Was passiert mit ehemaligen Industrieanalgen in Bremen, nachdem die Produktion dort aufgegeben wurde? Im Fall der Kelloggs-Produktion an der Weser entsteht hier ein ganzer Stadtteil. Die Überseeinsel wird Bremens neuester Stadtteil, mit Respekt für die industrielle Vergangenheit und dem Blick in die Zukunft.
Die Überseeinsel
Die Industrie in Bremen hält Auszug. Hachez, Kelloggs oder die Martin Brinkmann Zigarettenfabrik haben ihre Produktionsstandorte in Bremen aufgegeben. Was passiert nun aber mit den Industriegebäuden und Flächen? Aus alter Industrie werden neue durchmischte Wohnquartiere! Das größte dieser Projekte ist die Überseeinsel in Walle, ehemals die Produktionsstätte von Kelloggs. Das Projekt Überseeinsel wandelt das ehemalige Industriegelände zwischen Weser und Europahafen zu einem kompletten neuen und zukunftsorientierten Stadtteil um.
Historie der Überseeinsel
Die Überseeinsel GmbH, eigens für dieses Bauvorhaben gegründet, verwaltet den Umbau des Areals zwischen Europahafen und Weser. Die GmbH arbeitet unter ökologischen und urbanistischen Prinzipien, versucht also diesen Stadtteil so nachhaltig, fußgängerfreundlich und effizient wie möglich zu gestalten. Dazu arbeitet die Überseeinsel GmbH mit verschiedenen Architekturbüros und unter Förderung der WFB, um aus dem 41 Hektar großen Industriegelände einen zukunftsweisenden und innovativen Stadtteil zu machen. Bevor das Gebiet um die Straße An der Muggenburg nach der Zerstörung des zweiten Weltkriegs zum Industriegelände und Standort des Frühstücksflocken-Herstellers Kelloggs wurde, befand sich dort ein Bremer Wohn -und Arbeiterviertel und um 1860 einer der modernsten Industriehäfen der Welt. Wenn ihr mehr über die Historie der Überseeinsel erfahren wollt und was ein vergessener Topf Weizenbrei in einem Sanatorium in den USA damit zu tun hat, dann schaut mal hier vorbei.
Das neue Bremer Stephanitor
Auf dem großen Gelände sollen Kultur, Gastronomie, Grünflächen, Gewerbe sowie innovative Wohnquartiere Platz finden. Zudem bekommt Bremen auf der Überseeinsel 1,1km begehbares Weserufer zurück, dass der Öffentlichkeit zuvor durch die industrielle Nutzung nicht zugänglich war. Das erste Wohnquartier der Überseeinsel wird den Namen Stephanitor tragen, benannt nach dem gleichnamigen historischen Stadttor. In diesem ersten Wohnviertel entsteht Wohnraum mit Weserblick, auch für Studierende und ältere Menschen, sowie Standorte für Unternehmenszentralen, eine KiTa, ein Gesundheitszentrum und Spiel -und Freiflächen, die das Quartier verbinden und beleben. In den Stephanitorhöfen sind entlang der geplanten Radroute Flächen für Handwerk, Einzelhandelsgeschäfte, Kreativschaffende, Labore und Büros vorgesehen. Des Weiteren sollen auch ein Schwimmbad, eine Apotheke und Fitnesseinrichtungen hier Platz finden.
Das erste Quartier der Überseeinsel soll nicht nur divers und vielfältig, sondern auch innovativ werden. Dies drückt sich in den modernen Gebäuden aus, die durch Farb -und Materialauswahl Bezug zur Weser herstellen sollen. Besonders hervorzuheben ist hier das Wohngewächshaus, dass durch ein energieeffizientes Heizkonzept, Urban-Gardening-Flächen sowie einem Gewächshaus auf dem Dach ein Paradebeispiel für nachhaltigen und zukunftsweisenden Wohnungsbau ist. Mehr Begrünung und Naturnähe liegen im Herzen des Gesamtkonzepts.
