Eine weitere KROSSE-Redakteurin hat in diesem Jahr ihr erstes Festival besucht, in diesem Fall das Deichbrand 2017. Noch ehe der ganze Schlamm herausgewaschen und der Sonnenbrand verheilt ist, versucht sie, ihre Eindrücke zusammenzufassen.
Bisher hatte es mich noch nie auf ein richtiges Festival verschlagen – zu viele Menschen auf einem Fleck, zu teuer, zu wenig Zeit. Da dies aber zu den Erfahrungen gehört, die man einmal im Leben gemacht haben sollte, entschloss ich mich, dieses Abenteuer endlich anzupacken. Meine Bachelorarbeit ließ ich dafür liebend gerne für ein paar Tage mit zwei lachenden Augen zurück.
Camping mal anders
Die Ankunft war schwierig und anstrengend, doch der Großteil der Gruppe, der ich mich angeschlossen hatte, war am Donnerstag bereits gegen 10 Uhr auf dem Campingplatz “Womo-Central” und hatte alles eingerichtet, weshalb ich nach meiner Odyssee durch den Checkpoint nur noch mein Gepäck ins Zelt werfen musste (und das sogar ohne Gepäckkontrolle). Die Lage unseres Camps wäre eigentlich perfekt gewesen (es waren bloß zwei Gehminuten bis zum Osteingang des Festivalgeländes) doch dieser wurde zumindest am Freitag ohne Vorankündigung geschlossen – Unsere „zentrale“ Lage wurde zu „Wir müssen einmal um das ganze Gelände herumlaufen“. Aber das tat der guten Laune keinen Abbruch.
Die Art, wie wir campten, lässt sich kaum als solches bezeichnen, denn wir hatten Strom, zwei Kühlschränke, einen Sandwichtoaster und einen Pavillon, der mit einem Teppich ausgelegt war. Der gelegentliche Regen ließ sich hier bequem aushalten und das Bier war immer kalt. Nächstes Jahr sollen sogar noch ein normaler Toaster und eine Friteuse hinzukommen.
Das Leben auf dem Campinggelände war schmutzig, laut und hat verdammt viel Spaß gemacht. Auf Streifzügen zu den sanitären Anlagen hat man häufig neue Bekanntschaften gemacht, sich gegenseitig bei kleinen Problemchen geholfen oder sich spontanen Flunkyball-Runden angeschlossen. Alle waren sich eigentlich fremd und doch irgendwie eine große Familie. Und wenn jemand, so wie in meinem Camp, Bock hatte ein fast ein Meter tiefes Loch zu graben, hat man das einfach gemacht, ohne dass sich jemand daran störte. Die Tradition, sich mit seinem Stuhl vor die Dixie-Toiletten zu setzen und zu klatschen, wenn jemand herauskommt, ist mir allerdings immer noch ein Rätsel.
Festival-Kult(ur)
Das Deichbrand ist mit über 50.000 Besuchern sehr groß, doch es sind die vielen kleinen Momente, die die neu entdeckte Festival-Kultur ausmachen – Zum Beispiel mit Fremden über das Festival zu fachsimpeln, die witzigen Outfits zu bewundern, die manche zur Schau stellten, oder die Freude darüber, völlig zufällig bekannte Gesichter zu sehen. Außerdem schien jeder Besucher irgendein witziges Gimmick dabei zu haben und Konfetti gehörte neben dem Bier in der Hand zum wichtigsten Accessoire. Daneben gab es auch noch die verschiedensten Anwendungen von Panzertape zu entdecken, beispielsweise hat sich jemand daraus mit Bierdosen einen Hund gebastelt und diesen an einer Tape-Leine hinter sich her gezogen.
Natürlich dürfen auch die Konzerte nicht unerwähnt bleiben, waren sie für mich doch eigentlich der Hauptgrund, zu einem Festival zu fahren. Ich habe einige Bands für mich (wieder)entdeckt, doch die meiner Meinung nach besten Konzerte gaben die Donots und Liedfett, beides Bands, für die ich jederzeit wieder auf ein Festival fahren würde. Zwar habe ich mir die meisten der Hauptacts wenigstens teilweise angesehen, doch an gelegentlichen Abstechern ins Palastzelt mehr Freude gehabt, weil das Publikum dort kleiner und die Konzerte dementsprechend „intimer“ waren.
Lektionen für’s nächste Festival
Das Festival-Leben hat mich einige Dinge gelehrt: So ist es beispielsweise nicht ratsam, an einem heißen Tag in einem weißen Top über den Campingplatz zu wandern, weil man sich damit zur beliebtesten Zielscheibe für Wasserbomben und -pistolen macht (eine Lektion, die ich mehr als einmal lernen musste).
Was das Anstehen in Schlangen vor Toiletten angeht, ist sich jeder selbst der nächste, aber man steht irgendwie doch füreinander ein. Als sich eine Frau in die Toilette drängelte, für die ich gerade zwanzig Minuten angestanden hatte, wurde sie so lautstark von den Menschen hinter mir angepöbelt, dass sie nach verrichtetem Geschäft sofort die Flucht ergriff. Und wo wir gerade bei Toiletten-Gewohnheiten sind – wenn man wirklich dringend muss, pinkelt man auch inmitten der Menge, dafür braucht man nur eine Gruppe von Leuten um sich herum, die einen Sichtschutz bildet (zu letzteren gehörte ich).
Mein erstes Festival bot viele unerwartete Momente, die ich nicht so schnell vergessen werde. In diesem Sinne: Danke, Deichbrand! Du hast eine Festival-Anfängerin und -Skeptikerin zu einem Festival-Fan gemacht!
Lisa Henn
Foto: Deichbrand Festival, Chris Zielecki