Keinen Müll produzieren? Wie soll das denn funktionieren? Der Zero Waste-Lebensstil kann für den normalen Menschen einen überzogenen, extremen Eindruck machen. Tatsächlich aber könnte diese Philosophie in der Zukunft von hoher Relevanz sein. Unsere Redakteurin hat sich drei Tage an das Zero Waste-Leben herangetastet und zeigt hier, dass die ersten Schritte gar nicht mal so kompliziert sein müssen.
Was ist „Zero Waste“?
Als Zero Waste-Lebensstil bezeichnet man das Streben danach selbst so wenig Müll wie möglich zu produzieren. Dabei geht es nicht um einen Wettkampf untereinander, sondern um den individuellen Wunsch seinen ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Mit dem Verzicht auf Verpackungen (z.B. aus Plastik) und sonstige, eigentlich überflüssige, Wegwerf-Ressourcen versucht man nicht nur beim Lebensmitteleinkauf, sondern hinsichtlich des gesamten eigenen Konsumverhaltens bewusster zu leben.
Ok – und warum?
Wir produzieren zu viel Müll – und zwar viel zu viel. Wer denkt, dass es sich dabei um ein kleines Problem handelt, das man nur mitbekommt, wenn in der Stadt die Mülleimer mal wieder zu voll sind, der liegt falsch. Tatsächlich versinken wir global gesehen in jedem Moment mehr in unseren Hinterlassenschaften. Das klingt etwas dramatisch, aber führt man sich die riesigen Plastikstrudel im Pazifik vor Augen (mehr dazu hier) erscheint die Thematik gleich viel plausibler. Unser größtes Problem in dieser Hinsicht ist mit Sicherheit Plastik. Das Artefakt, das erst seit dem vergangenen Jahrhundert die Märkte erobert, ist größtenteils nicht biologisch abbaubar und schwer zu recyclen. Erschreckenderweise wird nur weniger als ein Fünftel des Kunststoffabfalls tatsächlich recycelt oder verbrannt – der Rest verschmutzt die Umwelt.
Aus dem Wunsch heraus, nicht mehr Teil dieser ökologischen Abwärtsspirale zu sein und mit gutem Beispiel voran zu gehen, entscheiden sich immer mehr Menschen für den „Zero Waste“-Lebensstil. Verbreitung erfährt die Message dabei besonders in den Sozialen Netzwerken, auf Foren und Blogs.
Die Spielregeln
In den nächsten drei Tagen werde ich den „Zero Waste“-Lebensstil selbst testen und mich bemühen bewusster zu leben. Dabei werde ich die Lektion des jeweiligen Tages hier festhalten. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf dem alltäglichen Plastikkonsum liegen, vielleicht findet sich ja die ein oder andere Alternative.
Tag 1: Unverpacktes aufspüren
Das Erste, das mir einfällt, sind natürlich Lebensmittel: Im Supermarkt meines Vertrauens musste ich schnell feststellen, dass ich mich hauptsächlich in der Obst- und Gemüsesektion aufhalten werde. Aber selbst hier: Salat, Champignons, Brokkoli, Kartoffeln – alles in Plastik gewickelt. Auffällig war außerdem, dass selbst Unverpacktes mit Aufklebern versehen wird, die dann in den Müll wandern. Lose Kartoffeln, also nicht im klassischen Kartoffelnetz, habe ich noch gerade so gefunden. Aber für Basics wie Reis, Spaghetti, Brot, Kaffee und Milch sieht es schlecht aus. Kann man diese Lebensmittel überhaupt verpackungsfrei bekommen?
Außerdem aufgefallen: Natürlich sind nicht nur Lebensmittel verpackt, auch Badezimmerartikel wie Shampoo, Lotion, Zahnpasta, Zahnbürste, Make-up, Deo und alle Haushaltsmittel werden meist in Kunststoff verkauft. Neben den verpackungsgebundenen Lebensmitteln werde ich mich wohl morgen auch mit diesen Must-haves auseinandersetzen müssen.
Tag 2: Verpackungsfreier Supermarkt in Bremen
Auf der Suche nach passenden Einkaufsmöglichkeiten bin ich auf den verpackungsfreien Supermarkt Selfair im Bremer Viertel aufmerksam geworden. Hier gibt es neben Obst und Gemüse auch Waren wie Nüsse, Müsli, Nudeln, Bohnen, Linsen und Reis in Spendern zum Selbstabfüllen. Dazu bringt man sich entweder selbst Gefäße mit oder benutzt die Papiertüten im Laden. Außer Kaffee konnte ich hier alle Lebensmittel, die mir im Supermarkt gefehlt haben, plastikfrei bekommen. Außerdem bietet Selfair eine Auswahl an Zahnbürsten, Zahnpasta, Bürsten, Kämme – alles in Pappe verpackt oder unverpackt. Trotz des stolzen Preises habe ich mich für eine Holzzahnbürste entschieden.
Tag 3: Was bleibt
Nachdem ich am ersten und zweiten Tag schon einige grundlegende Sachen bezüglich des Einkaufens gelernt hatte, stellte sich mir am letzten Tag die Frage: Was ist noch ungelöst und welche Möglichkeiten gibt es noch? Zuerst fällt mir der Kaffee ein. Egal, ob loses Kaffeepulver, Kapseln oder Pads: Alles ist in Plastik verpackt. Die einzige Recherche-Alternative, die ich finden konnte, ist, sich Kaffeebohnen direkt in der Rösterei oder in Fachgeschäften zu besorgen und diese dann ganz oldschool Zuhause in einer Mühle zu mahlen. Die Antwort auf die Frage, wo ich meinen Käse, meine Wurst, Fisch etc. bekomme, ist die Frischetheke, an der das Abfüllen in eigener Dose möglich ist. Feinkostläden scheinen im Allgemeinen eine zwar teurere, dafür aber oft verpackungsfreiere Alternative zum Discounter oder Supermarkt zu sein. Shampoo, Cremes, Make-up lassen sich gut in Shops wie Lush oder online einkaufen. Für Haushaltsprodukte wie Waschmittel, Reiniger und Spülmittel scheint es allerdings nur eine Möglichkeit zu geben: selbst herstellen. Wie das geht, ist auf den unten aufgeführten Blogs zu lesen.
Fazit
Natürlich habe ich mit meinen Bemühungen der letzten drei Tage noch lange nicht genug getan, um dem Zero Waste-Lebensstil gerecht zu werden. In diesem Selbstversuch wollte ich mein eigenes ökologisches Verständnis und Bewusstsein im Alltag schulen, mir ein Bild davon machen, wo eine Zero Waste-Reise beginnen könnte und meine Erfahrungen teilen. Ich habe gemerkt, dass es nicht unmöglich ist, sich für eine umweltschonendere Lebensweise zu entscheiden und es viele Möglichkeiten gibt die eigenen Konsumentscheidungen zu verbessern. Sicherlich muss man gerade am Anfang die nötige Zeit (und Geld!) investieren, um sich dieser Herausforderung zu stellen – ich könnte mir allerdings durchaus vorstellen, dieses Projekt selbst für eine längere Zeit in Angriff zu nehmen.
Mehr Infos und Anregungen:
- TedTalk: Zero Waste (Lauren Singer)
- Blog: Einfach Zero Waste leben
- Blog: Going Zero Waste
- Blog: Zero Waste Lifestyle
Anna Fredrich