Deutsches Bier schmeckt gut und einzigartig, ist ein Exportschlager und durch seine Vielfalt und Qualität ein Objekt des weltweiten Neids. Eine Hommage an die Verbindung aus Hopfen, Malz, Hefe und Wasser zum Gedenktag des deutschen Bieres.
Der mediale Kniefall ereignete sich bereits vor zwei Jahren. Amerika verneigte sich vor Deutschland und einer jahrhundertelangen Tradition, die der Nachahmung oft ausgesetzt, aber nie erlegen war. Mit der Ernennung von Kölsch als „summer beer worth the fuss“ hat die New York Times im Juni 2011 nicht nur die speziell kölsche Brauart eines obergärigen Vollbiers geadelt, sondern die gesamte deutsche Bierkunst gleich mit. „From the first sniff of its grainy, malty aroma, to the delicately fruity, lightly bitter flavors in the mouth, to the brisk, clean, energetic feeling after you swallow, a good Kölsch offers a smooth journey of sensations that may be unremarkable individually but are extraordinarily pleasant as an ensemble.” Kurz gesagt: In Köln wird ein Hochgenuss hergestellt.
Doch natürlich erstreckt sich die deutsche Bierkultur viel weiter. Vor allem in Bayern sind die Listen der gebrauten und verkauften Biere lang und länger. Schließlich hat die deutsche Bierkunst zumindest dokumentarisch hier ihren Anfang genommen. Als „besonderer Gerstensaft“ taucht Bier erstmals in einem Bericht aus dem Jahr 736 im bayerischen Geisenfeld auf. Die erste Bierurkunde wurde 766 nahe der schweizerischen Grenze ausgestellt.
„Was flüssig ist, bricht kein Fasten“
Allgemein ist Bier allerdings weitaus älter und muss auch in deutschen beziehungsweise europäischen Gebieten lange zuvor bekannt gewesen sein. Bereits 9.000 vor Christus wurde im Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds, also dem heutigen Nahen Osten, Gerste und Weizen mehr oder weniger zufällig gegärt. Im Mesopotamien des dritten Jahrtausends vor Christus sollen gar 20 Biersorten bekannt gewesen sein. Zur gleichen Zeit wurde der Gerstensaft auch in Mitteleuropa bekannt. Met und Wein wurden aber bis ins Mittelalter hinein meist vorgezogen. So beschrieb etwa der römische Schriftsteller Tacitus Bier als ein Getränk der Germanen, dass eigentlich hätte Wein werden sollen. Für Tacitus wohl kaum vorstellbar, dass Bier einmal das meist verzehrte alkoholische Getränk werden könnte.
Im Mittelalter spielten dann vor allem Klöster eine große Rolle für den Siegeszug des Bieres, was deutsche Markennamen wie Paulaner und Franziskaner noch heute bestätigen. Man kann davon ausgehen, dass hier Bier vor allem ein probates Mittel zum Überstehen der Fastenzeit war – denn „Was flüssig ist, bricht kein Fasten“. Ebenfalls im Mittelalter entstanden in Deutschland Brauordnungen, die sowohl die Herstellung des Bieres sowie den Ausschank und das Benehmen in Gasthäusern regelten. Diese mündeten letztlich in der Bayerischen Landesordnung von 1516, besser bekannt als das Bayerische Reinheitsgebot von 1516, welches seit 1994 von den deutschen Brauern heute, am Tag des deutschen Bieres, gefeiert wird. „Wir wöllen auch sonderlichen / das füran allenthalben in unsern Stetten / Märckthen / unn auf dem Lannde / zu kainem Pier / merer stückh / dann allain Gersten / Hopfen / unn wasser / genommen unn gepraucht sölle werdn.“
In Deutschland werden etwa 5.000 regionale Biermarken gebraut
Heute ist Bier in Deutschland das mit 107 Litern (Stand 2010) meist verzehrte alkoholische Getränk und liegt hinter Kaffee (153 Liter), Wasser (136 Liter) und Erfrischungsgetränken wie Limonade (118 Liter) auf Platz 4 aller Getränke. Der Abstand zum zweitbeliebtesten alkoholischem Getränk, dem Wein (24,5 Liter), ist gebührend.
Den deutlich größten Anteil des Bierkonsums nimmt in Deutschland das Pils mit über 50 Prozent Marktanteil ein. Die weiteren Sorten stehen weit dahinter, da sie meist nur regional produziert und konsumiert werden. So gibt es in Deutschland rund 14 Biersorten, die sich in eine ungeahnte Zahl von etwa 5.000 regionalen Biermarken ausdifferenzieren. Allein das eingangs gelobte Kölsch wird in 26 einzelnen Marken verzapft.
Die absatzstärkste deutsche Biermarke ist das als „Billigbier“ kritisierte Oettinger, von dem im Jahr 2011 6,21 Millionen Hektoliter gebraut wurden. Dahinter liegen auf Platz 2 Krombacher (5,39 Millionen Hektoliter) und auf Platz 3 Bitburger (4,03 Millionen Hektoliter). Das im Nordwesten stark vertretene Beck’s hat mit 2,75 Millionen Hektoliter den vierten Platz inne.
Bier sorgt für Gemütlich- und Geselligkeit
Dass das deutsche Bier auch weltweit so bekannt und beliebt ist, wird gerne auf das zu ehrende Reinheitsgebot geschoben, das auch heute noch in der deutschen Rechtsordnung dafür sorgt, dass ein deutsches Bier nach engeren Regeln hergestellt wird als anderswo in der Welt. Von Kritikern verachtet und als Marketing-Gag gegeißelt, sorgt das Reinheitsgebot in gewissem Maße natürlich nicht für Reinheit im wahrsten Sinne des Wortes, sondern vielmehr für eine konstante Qualität und eine Verlässlichkeit der Inhaltsstoffe, die jedes deutsche Bier auszeichnen. Die den deutschen Brauern vorgeworfene, mangelnde Kreativität dürften allein die über 5.000 Marken der deutschen Braukultur entkräften.
Und so entsteht letztlich ein berechtigter Stolz auf die deutsche Bierkultur, die in großer Vielfalt ein Getränk hervorbringt, dass vor allem mit Gemütlichkeit, Geselligkeit und Heimatverbundenheit assoziiert wird. Geehrt und gefeiert in einer unendlichen Anzahl von Bierfesten, Zeltfeten, Jahrmärkten, Wanderungen oder gar Biermuseen bringt das goldfarbene Getränk mit der weißen Mütze Menschen zusammen und ist in vielen Fällen ein angenehmer Begleiter bei einzigartigen und individuellen Lebensereignissen. In diesem Sinne bleibt einem nichts anderes übrig, als mit einer Maß (im Sinne des Bierkrugs mit einem kurzen „a“ ausgesprochen) anzustimmen: „Ein Prosit der Gemütlichkeit!“
Fabian Nitschmann