt um einen Ball kämpfen? Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Einher mit dieser Überlegung geht die grundlegende Frage, ob der Fußball so noch ein gesellschaftliches Vorbild sein kann.
Maskenpflicht während des Spiels
In Deutschland wird nun mehr und mehr die Maskenpflicht eingeführt, wenn man sich an öffentliche Plätze, wie etwa zum Einkaufen oder in der Bahn, begibt. Auch in den Bundesligaspielen sei dies wohl angedacht – so munkelt man auf zahlreichen Internetseiten. Doch wie soll das bloß funktionieren? Normale Menschen versuchen sich Masken selbst zu nähen oder überlegen, wie man die Masken so sterilisieren kann, dass man sie möglichst oft verwenden kann. Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen klagen über zu wenig Material – und der DFB möchte nun allen 23 Sportlern (plus Auswechselspielern) auf dem Platz eine Maske geben. Nicht nur das (hier wären wir schon bei ca. 200 Masken pro Spieltag allein für die erste Bundesliga, bis Ende der Saison werden so ca. 1850 verbraucht), die Gesichtsbedeckungen sollen auch alle 15 Minuten getauscht werden. Das bedeutet dass man während eines Spieltages auf ca. 1200 Masken käme. In der restlichen Saison ergäbe das insgesamt fast 11.000 Masken, die für den Fußball in der ersten Liga eingesetzt werden – und vielleicht an anderer Stelle fehlen.
Emotionsloser Fußball
Weiterhin soll jeder körperliche Kontakt beim Jubeln oder anderen Situationen unterbunden werden. Wir werden dann also einen Fußball ohne jegliche Emotion zu Gesicht bekommen. Natürlich ist Fußball auch ein wirtschaftliches Unternehmen. Und auch er kämpft ums Überleben, aber das tun andere Unternehmen auch, denken wir doch nur mal an Gastronomiebetriebe.
Gerade jetzt sollte Solidarität großgeschrieben werden und das bedeutet (leider): Nein zu einer Weiterführung der Fußball-Bundesliga. Denn die Regeln, die die Politik aufgestellt hat, sollten für alle gelten. Der Eindruck, dass einige gleicher als die anderen sind, sollte unbedingt vermieden werden, damit der DFB auch in Zukunft glaubwürdig bleibt.
von Annika Hinke