Wochenlang rollte kein Ball mehr in den großen Stadien Deutschlands. Am vorletzten Wochenende durfte die erste und zweite Bundesliga seit Mitte März zum ersten Mal wieder spielen. Unter strengen Auflagen und ohne Publikum, versteht sich. Unsere Autorin hat sich den Spieltag im Fernsehen angeschaut und zieht hier ihr Fazit.
In Zeiten ohne Corona wurde der Fußball regelrecht zelebriert. Jetzt sind die Fans zuhause und auch die damit einhergehende Stimmung hat den Rasen verlassen. Dass Geisterspiele komisch werden würden, stand von Beginn an fest. Doch wie kurios das wirklich sein würde, hätte sich wohl keiner ausmalen können.
Merkwürdige Atmosphäre in den Stadien
Für den Zuschauer wurden die Absprachen in den Teams hörbar und auch die Anweisungen der Trainer waren wahrzunehmen. Normalerweise hört man die Fangesänge, dieses Mal die Stimmen der Profis. Eine wirkliche Spannung wollte bei mir vor dem Fernseher nicht wirklich aufkommen. Fußball ohne Zuschauer ist halt nicht sonderlich fesselnd.
Besonders komisch ist der Moment, wenn ein Tor fällt. Heikle Momente bekommt der Fan auf der Couch im Normalfall durch die veränderte Lautstärke im Stadion mit – das fehlt jetzt logischerweise. Im Fall eines Treffers blieb das Jubeln aus, sodass meine Oma mich fragte: „Wie, war das jetzt ein Tor? Das habe ich gar nicht mitbekommen.“
Neue Regeln bestimmen den Fußball
Das Spiel beginnt nun durch getrenntes Einlaufen auf das Spielfeld und sofortiges Platznehmen auf Bank. Diese „Bank“ wurde in vielen Fällen auf die Tribünen ausgedehnt, um den Abstandsregelungen nachkommen zu können. Außerdem müssen die Auswechselspieler Masken tragen. Die Maskenpflicht gilt auch, wenn Spieler gerade schweratmend ausgewechselt wurden sind. Zudem werden die Bälle vor dem Spiel desinfiziert. Warum? Bei mir bleibt hier ein großes Fragezeichen.
Auf das Abklatschen wird aufgrund von Corona verzichtet. Im ersten Moment klang das für mich ganz logisch: Klar, Körperkontakt soll auf ein Minimum reduziert werden. Erst im zweiten Moment realisierte ich die Albernheit dahinter. Spieler die schon 2 Minuten später um denselben Ball kämpfen und sich in jeden Zweikampf schmeißen, dürfen nicht abklatschen und gemeinsam den Fußballplatz betreten? Natürlich soll der Profifußball so professionell wirken, und nicht wie ein Unterhaltungsevent. Aber wenn man darüber nachdenkt, ist es irgendwie lächerlich.
Eine Neuerung ist zudem, dass die Trainer nun fünf Spieler aus dem Spiel nehmen dürfen. Diese Regel gibt es, weil die Teams so lange nicht gemeinsam trainieren konnten, und ihr Fitnessniveau nicht auf dem Top-Level ist. Jeder Trainer darf das Spiel also drei Mal unterbrechen, insgesamt aber fünf neue Spieler auf den Platz bringen. So sollen Verletzungen vermieden werden.
Zudem wurden Spieler gebeten, bei einem gefallenen Tor auf Umarmungen zu verzichten. Doch nicht nur diese Körperlichkeit fehlt, sondern auch jegliche Leidenschaft und Stimmung – vor allem auch bei den Fans. Ohne Emotionen ist Fußball eben nur noch eines: Ein Profisport.
Der Neustart also nur aus wirtschaftlichen Gründen?
Es wurde viel diskutiert. So zum Beispiel auch darüber, dass man den Menschen in der Zeit von Corona mit einem Neustart wieder eine Ablenkung geben kann. Doch nach diesem ersten Fußballwochenende ist klar: Wirkliche Freude kommt dabei nicht auf. Der Fußball verhält sich mit diesen neuen Regeln, die oft einfach albern sind, so professionell, dass dem Zuschauer langweilig wird.
Es ist wahrscheinlich das, was alle vermutet haben: Die Bundesliga kommt ihrem gesellschaftlichen Vorbildcharakter nicht nach, sondern streicht lieber weiter das große Geld ein. Die DFL hat sich mit ihrem Drängen auf einen Neustart mehr als unbeliebt gemacht. Viele Fans fordern auf den Sozialen Plattformen weiterhin den Spielabbruch.
Insgesamt sage ich nach diesem Wochenende: Der Profifußball wirkte wie ein Theaterstück, bei dem den Zuschauern vorgegaukelt wurde, man würde sich an die Regeln halten, die auch für die Fans zuhause gelten.
Von Annika Hinke