Krosse hat bereits im Mai über das Zuckerwerk berichtet. Damals ging es in „Kunst und Kultur im Unterseedorf” jedoch um das DIY Festival des Künstlerkollektivs in der Überseestadt. Nun drei Monate später fragt man sich, was kommt als nächstes? Wie geht es weiter? Und wird es vielleicht sogar einen neuen Techno-Club geben?
KROSSE traf das Zuckerwerk zum Interview und gibt Antworten auf Fragen, die sich viele Fans der elektronischen Tanzmusik in Bremen stellen.
„Unterseedorf“
Im Mai zeigte die Zuckertruppe mal wieder wie kreativ, ambitioniert und engagiert es Projekte plant und umsetzt. Und so ist es kein Wunder, dass das Festival „Unterseedorf“ ein voller Erfolg war. Einzig das Wetter machte einige Probleme, was der Stimmung jedoch keinen Abbruch tat. Es ging sowieso in erster Linie darum, auf den dringenden Raumbedarf hinzuweisen. Außerdem sollte die Tradition der Sommerfestivals á la „Stubnitz“ und „Neuland“ weitergeführt werden, sagt das Kollektiv. Gleichzeitig bietet ein solches Festival natürlich auch künstlerische Freiräume und eine ideale Plattform, um in den Köpfen der Bremer präsent zu bleiben. „Es haben viele Leute mitgemacht, die nicht im Netzwerk aktiv sind, neue Leute, neue Gesichter. Das war sehr spannend.“
Das Zuckerwerk
Aber wer steht eigentlich hinter diesem Kollektiv? Wer und was ist dieses Zuckerwerk? Nun es handelt sich hier um einen eingetragenen Verein, man könnte die Mitglieder auf jeden Fall als Kulturschaffende bezeichnen. Sie selber sehen sich als ein unhierarchisches Netzwerk mit ideellen Grundsätzen. Auch wenn sie alle ehrenamtlich dabei sind, ist es das Ziel der „Zwerke“, so nennen sich die Vereinsmitglieder offiziell, die nächsten Jahre konstant in dem Projekt mitzuwirken. Das Netzwerk ist für alle offen, hat jedoch gesellschaftspolitische Grundsätze. Wichtigste Anliegen sind die Förderung von elektronischer Musik abseits des Mainstreams, Anti-Sexismus sowie eine Anti-Diskriminierungs-Politik. Das alles ist verankert in der Satzung des Vereins, der sich ein bis zwei Mal wöchentlich zum Plenum trifft. Sie streben nicht nach Gewinnmaximierung oder Kapitalanhäufung, das ist dem Kollektiv ganz wichtig, sie sind ein gemeinnütziger Verein. „Wir sind in unserem Streben eher Idealverpflichtet.“ Genau aus diesem Grund sei der damalige Zucker-Club in der Nähe des Bremer Hauptbahnhofs vor ziemlich genau einem Jahr auch geschlossen worden. „Die Location war damals ungünstig, wir wollen und können kein Wirtschaftsunternehmen sein.“ Viele Gründe haben dazu geführt, dass das Zucker seine Pforten schließen musste, Publikumsmangel war keiner davon. Der Club war fünf Jahre lang fester Bestandteil der Bremer Partyszene. Nach seiner Schließung gründete sich dann das Netzwerk „Zuckerwerk e.V.“. Krosse fragte auch nach den neuen Aufgaben des Vereins, jetzt nachdem sie keinen festen Standort mehr haben.
„Wir haben nix zu feiern“ – Zucker und Outdoor-Raves
Zurzeit beschäftigt sich das Zuckerwerk neben der Raumsuche mit der ziemlich schlechten Situation für nicht angemeldete Outdoor-Raves in Bremen (KROSSE berichtete). Das Ziel hierbei ist auf die Fahnen geschriebene Förderung unkommerzieller elektronischer Musikkultur. Das Kollektiv sieht sich jedoch selbst längst nicht als Hauptakteur in dieser Diskussion, sondern eher als Stimme elektronischer Subkultur in Bremen, die mit Protestaktion, Vernetzungstreffen und Pressearbeit dazu beitragen möchte, dass im Sommer wieder unkompliziert und freiheitlich draußen gefeiert werden kann. Doch was kam dabei bisher rum? Tatsächlich führten die Bemühungen zu Reaktionen der Stadtpolitik, mit der vor kurzem ein erstes Treffen stattfand. Laut Zuckerwerk war die Stimmung dieses Treffens aber wohl eher verhalten: Die Stadt sieht zwar auch, dass öffentliche Flächen für Alle da sein sollten und befürwortet die Wiederherstellung der Duldung von Outdoor-Raves durch die Polizei, die Verhandlungen laufen aber zurzeit noch immer darum, welche Regelungen nun tatsächlich getroffen werden sollen.
