Weltweit protestieren Menschen gegen Polizeigewalt und Rassismus und fordern Veränderungen im Kampf gegen rassistische Systeme. Oft wird dabei betont, wie wichtig es ist, sich weiterzubilden und auf die Stimmen Schwarzer Menschen zu hören. Unsere KROSSE-Redakteur*innen stellen wichtige Titel von BIPOC vor.
Triggerwarnung: Dieser Artikel nennt Beispiele von Rassismuserfahrungen, die aus den vorgestellten Beiträgen stammen. Vor allem für Menschen, die selbst schon Rassismuserfahrungen machen mussten, kann dies retraumatisierend wirken.
Begrifflichkeiten und Rechtschreibung
In diesem Text werden der Begriff Schwarz groß geschrieben und der Begriff weiss klein und kursiv. KROSSE orientiert sich dabei an den Richtlinien von Amnesty International und ihrem Glossar für diskriminierungssensible Sprache.
Exit Racism von Tupoka Ogette
Verena: Falls ihr euch bei den Worten „eigener Rassismus“ denkt: „Das kann nicht sein. Ich bin ja kein Nazi!“, befindet ihr euch sehr wahrscheinlich in „Happyland“. Ihr denkt, Rassismus sei etwas, das sich dem rechten Rand zuschreiben lässt, und dass es eine Unterteilung gebe in „normale Menschen“ und „böse Rassist*Innen“.
Tupoka Ogette macht deutlich, dass diese Annahmen falsch sind: In unserer Gesellschaft sind wir alle rassistisch sozialisiert und tragen zur Aufrechterhaltung rassistischer Strukturen bei. Diese Erkenntnis wird in Exit Racism mit sehr gut aufbereiteten Hintergrundinformationen vermittelt. Das Buch ist keine leichte Kost – denn je mehr man über die verschiedensten Erscheinungsformen von Rassismus lernt, desto mehr entwickelt man Wut auf seine eigenen Denkmuster und Verhaltensweisen. Es gilt, dieses Unbehagen auszuhalten und im Kampf gegen Rassismus anzuwenden.
Tupoka Ogette ist Antirassismus-Expertin und gibt regelmäßig Workshops zum Thema Rassismuskritisches Denken. Sie ist aktiv auf Twitter und Instagram und hat auch ihren eigenen Podcast: Tupodcast – Gespräche unter Schwestern z.B. auf Spotify oder Podigee.
Das Hörbuch ist auch auf Spotify verfügbar.
Why I’m no longer talking to white people about race von Reni Eddo-Lodge
Ronia: Reni Eddo-Lodge, eine britische Schriftstellerin und Journalistin, veröffentlichte im Februar 2014 einen Blogeintrag mit dem Titel Why I‘m no longer talking to white people about race. In diesem Eintrag spricht eine Frau, die sich in ihrer Arbeit mit Feminismus und strukturellem Rassismus auseinandersetzt, und diese Frau hat eine Entscheidung getroffen. Sie spricht nicht länger mit weissen Menschen über Rasse. Gemeint sind nicht alle weissen Menschen, aber die große Mehrheit von ihnen, die den strukturellen Rassismus und seine Symptome nicht wahrhaben wollen und in Gesprächen darüber Augen und Ohren verschließen.
Während des Lesens wurde ich nachdenklich über mein eigenes Verhalten in vergleichbaren Gesprächssituationen. Was die Worte von Reni Eddo-Lodge uns beibringen können, ist die Wichtigkeit des Zuhörens und die Tatsache, dass Rassismus nicht nur ein Problem des rechten Randes unserer Gesellschaft ist, sondern tief in eben dieser verwurzelt ist.
Mittlerweile hat die Autorin aus diesem viel diskutierten Blog-Post ein ganzes Buch geschrieben und 2017, unter demselben Namen, veröffentlicht.
