Um Erfahrungen und Eindrücke in der Medienbranche zu bekommen, bin ich für drei Monate in die Türkei gegangen und habe dort bei einem Online-Fernsehsender ein Praktikum absolviert. Ich war in einer Stadt mit 50% Studentenanteil und habe die junge, frische und politisch engagierte Seite des Landes gesehen. In dem höchstwahrscheinlich gefährlichsten Job in der Türkei, dem des Nachrichtenerstatters. Doch während meiner Zeit dort, hat auch die Mode mein Interesse geweckt…
Ich war für die letzten drei Monate in der Türkei, um mein 8-wöchiges Praktikum zu machen. „Toll! Was für ein tolles Praktikum muss das gewesen sein unter Palmen und der beißenden Sonne!“, werden sicherlich einige denken, die diesen Text lesen. Da muss ich euch leider enttäuschen; ich war mehrere Hundert Kilometer entfernt von dem Touri-Paradies Antalya oder Side. Ich war in Edirne, einer kleinen Stadt, in die nur griechische und bulgarische Touristen kommen, um sich im türkischen Basar zu tummeln und sich über die niedrigen Preise freuen. Der nächstgelegene Strand ist zwei Stunden entfernt.
Wie das nun einmal so ist im Ausland, habe ich viele neue Eindrücke gewonnen: Die Türken schlafen nicht. Jeden Abend wird ausgegangen, sowohl junge Studenten in Pubs und Bars, in Cafes und den beliebten „Teegärten“ als auch bei Ayşe im gemütlichen Wohnzimmer mit reichlich „Çay“, egal, wie lange man an dem Tag gearbeitet hat oder wie früh man am nächsten Morgen auf der Matte stehen muss. Eine perfekte Überleitung zu meiner nächsten Erfahrung: Arbeiterrechte werden in der Türkei nicht großgeschrieben und schon gar nicht, wenn es um die Arbeitszeiten oder -tage geht. Ich als Praktikantin durfte sechs Tage die Woche á zehn Stunden arbeiten. Da will ich gar nicht wissen, wie es den „Türken“ ergeht. Ich selber, die in Deutschland die „Türkin“ ist, bin für die türkischen Türken ein „Deutschländer“. Nicht zu verwechseln mit den knackigen Würstchen aus der Fernsehwerbung, versteht sich.
Ich habe viel Zeit damit verbracht zu verstehen, weshalb die Menschen mich dort nicht als eine von ihnen sehen konnten. Ich spreche ihre Sprache, auch wenn mit Akzent und besitze dieselbe Mentalität. Dass ich meinen Müll konsequent in die wenigen Müllbehälter geworfen habe, konnte nicht der Grund sein. Meine Freundinnen und Cousinen dort meinten immer, dass man es mir ansehe, an der Art wie ich aussehen. An einem Tag, an dem ich mit dem Reporter der Redaktion auf Nachrichtentour in die kleine Stadt gehen durfte, ist mir dann aufgefallen, was alle meinten. Auf den Reporter wartend und mit einer drei Kilo schweren Tasche in beiden Händen kam mir die Eingebung: Jedes Land hat seine eigene Fashionuniform! Meine geliebten Skinny-Jeans, die Oversized-Pullies und mein Retter-in-der-Not, der High-Bun, haben mich verraten! Denn ich habe meinen Stil und das, was ich unter Mode verstehe, aus Deutschland mitgenommen. Mädels, die wie ich angezogen sind, waren selbst unter den Studenten schwer anzutreffen. Die Türkinnen waren eher dem engen Oberteil und der auch von mir sehr gemochten Seventies-Hose verfallen. Sie mochten den süßen Lolitalook mit viel Spitze und zahlreichen kitschigen Aufschriften auf den Klamotten. Ich verlor mein Herz jedes mal an Cosy-Pullies und die für sie viel zu schlichten Kleider. Ich selber habe meine „deutschländischen“ Mädchen sehr oft an ihren Nike Air Max-Schuhen unter den schwarzen Leggins erkannt.
Obwohl die Menschen auf den ersten Blick alle verschieden aussehen, sind sie sich doch verdammt ähnlich. Die Mode ist sehr facettenreich und jede Saison gibt es viele neue Trends. Es gibt Menschen, denen sie zusprechen und die sich ihrer annehmen. Und diese Trends variieren von Land zu Land, wie mir während meiner Zeit in der Türkei aufgefallen ist. In Deutschland sehen wir mit unseren Biker-Jacken, den schwarzen Nieten-Boots, den dicken Schlauchschals und wie gehabt, dem High-Buns sehr übereinstimmend aus. Genau wie sich die Mädels dort alle mit ihren langen Haaren, den unschuldig geschminkten Gesichtern und den sehr bunten Farben verdammt ähnlich sehen. Wie unterschiedlich die Ansprüche an die Mode auch sind, in einem sind die jungen Menschen in beiden Ländern sich einig: Dem Streben nach Demokratie und der Freiheit so aussehen zu dürfen, wie sie wollen.
Refiye Ellek