Industriecharme bleibt erhalten
Neben den vielen Neubauten sollen auch die vorhandenen Industriegebäude der Kelloggsfabrik umgebaut werden, ohne dass sie ihren Charakter und Charme verlieren. Seit 2020 wird in den alten Getreidesilos das Hotel John & Will gebaut. Das John & Will wird ein hochmodernes Hotel mit eigenem Restaurant und Bar, dass die Geschichte des Gebäudes erhalten will. Die circa 120 Hotelzimmer werden sich in den Siloröhren befinden. Die Stahlstreben, die das prominente Kelloggs-Schild fixieren, bleiben als Teil des Restaurants im obersten Stockwerk bestehen. Das John & Will soll zugleich historisch und hochmodern, aber auch hochwertig und lässig sein. Die historischen Backsteingebäude, die zuvor die Kelloggs-Verwaltung beherbergt hatte, wurden renoviert, umgebaut und haben im September 2020 den Betrieb als Ganztags-Grundschule aufgenommen. Das ehemalige Reislager wird zur Markthalle mit Wochenmarkt und Foodständen, organisiert von der Brüning-Gruppe, den ersten offiziellen Mietern auf der Überseeinsel. Das Gebäude, in dem die Kelloggs-Frühstücksflocken hergestellt wurden, die sogenannte Flakes-Fabrik, soll das Rückgrat der Kelloggs-Höfe werden und gliedert sich durch eine gemischte Nutzung von Gastronomie, Lebensmittel-Produktion und Wohnraum nahtlos in das übergreifende Konzept der Überseeinsel ein.
Energiekonzept / Verkehrskonzept
Zum nachhaltigen Gesamtplan der Überseeinsel gehören zukunftsorientierte Energie -und Verkehrskonzepte. Um das Areal so CO2-neutral wie möglich zu gestalten, werden sowohl Sonnenenergie, Windkraftanlagen aus dem Umland und die Wasserkraft der Weser genutzt, um die Halbinsel mit Strom, Wärme und Kälte zu versorgen. Der nachhaltig gewonnene Strom soll möglichst in Echtzeit verbraucht werden, jedoch werden auch Machbarkeitsstudien zu Speichertechnologien für überschüssige Energie durchgeführt, um die Stromversorgung so grün und effizient wie möglich zu gestalten.
Das Verkehrskonzept priorisiert Fußgänger und Fahrradfahrer, einen klassischen Autoverkehr soll es nicht geben. Anwohner*innen können ihre Autos in Quartiersgaragen parken und ihren Weg mit einem E-Shuttle, Leihfahrrad oder eben zu Fuß fortsetzen. Zentrale Paketannahmestellen, Fahrrad -und Lastenfahrradstationen, Carsharing und eine gute Anbindung an den ÖPNV erleichtern den Verzicht auf das Auto. Die gesamte Verkehrsinfrastruktur wird so ausgebaut sein, dass die Fortbewegung auf der Insel ohne Kraftfahrzeug vonstattengeht. Rettungsfahrzeuge und Stadtreinigung können dennoch alle Quartiere erreichen.
Zukunftsplanung jetzt schon begonnen
Auf der Überseeinsel tut sich einiges. Die Pläne sind groß, ambitioniert, nachhaltig und innovativ. Hier soll Platz für Mensch und Wirtschaft, für Spiel und Arbeit und für Stadt und Natur geschaffen werden. Das große Areal, das nach der Zerstörung im zweiten Weltkrieg als rein industrielles Gebiet wieder aufgebaut wurde war der breiten Öffentlichkeit seit den 1960ern nicht mehr frei zugänglich. Das Wohnviertel, dass sich zuvor auf der heutigen Überseeinsel befand, wurde nicht wieder aufgebaut. Nun kehrt wieder Leben auf dieses historische Gebiet rund um die Straße An der Muggenburg. Und zwar nicht erst irgendwann in Zukunft, sondern jetzt schon. Die Bauarbeiten sind in vollem Gange und einige Gebäude sind schon von neuem Leben und Zweck erfüllt. Eine dringend benötigte Schule wurde eröffnet, der Bremer Lastenradhersteller VeloLab, die Hopfenfänger Braumanufaktur, sowie eine Pizzeria sind bereits auf die Insel gezogen.
Die Überseeinsel GmbH entwickelt einen Stadtteil, der in die Zukunft blickt und gleichzeitig die bewegte Historie dieses Gebiets offen, stolz und transparent. Dieser Stadtteil wird offen, durchmischt und ökologisch vorrausschauend geplant. Grünflächen, Hotel und Gastro, Büros und Produktion, schicke Lofts und Sozialwohnungen für Studierende und Senioren, hier soll jeder Platz finden können. Ein spannendes Projekt, dass im Herzen Bremens mit und für Bremen entwickelt wird. Wenn alles nach Plan läuft, hat dieser Stadtteil das Potenzial nicht nur für Bremen, sondern für viele weitere Städte zum Vorbild zu werden.
Credits Titelbild: Dr. Andreas Müller