Mit David Bowie starb nicht weniger als einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart. Sein Werk angemessen in seiner Gesamtheit zu erfassen ist eigentlich fast unmöglich, spannt es sich doch von Musik über Schauspiel zu Multimedia-Projekten. Dennoch wollen wir noch einmal einige Höhen und Tiefen der musikalischen Karriere dieser schillernden und immer wechselhaften Figur der Popkultur würdigen und Euch seine Musik nahe bringen.
David Bowie, der eigentlich David Robert Jones hieß, war in seiner Jugend ein schüchternes Mittelschichtskind, welches sich wohl erst über seine vielseitige künstlerische Seite der Außenwelt mitteilen konnte. Dabei legte er von Beginn seiner Karriere an nicht nur auf die Musik selbst wert, sondern auch auf den visuellen Ausdruck und verknüpfte als einer der ersten Künstler Musik, Performance und Bildsprache in genial vorausschauender und Trends vorweg nehmender Weise in seinen Konzerten und später in seinen Film- und Multimediaprojekten.
Die Zusammenarbeit mit dem Produzenten Tony Visconti brachte Bowie schon sehr früh Ruhm und Erfolge. Gleich mit dem zweiten Album und dem Promotionfilm Love You Till Tuesday landete er 1969 seinen ersten Hit, Space Oddity (https://www.youtube.com/watch?v=iYYRH4apXDo), ein Lied über den einsam im Weltraum verlorenen Astronauten Major Tom, inspiriert von Stanley Kubricks Film ‚2001 – Odyssey im Weltraum‘.
Mit dem dritten, kommerziell wenig erfolgreichen Album The Man Who Sold The World begann er 1971 sich ein androgynes Image zuzulegen und spielte die nächsten beiden Jahre mit der Darstellung sexueller Ambivalenz, die ihn mit dem Album Hunky Dory zu einer Ikone des Glam Rocks machte und dessen Höhepunkt mit dem Album The Rise and Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars in der Darstellung der Kunstfigur Ziggy Stardust fand. Zahlreiche Hits, wie Changes, Life on Mars?, Starman (https://www.youtube.com/watch?v=4B5zmDz4vR4) und Ziggy Stardust (https://www.youtube.com/watch?v=Fq8gG3pzMrU) machten ihn in dieser Zeit weltbekannt.
Spätestens mit dem Album Aladdin Sane war Bowies erste Erfolgsphase zunächst beendet und er machte sich auf die Suche nach neuen Inspirationen, die er nach seinem Umzug in die USA auf dem Album Diamond Dogs und vor allem auf Young Americans in der Soul-Musik fand. Der Hit Fame (https://www.youtube.com/watch?v=RfeaNKcffMk), den er mit John Lennon schrieb, nahm 1975 die kommende Disco-Welle schon vorweg. Auf Station to Station orientierte er sich 1976 aber schon wieder um, ließ sich von elektronischer Musik inspirieren und entwarf die nächste Kunstgestalt, den Thin White Duke, den er mitsamt allen Drogeneskapaden perfekt verkörperte und der ihn in die Berliner Jahre führte.
Mit seinem Umzug nach Berlin und der Entdeckung der dortigen Subkulturen begann die wohl künstlerisch interessanteste und einflussreichste Phase im Leben von David Bowie. Die Berliner Alben-Trilogie Low und Heroes (beide 1977) sowie Lodger (1979) entwickelte er in Zusammenarbeit mit dem Produzenten-Schwergewicht Brian Eno und sowohl im gemeinsamen Drogenkonsum als auch im kalten Entzug mit seinem Freund Iggy Pop. Inspiriert von deutschen Elektrobands wie Kraftwerk, Neu! und vor allem Tangerine Dream schuf er avantgardistische Alben für die Ewigkeit, die kaum Hits (außer selbstverständlich Heroes http://www.myvideo.de/musik/david-bowie/heroes-video-m-7225467), aber dafür erstaunlich viele experimentelle Instrumentalstücke enthalten. Bis heute werden diese drei Alben immer wieder als wegweisend für viele aktuelle Musiker genannt.
Doch auch diese Phase ging zu Ende und Bowie startete mit dem Popsong Under Pressure (https://www.youtube.com/watch?v=psYQMY69gLo), den er zusammen mit Queen aufnahm, in die 1980er Jahre. Diese abermalige Neuorientierung brachte ihn in seine kommerziell erfolgreichste Zeit. Nach dem 1980er Album Scary Monsters (And Super Creeps) mit den Hits Ashes to Ashes und Fashion (http://www.myvideo.de/musik/david-bowie/fashion-video-m-7116997) wurde es poppig. In Zusammenarbeit mit dem nächsten Produzenten-Giganten, Nile Rodgers, brachte Bowie 1983 Let’s Dance heraus, was bis heute sein bestverkauftes Album ist. Die Welthits Let‘s Dance (https://www.youtube.com/watch?v=B2HWuR2mq5M), China Girl (http://www.myvideo.de/musik/david-bowie/china-girl-video-m-7225113) und Modern Love machten Bowie schlichtweg reich. Die folgenden Alben Tonight (1984) und Never Let Me Down (1987) konnten allerdings nicht mehr diesen Charterfolg wiederholen. Dennoch kamen in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre bedeutsame Songs heraus, wie This Is Not America (https://www.youtube.com/watch?v=MJRF8xGzvj4 mit Pat Metheny) und Dancing In The Street (https://vimeo.com/61351482 mit Mick Jagger) und Bowie hatte einen riesigen Erfolg mit der Glass Spider Tour, die ihn 1987 durch die Stadien der Welt führte.
