Lencke Steiner (FDP) kennt beide Seiten politischer Arbeit: Zuerst Unternehmerin, jetzt Spitzenkandidatin. Ein Quereinstieg mit Erfolg?
Dies ist eine Fortsetzung einer zweiteiligen Interviewserie mit Lencke Steiner (FDP). Hier geht es zum ersten Teil.
Alles klar, wechseln wir das Thema. Studentische Hilfskräfte an der Uni kriegen Mindestlohn – Und die FDP will daran nichts ändern. Warum?
Tarifverträge für diese Gruppe auszuhandeln, wäre wohl eine gute Lösung. Aber wir behandeln studentische Hilfskräfte in unserem Mindset erstmal als Azubis im Lernprozess – und Auszubildende kriegen ja zum Beispiel noch eine ganze Ecke weniger als Hilfskräfte an der Uni.
In der Realität sieht das allerdings anders aus. Viele arbeiten oft an zentralen Positionen in der Uni. Sie lernen nicht bloß oder schauen zu, sondern sind zum Teil unverzichtbar. Nur wenige haben die Chance, nach ihrem Studium wirklich in diesem Bereich weiter arbeiten zu können. Dazu kommt das Bremer Hochschulgesetz, welches die Arbeitsstunden der Studierenden deckelt:
Einerseits sollen Studierende an der Uni also wenig Gehalt kriegen, andererseits dürfen sie maximal 17 Stunden pro Woche arbeiten, weil sie sich auf ihr Studium konzentrieren sollen. Das fällt schwer, wenn man wegen eines schlechten Gehalts zwangsläufig nebenher Schulden machen muss. Es kann sich ja jeder ausrechnen, was Studierende an der Uni so maximal – oft durch harte, verantwortungsvolle Arbeit – erwirtschaften können.
Okay, das guck ich mir an, versprochen. Deswegen fordern wir unter anderem auch ein elternunabhängiges BAföG, midlife BAföG und ein BAföG für Azubis. Die aktuellen Regelungen machen teilweise keinen Sinn.
Außerdem wollen Sie den Bau von Gebäuden wie Studentenwohnheimen nicht bloß von karitativen, sondern auch von privaten Anbietern fördern. Wie geht das zusammen? Sorgt das nicht für noch mehr profitorientiertes Bauen in Bremen?
Es muss allgemein viel mehr gebaut werden, nicht nur Studenten- und Azubiwohnheime. Dazu müssen auch die Anforderungen runtergeschraubt werden. Viele Bauherren leiden unter den Bauauflagen. Außerdem sagen viele Bauunternehmen: ‘Naja, wenn wir für die Stadt bauen, dann machen wir‘s extra teuer.’ Also wollen wir mehr Private engagieren, das wäre toll, um mehr Angebot auf dem Markt zu schaffen. Ich würde mir wünschen, dass wir günstige Stadtteile auch attraktivieren, früher wollte keiner in der Neustadt oder in Findorff wohnen, heute ist das super schön dort, das können wir auch mit anderen Stadtteilen schaffen.
Sorgt das nicht dafür, dass die größten Bauträger gewinnen?
Das ist eine Frage der Vergabestrategie. Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Will man lokale Unternehmen oder große Konzerne? Wir wollen beides – nicht nur Bau durch Eigenbetriebe des Landes Bremen.
Aber in einigen Stadtteilen Bremens haben sich Luxuswohnungen oder teure Mieten etabliert. Dort wäre sozialer Wohnungsbau von privaten Trägern wohl kaum denkbar, weil man aus Unternehmerperspektive dort natürlich hohe Mieten nehmen kann.
Das muss man sehen. Ich würde mir schon wünschen, dass wir einen Markt möglich machen, in dem auch Wohnungseigentum möglich ist. Das kann sich kaum noch einer leisten und staatliche Projekte setzen immer auf das Mieten von Wohnungen. Bis zu einem Betrag von 500 000 Euro wollen wir deshalb den Kauf der ersten eigenen vier Wände unterstützen, indem wir die Grunderwerbssteuer entfallen lassen.
Ist das nicht auch ein Subventionsprogramm für die Leute, die teure Gebäude bauen?
Das bekommt ja nicht der Architekt oder Bauherr ausgezahlt, sondern der Käufer profitiert.
Gut, eine staatliche Abwrackprämie bekommt auch der Autokäufer, trotzdem profitieren Autobauer.
Wäre das denn kein Anreiz, um billige Wohnungen zu bauen?
Naja, wahrscheinlich würde das vor allem den Bau von Wohnungen zum Kaufpreis von bis zu knapp 500.000€ fördern – das ist jetzt nicht gerade ‘Wohnraum für die Durchschnitts-Bremer’.
Finden Sie? Das glaube ich nicht. Das könnten wir ja mal durchrechnen.
In Ihrem Wahlprogramm finden sich viele interessante Ideen und Projekte für die Stadt Bremen. Unter anderem fordern Sie ja eine Umstrukturierung von Verkehr und Verwaltung, sowie einen radikalen Wechsel in der Bildungspolitik. Wir stellen uns allerdings die Frage, wie sie das alles finanzieren wollen?
Das ist eine Frage der richtigen Gegenfinanzierung. Was wir durch die Digitalisierung von Prozessen und Reduzierung von Arbeitsplätzen an einigen Orten einsparen, könnte an anderer Stelle – beispielsweise Bauamt, Verkehr oder Bildung – investiert werden. Viele unserer Vorschläge der letzten Jahre konnten wir so durch Einsparungen an anderer Stelle gegenfinanzieren.
Es sind nun über eineinhalb Stunden vergangen. Die Gläser sind leer, die Gesprächsthemen verbraucht. Was ist nun die Quintessenz aus diesem Gespräch? Lencke Steiner ist eine junge Politikerin, die für Bremen viele Pläne hat. Ob diese Pläne die Bremer Bürger erreichen und ob sie mehr sind als Schall und Rauch, mehr als eine schöne Fassade hinter hochwertigen schwarz-weißen Fotografien, das wird sich am 26. Mai zeigen. Auf unsere Frage, welches Prozentziel sie sich bei für die Wahl gesetzt habe, antwortete Steiner grinsend, dass sie auf ein zweistelliges Ergebnis bei der Wahl für ihre Partei hoffe: “Ziele muss man haben.”
von Moritz Gammersbach und Hendrik Meyer