Die Corona-Krise betrifft uns alle – besonders die Clubbetriebe. Im Exklusiv-Interview für Krosse.Info erzählt der Hamburger PAL-Resident und Produzent Romano Van de Mas warum das Thema Clubsterben eine Entwicklung ist, die es nicht erst seit Corona gibt.
Stillstand. Seit Freitag, den 13. März ist der Hamburger Club PAL geschlossen. Klingt nach einem schlechten Omen? Ist es auch! „Wir beobachten den Status zu SARS-CoV-2 sehr genau und nehmen den Clubbetrieb sofort wieder auf, sobald die Lage es zulässt“, hieß es damals auf der Facebook-Seite vom PAL. Dass die Wiedereröffnung wahrscheinlich noch bis Ende 2020 dauern wird, mindestens aber bis zum 31. August, konnte zu dem Zeitpunkt noch niemand ahnen. Jetzt ist der Club auf Spenden angewiesen und hat eine Crowdfunding-Seite eingerichtet. Aber nicht nur das PAL steht vor dem Ende seiner Existenz, auch andere Clubs in Bremen, Hamburg oder in der Techno-Stadt Berlin kämpfen gerade ums Überleben. Man wurde kreativ und solidarisierte sich, seit der temporären Schließung legen jeden Abend DJs per Livestream auf. Sie bringen dabei nicht nur den Club ins Wohnzimmer, sie sensibilisieren die Community auch für das Thema Clubsterben. Anfang 2020 wurde der Begriff Clubsterben so häufig gegoogelt, wie in den letzten fünf Jahren nicht mehr. Dabei war das Thema schon vor Corona relevant.
Clubsterben – Schon länger ein Problem
Im Interview erklärt PAL-Resident, Produzent und Kopf der “KUR“ Reihe Romano Van de Mas warum das Thema Clubsterben die Szene schon seit Jahren zunehmend beschäftigt, und nicht erst seit der Corona-Pandemie. “Clubsterben ist eine Entwicklung, die uns fortlaufend immer weiter beschäftigt. Dadurch, dass wir uns nur durch den laufenden Betrieb finanzieren können, sind wir in unserer Existenz bedroht”, erzählt der PAL-Resident. Einen Club aufzubauen oder zu betreiben, ist ein enormer Aufwand, den man auf den ersten Blick nicht sieht. “Wenn du monatliche Kosten im fünfstelligen Bereich hast und die irgendwie einspielen musst, das aber nicht kannst, dann geht dir ganz schnell die Kerze aus.” Das weiß auch Sascha Disselkamp, Betreiber des berühmten Technoclubs KitKat: “Wir sind auf Kante genäht. Das war nie ein tolles Businesskonzept.” Nicht nur der laufende Betrieb ist eine finanzielle Hürde, auch der Aufbau einer ‚Vergnügungsstätte‘, der rechtliche Titel eines Clubs, ist mit vielen behördlichen Auflagen verbunden. Brand- und Lärmschutz sind dabei wichtige Faktoren, die ein Projekt zum Scheitern bringen. “Der Umbau im PAL hat sich am Ende verdreifacht, weil weitere Auflagen kamen. Die Lüftungsanlage, die für den Clubbetrieb ausgelegt ist, musste dann plötzlich durchs ganze Haus gebaut werden – wo sich nur Büros und Studios befinden”, ärgert sich Van de Mas.
„Ich will jetzt auch nicht schwarzsehen, ich hab’ schon mehrere Clubs sterben sehen.“
Laut Statista ging die Anzahl der umsatzsteuerpflichtigen Discos von 2.082 im Jahr 2007, auf 1.489 2017 zurück. Dies mag an Gentrifizierung und dem rechtlichen Status, den Clubs innehaben, liegen. Laut der Baunutzungsverordnung (BauNVO) fällt eine Diskothek in die Kategorie “Vergnügungsstätte”, damit sind Clubs auf einer Stufe mit Spielhallen, Bordelle und Sex-Kinos. “Uns mit Bordellen oder Spielhöllen gleichzusetzen, ist immer wieder ein Schlag ins Gesicht”, empört sich Pamela Schobeß Vorsitzende der Clubcommission Berlin, ein Verein der sich für unabhängige Clubs stark macht. Das Problem mit dem Titel wirkt sich auch auf die Immobilien-Lage aus, Großstädte wachsen zunehmend, Wohnraum ist knapp. Wenn ein Grundstück-Eigentümer sich für eine scheinbar ‚lukrativere‘ Nutzung entscheidet, hat ein Club quasi keine rechtliche Grundlage, um dagegen vorzugehen – im Zweifel muss der Club weichen.
“Wir sind nicht weniger wertvoll als Theater oder die Oper“
Clubbetreiber fordern eine Reform der BauNVO, sie sagen: “Wir sind Kulturstätten, so wie beispielsweise Theater, Opern und Museen.” Diese Änderung würde Clubs einen schützenden Status geben. “Museen werden ja auch nicht danach bewertet, ob die Fläche nicht lukrativer zu bewirtschaften wäre. An die Stelle der Neuen Nationalgalerie könnte man eine super Tankstelle hinbauen. Das würde mehr Rendite bringen. Würde aber keiner machen”, sagt Sascha Disselkamp. Dabei erwirtschafteten die Berliner Clubbetriebe im Jahr 2017, laut Bericht der Clubcommission Berlin, einen geschätzten Gesamtumsatz von 168 Mio.€ (Brutto). Zudem geht aus dem Bericht auch hervor, dass circa 34 % der gesamten Tourist*innen nach Berlin kommen, für den Besuch einer bestimmten Party oder eines Clubs.
Techno: Love, Peace & Unity – Clubs als Ort der Freiheit
Clubs stehen für Freiheit, Toleranz und Offenheit. “Der Club als Schutzraum für marginalisierte Gruppen”, schreibt die Clubcommision Berlin als Definition. Auch Romano Van de Massieht in Clubs einen besonderen Mehrwert: “Clubs bringen Menschen zusammen von unterschiedlichster Art. Menschen aus allen Schichten, aus allen Regionen der Welt kommen in einem Club zusammen, auf einen Nenner: Die Musik, die Subkultur, die Cluberfahrung.” Die Politik hat die immer lauter werdenden Stimmen anscheinend gehört und einen “Parlamentskreis Clubkultur” gebildet, um gegen das Clubsterben vorzugehen. Ob jegliche Hilfe für die Clubs zu spät kommt, wird sich zeigen. Denn die Zeit drängt: “Vieler meiner Kollegen haben keine Rücklagen, die vielen staatlichen Hilfen, die versprochen werden, helfen auch nur ein Stück weit”, betont der Produzent. Seiner Einschätzung nach werden einige Clubs in Hamburg schließen müssen. Dies könne dann auch schwierig werden für Subkulturen wie Techno. “Die Clublandschaft wird sich verändern, aber jede*r kann einen Teil dazu beitragen. Also: Unterstützt Eure Lieblingsclubs. Ich blicke hoffnungsvoll auf den Tag, an dem Corona vorbei ist, und wenn wir wieder öffnen dürfen, dann werden wir abliefern!
von Lukas Weisselberg
Foto: Romano Van de Mas