Die ersten Monate sind geschafft. Genau zehn Wochen haben sie jetzt Vorlesungen besucht, an Seminaren, Übungen und Tutorien teilgenommen, mit Bremen Bekanntschaft geschlossen und natürlich Mensa und Bibliothek kennengelernt. Die Erstsemestler sind an der Universität angekommen. KROSSE wollte wissen, wie und mit welchem Gefühl sie zur Weihnachtszeit nach Hause fahren und hat zwei Studentinnen befragt.
Alev (21) aus Delmenhorst studiert seit diesem Semester Deutsch und Politik auf Lehramt, nachdem sie im Frühjahr ihr Abitur gemacht hat. Da Alev gerade erst ein paar Monate aus dem Schulalltag raus ist, wollten wir wissen, wie sehr sich Uni und Schule aus der Perspektive einer frischen „Schulabgängerin“ voneinander unterscheiden. „In der Uni ist es ganz anders als in der Schule. Man wird als erwachsen eingestuft und ich bin viel selbständiger und eigenverantwortlicher geworden.“ Es werde ihr selbst überlassen, wie sie ihre Zeit einteile und den Stundenplan strukturiere. „Der schulische Druck fehlt, alles ist viel gelassener und ich kann sogar manchmal ausschlafen“, erzählt Alev zufrieden. Es gebe zwar den gewohnten Schüler-Lehrer-Kontakt nicht mehr, aber das ändere nichts daran, dass sie sich mit dem Unialltag besser fühlt als mit dem Schulstress.
Melanie (20) hat bereits 2011 ihr Abitur gemacht. Sie kommt aus Leipzig und studiert seit Oktober wie Alev Deutsch und Politik auf Lehramt. Bevor sie dieses Jahr nach Bremen kam, war sie zwei Jahre an den Goethe-Instituten in Ghana und im Kosovo. Da sie schon seit zwei Jahren nicht mehr zur Schule geht, hat sie einen kritischeren Blick auf den Schule-Uni-Vergleich: „Ich hatte natürlich so meine Probleme damit, mich wieder an das Lernen zu gewöhnen. Aber in der Uni ist es sehr viel verschulter, als ich gedacht habe“, sagt die junge Studentin. Außerdem gebe es immer noch den Bewertungsdruck, den man aus der Schule kennt. „Man wird wieder in Noten gepackt“, meint Melanie mit einer gewissen Unzufriedenheit in der Stimme. Die Zeit für wirklich wichtige Inhalte und das, was man eigentlich will, fehle. „Gelehrt wird viel, was unsinnig scheint und keinen sichtlichen Bezug zur Realität hat“, bemerkt sie und sagt weiter, dass die ständige – welcher Student kennt sie nicht – „Definitionskrümelkackerei“ nervig sei. In den Politikseminaren sei die Notwendigkeit der Inhalte deutlich klarer zu sehen als in Deutsch, wobei Alev ihr da zustimmt. Melanie hofft trotzdem, dass der eigentliche Inhalt im Laufe der Semester noch über die leeren Begriffe siegen wird.
Mensaessen und Bibliotheksgänge
So viel zur Institution Universität an sich. Was sagen die jungen Erstsemestlerinnen zu den Möglichkeiten der Mensa- und Bibliotheksnutzung? Sowohl für Alev als auch für Melanie ist ein so großes Angebot an Essensmöglichkeiten neu. „Bei uns in der Schule gab es nur eine kleine Cafeteria mit belegten Brötchen“, erzählt Alev. Auch an Melanies Schule war die Auswahl gering und dazu nicht einmal schmackhaft. Beide würden sich allerdings eine etwas preiswertere Auswahl an vegetarischem Essen wünschen. An das „normale“ Essen I und II komme die vegetarische Variante leider noch nicht ran.
Auch die Bibliothek wird von beiden schon fleißig benutzt. „Als ich das erste Mal in der Bibliothek war, kam ich mit zwei Tüten voller Bücher raus“, lacht Alev. Auch Melanie ist gerne in der „Bib“, in der sie einen Ort der Ruhe sieht. Hier kann sie sich aus dem hektischen Alltag in einer 6er-WG hinflüchten. „Ich verbunkere mich gerne mal für drei Stunden dort, um auch wirklich etwas zu schaffen“, sagt Melanie mit einem Grinsen, das wohl ihrer chaotischen WG gilt.
Land und Leute
Melanie, die aus Leipzig in eine 6er-WG nach Hastedt gezogen ist,sieht in Bremen eine offene und sympathische Stadt und kann in keinster Weise das „typische, vom Süden her propagierte Nordische“ in den Menschen hier in Bremen bestätigen. „Die Menschen sind total offen“, schwärmt Melanie, die aber auch selbst ein kommunikatives Wesen hat. „Da ich hier zuerst keinen kannte, konnte ich ja sein, wie ich bin“. Für Melanie war in Bremen alles neu. Sie hat sich ein neues Netzwerk aufgebaut mit vielen Leute, die selbst von außerhalb kommen. „Man muss sagen, dass die Politikstudenten im Vergleich viel aktiver und vor allem entspannter sind als die Deutschstudenten“, wobei Alev ihr vollkommen zustimmt.
Da Alev aus Delmenhorst kommt, wohnt sie noch zuhause. „Es gibt keine dringende Notwendigkeit, nach Bremen zu ziehen.“ Sie braucht nur eine halbe Stunde zur Uni. Das schaffen selbst einige Bremer nicht. In den ersten Wochen ist es ihr aber dafür schwergefallen, Leute kennenzulernen. „Man hat irgendwann einfach angefangen, sich regelmäßig im Seminar zu sehen; vorher, währenddessen, nachher und auf dem Weg dorthin.“ Dadurch hat sich dann auch ein kleines Netzwerk gebildet, wobei einige Studienfreunde auch echte Stützen im Alltag seien. Sonst ist Alev viel in ihrer „alten Umgebung“ unterwegs und verbringt viel Zeit mit „alten Freunden“.
Weihnachten in der Heimat
Mit welchem Gefühl gehen die beiden jungen Erstsemestlerinnen nun nach Hause? „Ich freue mich aufs neue Jahr“, sagt Alev ganz spontan. Sie habe keine Vorerwartungen; alles sei noch so offen, ungeplant und nicht vorhersehbar. Da sie türkische Wurzeln hat, feiert sie kein Weihnachten. Im nächsten Jahr aber findet zum Beispiel das traditionelle „Zuckerfest“ in der Türkei statt, zu dem sie mit ihrer ganzen Familie gerne hinfahren würde. Alev fragt sich nun: Kann ich trotz meiner Prüfungen hin?
Für Melanie, die aus einer traditionellen ländlichen „Arbeiterfamilie“ stammt, ist Weihnachten ein großes Fest mit allen Verwandten. „Ich freue mich auf zuhause, aber auch darauf, wieder herzukommen.“ Sie grinst mit einer Zufriedenheit, die zeigt, dass sie vollkommen in Bremen angekommen ist.
Die Erzählungen der beiden jungen Erstis zeigen KROSSE, dass man sich in Bremen gut einleben und zuhause fühlen kann. Auch wenn man sich natürlich erst an das Campusleben gewöhnen muss. In diesem Sinne wünscht KROSSE allen Erstis eine weiterhin schöne Studentenzeit und ein wohlverdientes wunderbares Weihnachtsfest in der Heimat und bei der Familie.
Franziska Riedel