Seit nun fast einem Jahr sind Eltern damit beschäftig ihre Kinder für die Corona-Regeln zu sensibilisieren. Die Belastung ist dabei hoch: Oma und Opa dürfen nicht besucht werden, Freunde nicht getroffen werden, Sportangebote fallen aus und auch Schule ist nur digital möglich. Und dann kommt es dazu, dass die Kinder sehen, wie die Profifußballer jedes Wochenende auf den Plätzen stehen dürfen – da fragt man sich zurecht, warum?
Die Eltern kommen daraufhin in Erklärungsnot, denn wirklich plausibel ist das Ganze nicht mehr. Mitte Letzten Jahres wurde entschieden: Bundesliga darf spielen. Ein Hygienekonzept wurde entworfen und tatsächlich sah es so aus, dass dies gut funktioniert. Doch jetzt, ein halbes Jahr später ist die Anzahl der Infizierten in Deutschland hoch und die Regierung warnt vor Mutationen. Deutschland befindet sich im Lockdown und noch ist kein Ende in Sicht. Arbeitgeber werden gebeten ihre Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken, zahlreiche andere Geschäfte sind gänzlich geschlossen.
Man sollte meinen, dass sich bei den immer strenger werdenden Regeln auch der Profifußball sensibilisieren müsste. Immerhin kann man nun wirklich ganz klar sagen: Dass die Bundesliga spielen darf ist ein absolutes Privileg. Ein Privileg, dass viele Menschen immer mehr stört und was von den Fußballern selbst immer weniger wertgeschätzt wird.
Verstöße gegen Corona-Auflagen
Oder wie lässt es sich sonst erklären, dass Embolo, Fußballer bei Mönchengladbach, in der Nähe einer Party in Essen angetroffen wurde? Bis heute ist nicht ganz klar, ob er wirklich Gast der Feierlichkeit war, bei der mehrere Menschen ohne Abstände und Masken aufhielten. Oder, ob er wie er sagt, nur bei einem Kumpel Filme gucken war. So oder so hat er mit seinem Verhalten gegen die Corona-Auflagen der DFL verstoßen.
Der nächste Kracher ließ nicht lange auf sich warten. Bayernstar Tolisso hatte einen Tätowierer einfliegen lassen und postete ein Bild der Aktion in den Sozialen Medien. Nicht nur blöd dies selbst öffentlich zu dokumentieren, sondern eben auch ein Verstoß gegen das Hygienekonzept der DFL und den Corona Verhaltensregeln der Bundesregierung. Nach denen sind Tattoostudios geschlossen.
Im Internet wurde viel über diese Verstöße diskutiert. Gerade Menschen, die im Fußballgeschäft zuhause sind, entschuldigen diese aber mit dem Alter der Akteure, wie zum Beispiel Stefan Effenberg im Check 24 Doppelpass. Doch ist dies wirklich eine Frage des Alters? Wäre es damit zu entschuldigen, obwohl wir doch von Schulkindern jeglichen Alters fordern auf ihre Freunde zu verzichten? Obwohl wir Studenten und Auszubildende gleichen Alters wie die Profifußballer für Solidarität sensibilisieren? Wie kann man das vertreten? Die Vereine der Spieler haben sich dafür entschieden ‚empfindliche‘ Geldstrafen zu verhängen.
Fußball als Ablenkung vom Corona-Wahnsinn
Der Grund, warum Fußball gespielt werden darf, dürfte auch in diesem Punkt begründet liegen: Wir Menschen verbringen mehr Zeit zuhause und freuen uns dementsprechend über Unterhaltung. Doch was ist das für Ablenkung, wenn eigentliche Spitzenteams völlig einbrechen und desolate Leistungen zeigen?
Wo der Grund für diesen Leistungsabfall liegt, da haben die Leute des Fußballgeschäfts eine ganz eigene Meinung: die Belastung ist zu hoch. Die Winterpause der Profisportler war quasi nicht existent. Für einen Bundesligisten, der zusätzlich in der Europa- oder Championsleague vertreten ist, stehen englische Wochen auf dem Programm. Doch anstatt sich dieser Herausforderung zu stellen und dankbar zu sein, dass man überhaupt seinem Beruf nachgehen kann, wird gemeckert.
Fußballer treten vor die Mikrophone und verbreiten nicht gerade gute Laune. Vielleicht sollten diese einmal sehen, wie es denn ist, wenn der eigene Arbeitsplatz auf Grund von Corona geschlossen bleiben muss- wenn man keine Millionenbeträge verdient. Es ist kaum auszumalen wie schlecht dann die Laune jener Profisportler wäre.
Das Paralleluniversum Fußball
Die Vereine sollten sich auf jeden Fall mit ihren Spielern mal hinsetzen und sich Gedanken machen, wie man dem Privileg, welches sie nun mal haben, nachkommen kann. Doch stattdessen wird weiter gefordert. Der FC Bayern München reist mal eben für ein paar Tage zur Fifa Club WM nach Katar. Dort treffen sie auf Mannschaften aus Kairo und Mexiko. Ich frage nun mal in aller Deutlichkeit: Muss das sein?
Zudem noch nicht genug, nicht nur, dass es im Fußball völlig normal scheint auch in Pandemiezeiten weiter durch die Welt zu jetten, nein, nun fordert Bayern-Boss Rummenigge auch noch die primäre Impfung der Profifußballer. Dies sei wichtig damit diese ihrem Job nachgehen können. Außerdem hätten Fußballer einen Vorbildcharakter und könnten so mehrere Menschen zum Impfen animieren. Da frage ich mich nun wirklich: In welcher Welt leben wir, wo Fußballer eher geimpft werden sollen als jene Menschen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten? Warum sollten Fußballer eher an der Reihe sein als alle anderen Menschen ihrer Altersklasse?
Problematisch ist, dass durch solche Aktionen das Unbehagen der ‚normalen‘ Bevölkerung gegenüber dem Profifußball und den momentanen Privilegien wächst. Schon zu Beginn der Corona-Krise war eine Entfremdung zwischen Fans und Fußballclubs zu sehen- erstmals zu Tage getreten bei Deutschlandspielen, die sich weder eines Fanansturms erfreuten, noch besonders hohe Einschaltquoten verzeichneten. Diese Entfremdung dürfte durch solche Aktionen weiter wachsen.
von Annika Hinke