Werder hat es wiedermal geschafft. Zuerst gibt es den Kantersieg an der Weser im Heimspiel gegen den 1.FC Köln und dann machten die Bremer in den Relegationsspielen gegen den 1. FC Heidenheim das große Glück komplett. Ein Kommentar zu dem grünen Wunder nach einer bescheidenen Saison.
Die unglaubliche Geschichte beginnt am Samstag, den 27. Juni im Weserstadion. Letzter Bundesligaspieltag: Werder gewinnt 6:1 gegen Köln. Alleine das hätte nicht ausgereicht, denn hätte Fortuna Düsseldorf seinen Job gemacht und gegen Union Berlin gewonnen, wäre der Abstieg besiegelt gewesen. Ich gebe zu, genau darauf war ich eingestellt. Innerlich war der Abstiegsartikel schon geschrieben.
Das Wunder an der Weser
Ich prangerte vor dem Spiel schon groß an „Leute, das müssen wir genießen, denn es wird das letzte Spiel für mindestens ein Jahr in der ersten Bundesliga“. Ich versammelte mich mit der Familie auf der heimischen Couch und verfolgte das Werderspiel. In der linken Hand hielt ich den Live-Ticker des Spiels Düsseldorf gegen Union Berlin.
Und dann passierte es. Osako schoss das 1:0 für Bremen, dann folgte das 2:0 und das 3:0. Immer wieder sprangen wir vom Sofa auf. Doch danach die Ernüchterung „ Wenn Union nicht gegen Düsseldorf gewinnt, können wir auch 20:0 gewinnen, das hilft alles nichts“. Doch als ob der Fußballgott dies gehört hatte, meldete sich mein Handy: 1:0 für Berlin. Da war wieder die realistische Chance, es doch noch zu schaffen.
Die längsten 45 Minuten meines Lebens
Als die zweite Halbzeit angepfiffen wurde, ging mein Blick mehr zum Live-Ticker, denn dass Werder Köln besiegt, war mir klar. Wichtiger war nun, dass Düsseldorf nicht gewann. Dementsprechend laut freute ich mich mit meiner Familie über das 2:0 der Köpenicker. Mir kamen die Tränen vor Freude.
Werder gewann. Zugegeben gegen eine Mannschaft, die mit der Bundesligasaison 2019/2020 schon abgeschlossen hatte und die sich aufgrund dessen nicht mehr in jeden Zweikampf reinwarf. Größer war allerdings die Freude über das 3:0 für Union Berlin, die damit nicht nur Werder retteten, sondern auch Sportsgeist bewiesen, denn sie hatten schon lange nichts mehr mit dem Abstiegskampf zu tun. Damit war klar: Relegation für Werder- Düsseldorf steigt ab.
Relegation gegen Heidenheim
Am Donnerstag, den zweiten Juli traf Bremen dann auf Heidenheim. Die Spannung war groß, denn sicher, dass die Werderaner klar siegen würden, war sich keiner. Die Vermutung, dass das Ganze nicht so einfach wird, bewahrheitete sich leider. Die Heidenheimer nahmen Werder immer wieder den Wind aus den Segeln und der SVW wirkte ideenlos. Das Spiel zog sich. Irgendwann hoffte ich nicht mehr darauf, dass Bremen ein Tor schießt, sondern mehr, dass der Dritte der zweiten Fussball-Bundesliga keines erzielt.
Das Spiel endete nach 90 blutleeren Minuten. Kein Tor- Gottseidank auf beiden Seiten. Mir war klar: Mit dem 0:0 im Hinspiel können wir besser leben als der 1. FC Heidenheim. Für die, die es nicht wissen: Im Relegationsspiel gilt die Auswärtstorregel. Diese besagt, dass im direkten Vergleich Auswärtsstore mehr zählen als Tore im heimischen Stadion.
Das ganze Wochenende zwischen Relegationshin- und Rückspiel machte sich ein flaues Gefühl in mir breit. Die Rettung in Liga eins war zum Greifen nahe, was wenn der SV Werder Bremen jetzt doch noch absteigt. Ich befand mich irgendwo zwischen Zuversicht- wir werden schon gewinnen- und purer Angst: Was wenn doch nicht?
Finalspiel: Alles oder Nichts
Am Montag, den sechsten Juli 2020 wurde das Relegationsrückspiel in Heidenheim angepfiffen. Und schon fiel ein Tor. Ich jubelte und strahlte vor Freude. Erst auf dem zweiten Blick sah ich, dass es ein Eigentor von Theuerkauf war. Wie bitter für Heidenheim. Aber immerhin- es steht 1:0 für Bremen.
Wie auch das Hinspiel zog sich das Rückspiel in die Länge. Doch das Plus lag definitiv auf Bremens Seite, denn Heidenheim musste nun gewinnen- also zwei Tore schießen. Es war zittern angesagt. In der zweiten Halbzeit wurde es dann spannend. Heidenheim glich in der 85. Minute aus. „Das gibt es nicht“, ärgerte ich mich und betete: „Jetzt nur über die letzten fünf bis zehn Minuten kommen“.
Bremen bleibt Erstligist
Die Erleichterung und Gewissheit kam dann in der 94. Minute. Ludwig Augustinsson schoss das erlösende Tor und damit war klar: Bremen bleibt Erstligist. Doch Schiedsrichter Dr. Felix Brych pfiff noch immer nicht ab und entschied zwei Minuten nach Ablauf der Nachspielzeit auf Elfmeter für Heidenheim. Kleindienst verwandelt ihn. Das Spiel endet 2:2. Damit war klar: Der Nordclub Werder bleibt erstklassig.
Werder sollte nun keinen Anfall von Höhenflug bekommen, sondern demütig bleiben. Denn erstens war der Nichtabstieg glücklich und zweitens möchte ich meinen Lieblingsverein nie wieder so blutleer und leidenschaftslos Fußballspielen sehen. Ich bin also gespannt was sich in Bremen ändern wird, nachdem nun klar ist, dass sowohl Florian Kohfeld als auch Frank Baumann im Amt bleiben. Werder hat zumindest viele Änderungen angekündigt.
von Annika Hinke
Foto: Annika Hinke