Unrasierte Achseln, politische Parolen und Männerhass: Das verbinden heutzutage die meisten mit Feminismus. Doch was steckt wirklich dahinter? Auf welchem Stand befindet sich der Feminismus in unserer Gegenwart? Und noch wichtiger – warum ist Feminismus gerade jetzt wichtiger als je zuvor?
Die englische Schriftstellerin Zadie Smith sagte einmal: „Ich weiß nicht genau, was eine Feministin ist. Aber jedes Mal, wenn ich eine Meinung äußere, die mich von einer Fußmatte unterscheidet, werde ich als solche bezeichnet.“ Ich denke einige Frauen können dem zustimmen – ich bin eine davon.
Pfui, Feministin!
Wenn wir heute mal über den Feminismus nachdenken, dann fallen einem auf Anhieb Alice Schwarzer, unrasierte Achselhöhlen und patzige, alte Tantchen, die politische Parolen verbreiten und auf Mann und Kind verzichten (klar, sie hassen ja Männer. Und Kinder sind ihnen ja auch zuwider da sie auch, zu einem Teil, von einem Mann stammen). Zusammengefasst: Das Bild von Feministinnen ist miserabel. Sie gelten als hysterisch und nervig. Es wird ihnen zugesprochen, dass sie einer Mission hinterherjagen, die sinnlos und überholt ist. Die meisten Frauen möchten mit dem Feminismus nicht in Verbindung gesetzt werden, aus Angst, bei Männern als verbittert zu gelten – das ist traurig. Feministinnen, die man dagegen in unserer Zeit akzeptiert, sind solche, die ihre Brüste Top-Politikern ins Gesicht halten. Stichwort: Femen.
„Top Girls“
Die Gender Studies-Wissenschaftlerin und Feministin Angela McRobbie fasst diese Entwicklung mit ihrer Studie aus dem Jahre 2010 zusammen. In ihrer Arbeit über „Feminismus in unserer Gegenwart und ihrer Beziehung zur Populärkultur“ stellt sie fest, dass wir heute im „Postfeminismus“ leben. Also in einer Zeit, in der uns suggeriert wird, dass der Feminismus nicht mehr gebraucht wird. Die feministischen Elemente sind in die Politik eingeflossen. Das heißt, Frauen dürfen arbeiten und an der Konsumgesellschaft mitwirken, sie sind frei in ihren Entscheidungen und nicht mehr an Ehemänner und Väter gebunden. Ihr zufolge hat die „Abwicklung“ (so nennt sie es) des Feminismus in einer doppelten Bewegung Anfang der 1990er Jahre begonnen. An Universitäten wurde die Universalität des Feminismus hinterfragt – welche Frauen darf diese Bewegung repräsentieren? Gleichzeitig hat die Populärkultur den Frauen subtil vermittelt, dass sie die feministische Politik nicht mehr benötigen. Und heute stehen wir vor dem Dilemma, dass der Feminismus rigoros von Frauen wie von Männern abgelehnt wird.
Feminismus, was?!
Das Vermitteln eines schlechten Bildes über die Feministinnen geht weiter – ganz unbemerkt. In Serien, Filmen und Büchern wird ein verzerrtes Bild suggeriert. Eines, das dem Feminismus schadet und die wahren Charakterzüge verbirgt. Ein nicht existierender Männer-Hass wird zum Leitmotiv erkoren und bleibt in den Köpfen der Menschen hängen.
Es wird zum Beispiel nicht erwähnt, dass der Feminismus in den Grundprinzipien gegen Rassismus oder Homophobie ist oder dass in den Rassenbewegungen der 60er und 70er Jahre Feministinnen mitgewirkt haben. Es wird auch verschwiegen, dass der Feminismus in erster Linie für Gleichberechtigung aller diskriminierten Menschen ist. Demnach könnte es auch männliche Feministen geben (was auch der Fall ist). Den Feministinnen ist die Würde der Frau, in dem Sinne, dass sie nicht zu einem Sexualobjekt degradiert wird, wichtig. In dem Sinne, dass Frau und Mann in jeder Hinsicht Gleichberechtigung erlangen. Es ist wichtig, den Frauen Selbstbewusstsein zu geben, ihnen zu vermitteln, dass ihre Meinung zählt und sie intelligent sind. Der Feminismus hat uns Frauen die Rechte gegeben, die wir jetzt haben, daher sollten wir die Frauen der Stunde respektieren und den Gedanken hinter dieser politischen Bewegung in Ehren halten.
Wer braucht schon Feminismus
Es stellt sich auch unmittelbar mit diesem Thema die Frage, ob wir Frauen wirklich so frei sind, wie wir es glauben. Natürlich arbeiten wir genauso hart wie Männer. Wir reisen, wir entscheiden selbst über unsere Liebschaften und darüber, wie viele Kinder wir wollen (oder ob wir sie wollen). Und doch gibt es immer noch viele Baustellen, an denen wir arbeiten müssen. Zum Beispiel beim Gehalt. Wenn wir arbeiten wie Männer, sollten wir auch verdienen wie Männer. Sexuelle Diskriminierungen sind allgegenwärtig und meistens so subtil, dass wir Hilfe brauchen, um sie selbst zu erkennen. Vergewaltigungen von Frauen passieren deutlich häufiger als Misshandlung von Männern. Davon mal abgesehen, gibt es unendlich viele Länder, in denen Frauen noch immer sehr eingeschänkt sind.
Ich finde es erschreckend, wie selbstverständlich Frauen heutzutage auf ihre Körper reduziert werden. Obwohl wir alle Freiheit dieser Welt haben, um unsere Begabungen und Interessen zu fördern und einzusetzen, ist in Bezug auf Frauen immer wieder nur ihr Erscheinungsbild im Fokus. Ein Justin Timberlake ist in seinem ‘Suit&Tie S***’ sehr elegant auf der Bühne unterwegs, während eine Beyoncé in ihrer glitzernden Bademode wild herumtanzend ihr Popöchen präsentieren muss. Mick Jagger hat wahrscheinlich niemals auf der Bühne einer Frau eine Stripeinlage geboten, um da anzukommen, wo er jetzt ist. Ich habe auch eher selten gesehen, dass eine Frau, während sie mit ihrem Kollegen spricht, durchgehend seinen Schritt fokussiert. Außerdem habe ich bisher keine Artikel in Zeitschriften und Fernseh-Shows gesehen, in denen über den idealen männlichen Körperbau diskutiert wurde. Die Kopfbedeckung eines Mannes ist uns Frauen und auch dem Rest der Welt herzlichst egal.
Es scheint mir, als ob wir Frauen nicht ganz die independent women sind, die wir zu sein denken. Aus dem Grund bin ich der Meinung, dass uns allen ein bisschen mehr Feminismus nicht schaden kann.
Refiye Ellek