Was weisse Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten von Alice Hasters
Verena: Dieses Buch ist ein umfassender Erfahrungsbericht über den Alltagsrassismus, dem Schwarze Menschen in Deutschland ausgesetzt sind. Das unaufgeforderte In-Die-Haare-Packen, die Frage, woher man den wirklich kommt, oder ob Schwarze Menschen auch Sonnenbrand bekommen können, gehören ebenfalls zu Alltagsrassismus wie automatisch auf Englisch angesprochen zu werden und es signalisiert: du bist anders, du gehörst nicht zu uns. Um Schwarzen Menschen das Gefühl geben zu können, Teil dieser Gesellschaft zu sein, empfehle ich anderen weissen Menschen dieses Buch. Ähnlich wie bei Exit Racism handelt es sich nicht um Feel-Good-Content: Aber sich unwohl zu fühlen ist ein kleines Opfer im Vergleich zu dem, was Schwarze Menschen und PoC aushalten müssen.
Alice Hasters ist Journalistin aus Köln. Sie arbeitet unter anderem für den rbb und ihre Texte fokussieren sich auf Intersektionalität. Wir empfehlen auch diesen Kommentar von Hasters zum Thema #blackouttuesday.
Das Hörbuch ist auch auf Spotify verfügbar.
I am not your Negro von Raoul Peck
Ronia: I am not your Negro ist ein 2017 erschienener Dokumentarfilm von Raoul Peck. Das Oscar-nominierte Werk gleicht einer filmischen Collage. Es basiert auf einem Textmanuskript des afroamerikanischen Schriftstellers James Baldwin (1924-1987) und wird ergänzt durch aufgezeichnete Reden des Schriftstellers, Ausschnitte aus amerikanischen TV-Sendungen, Filmen und Nachrichtenbeiträgen.
Erschreckend und lehrreich zugleich war es für mich, die Anklagen und Forderungen aus der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 1950er und 60er zu hören, die Bilder von damals zu sehen und zu realisieren, wie aktuell diese noch immer sind. Zudem möchte ich anmerken, dass der Film sich ausschließlich mit der US-amerikanischen Geschichte beschäftigt. Jedoch sollte sich jede*r, der/die sich diesen Film anschaut oder sich auf andere Weise mit den aktuellen Geschehnissen in Minneapolis beschäftigt, vor Augen führen, dass Rassismus und seine lange Geschichte ein strukturelles Problem sind, und zwar nicht nur das der USA, sondern das der ganzen Welt.
Zu sehen gibt es den Film beispielsweise auf der Seite der Bundeszentrale für Politische Bildung und auf Netflix.
When They See Us von Ava Duvernay
Leonie: Die Mini-Serie When They See Us von der US-amerikanischen Regisseurin Ava DuVernay befasst sich mit der Geschichte der Central Park Five, die sich Ende der 80er Jahre in New York tatsächlich so ereignete. Fünf afroamerikanische Jugendliche wurden zu Unrecht beschuldigt, eine Joggerin vergewaltigt zu haben, und mit rechtswidrigen Mitteln zu einem Geständnis gezwungen. When They See Us führt uns das erschreckend aktuelle Rassismusproblem in den USA wie kaum eine andere Serie vor Augen, und macht auf die Schwachpunkte der US-amerikanischen Justiz aufmerksam. Durch die Serie wurde mir erstmals wirklich bewusst, wie tief der Rassismus im gesellschaftlichen System der USA verwurzelt war und immer noch ist. Donald Trump forderte übrigens damals öffentlichkeitswirksam die Todesstrafe für die fünf Jungen.“
Ava Duvernay hat bereits mehrere Projekte ins Leben gerufen, die Schwarze Menschen, Gemeinden und Unternehmen in Amerika unterstützen. Außerdem hat sie bereits mehrere gefeierte Filme über die Situation von Schwarzen Menschen in Amerika gedreht, so wie die Dokumentation „13th“ über die rassistische amerikanische Strafjustiz, und das Drama „Selma“ über die Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King Jr.
Zu sehen ist When They See Us auf Netflix.