Der Misserfolg der letzten Alben führte Bowie in die nächste Phase seines Schaffens: Er wollte nicht mehr sichtbar sein und gründete 1989 u.a. mit dem heutige Cure-Gitarristen Reeves Gabrels die Band Tin Mashine, um als „normales“ Bandmitglied nicht mehr im Rampenlicht zu stehen – was gründlich scheiterte, da alle nur David Bowie sehen wollten. Dennoch führten ihn die beiden eher belanglosen Tin Mashine-Alben auf neue Wege. Mit Black Tie White Noise ging es 1992 wieder bergauf und er hatte tanzbare aber auch musikalisch interessante Songs wie Jump They Say oder Real Cool World (https://www.youtube.com/watch?v=LcLRR0ONyU0) aufgenommen.
Das neu gewonnene Selbstvertrauen führte Bowie dann 1995 in die nächste experimentelle Phase mit dem Avantgarde-Album 1. Outside, welches kommerziell bis auf die Hitsingle Hello Spaceboy (http://www.dailymotion.com/video/xdb0q_david-bowie-hallo-spaceboy_news mit den Pet Shop Boys) zwar relativ erfolglos blieb, aber von den Kritikern bis heute geliebt wird. In dieser Zeit war Bowie u.a. mit Nine Inch Nails auf Tour und ließ sich weiter von elektronischer Musik beeinflussen. Auch das Folgealbum Earthling kann mit seinen Drum `n‘ Bass-Einflüssen hier noch eingeordnet werden und war durchaus ein Erfolg.
Die weiteren Alben seiner späten Schaffensphase Hours… (1999), Heathen (2002) und Reality (2003) wurden von Fans und Kritikern zwar wohlwollend aufgenommen, waren aber eher einfacher Natur und nicht mehr sonderlich einflussreich. Dennoch war Bowie noch einmal live sehr erfolgreich. Allerdings musste die Reality-Tour aufgrund eines akuten Herzinfarktes nach seinem Auftritt beim Hurricane-Festival am 25. Juni 2004 (https://www.youtube.com/watch?v=0hUY60P2axQ) abgebrochen werden – einige von Euch werden sich sicher dabei gewesen sein. Niemand ahnte, dass dies dann auch sein allerletztes, richtiges Konzert, abgesehen von einigen wenigen Gastauftritten z.B. bei David Gilmour (https://www.youtube.com/watch?v=g9NivaKUFME) und mit Arcade Fire (https://www.youtube.com/watch?v=z6c9Ejfu-iU), bleiben sollte. Dann wurde es sehr ruhig um David Bowie.
Völlig unerwartet kam dann 2013 ein neues Album heraus, mit dem Bowie eine Art Rückschau auf sein musikalisches Schaffen betrieb. The Next Day wurde weltweit ein derartiger Erfolg, dass Fans und Kritiker auf eine weitere Phase künstlerischer Neuentfaltung hofften, was Bowie 2014 mit dem Triple-Best of-Album Nothing Has Changed noch befeuerte. So war die Freude riesig und die Kritik überschwänglich, als Bowie Blackstar (http://www.myvideo.de/musik/david-bowie/blackstar-video-m-12106532) für seinen 69. Geburtstag am 8. Januar 2016 ankündigte. Dieses Album, was einmal mehr Genregrenzen überwindet und mit Anleihen bei Jazz und experimentellem Hip Hop glänzt, sollte allerdings Bowies letzte triumphale Neuerfindung seiner selbst sein. Nur zwei Tage später starb er an einem Krebsleiden. Die Begeisterung ist plötzlich in tiefe Trauer umgeschlagen.
Allerdings bleibt sein beispielloses, musikalisches Facettenreichtum für die Ewigkeit. Und dies nicht nur als einzelner Künstler. Seine Arbeiten mit anderen Musikern wurde oben schon teilweise erwähnt, andere Kollaborationen sind weniger bekannt, aber legendär: So stammt der Hit All The Young Dudes von Mott The Hoople aus seiner Feder. Er produzierte Lou Reeds Album Transformer mit den Hits Walk On The Wild Side, Perfect Day und Sattelite Of Love. Er schrieb When The Wind Blows mit Roger Waters von Pink Floyd. Er produzierte Tina Turner, arbeitete mit Placebo, Earl Slick, Philip Glass und sogar Scarlett Johansson. Die Welt ist sicher ärmer ohne David Bowie – aber es gibt so vieles von ihm, an das man sich immer erinnern und erfreuen kann. Nicht zuletzt auch an seine ergreifende Coverversion von Jaques Brels My Death:
Marco Höhn