Noch immer auf Raumsuche
Wichtigstes Ziel bleibt weiterhin die Suche nach einer neuen Location. Das Zuckerwerk erhofft sich hiervon vor allem eine besser auf die kulturellen Ansprüche abgestimmte Arbeitsweise. Die neue Location soll dabei auch deutlich besser ausgebaut werden. Die bisher ziemlich langwierige Suche ist dabei durch mehrere Faktoren bedingt: Gesucht wird ein sowohl zentral gelegenes als auch von lärmempfindlichen Nachbarn entlegenes Gebäude oder Grundstück. Man versteht sich als urbanes Kulturprojekt und möchte gleichzeitig wieder einen Raum für elektronische Tanzmusik bieten. Die hohe Verdichtung im Stadtraum Bremen und die gleichzeitig ansteigenden Immobilienpreise stehen dem aber entgegen. Politische und subkulturelle Institutionen haben es dabei gerade in der Konkurrenz mit Wirtschaftsunternehmen wahrlich schwer. Bei der Suche wird das Zuckerwerk von der Bremer ZwischenZeitZentrale (ZZZ) unterstützt und konnte bereits Anfang 2013 ein Grundstück in der Bremer Neustadt auftun – und zwar in der Richard-Dunkel-Straße. Die Verhandlungen mit dem Bauamt ziehen sich aber seitdem hin. Zentrales Problem ist der von vorherigen Nutzungen belastete Boden des Grundstücks – es wurden Bodenproben entnommen, die derzeit noch untersucht werden. Das Kollektiv steckt aber immer noch viele Hoffnungen in die Richard-Dunkel Location: Für den Bau eines Gebäudes wurden bereits Kostenvoranschläge von Architekten eingeholt und es ist eine Fundraising-Kampagne für die Finanzierung in Vorbereitung. Das Zuckerkollektiv steht sozusagen in den Startlöchern und wartet nur noch auf grünes Licht.
Was wird aus der Techno-Subkultur in Bremen?
Bei Betrachtung der Gesamtsituation elektronischer Musik-Subkultur in Bremen offenbart sich einerseits eine unglaublich starke und aktive Szene, die vor allem im Zuge des Unterseedorf-Festivals seine Größe und Stärke beweisen konnte und selbst nach der Schließung des Zucker-Clubs noch stark angewachsen ist. Gleichzeitig werden aber die fehlenden Möglichkeiten eines festen Ortes und Treffpunktes beklagt, die vor allem in strukturellen Missständen gesehen und vom Kollektiv als städtebauliche Projekte zur wirtschaftlichen Standortsicherung, Gentrifizierung und Stadtverdichtung benannt werden. „Manchmal denke ich, wir sollten einfach alle nach Leipzig ziehen“.
Es gibt in Bremen also auf jeden Fall einen starken Bedarf nach unkommerziellen Strukturen, die Freiraum und Entfaltungsmöglichkeiten bieten können und eine Alternative zum aktuellen Angebot darstellen. Das Zuckerwerk erhält für ihre Arbeit viel positives Feedback, auf Dauer besteht jedoch die Gefahr, dass sich die Szene aus Frustration und fehlenden Treffpunkten so langsam auflöst. Techno-Subkultur in Bremen sehnt sich nach einem neuem Zuhause.
Wer das Zuckerwerk unterstützen möchte, kann sich über eine Anmeldung beim voraussichtlich monatlich erscheinenden Newsletter über anstehende Plena- und sonstige Termine Informationen einholen. Einfach eine E-Mail an: zwerk_news@lists.riseup.net
Tobias Theel
Christian Hannken