Jeden Tag passieren Menschen das Goethe-Theater oder steigen an der Haltestelle Theater am Goetheplatz aus. Doch kaum jemand nimmt sich wirklich Zeit, um sich über das Programm oder kommende Theaterauftritte zu informieren. Das kulturell manifestierte Gebäude steht vielen Bremern nah und ist ihnen doch so fern. Canan Venzky hat dazu etwas zu sagen.
Zur Person
Die 21-Jährige ist gebürtige Münchnerin und zog mit sechs Jahren zu ihrem Vater nach Bremen. Zur Zeit wohnt sie im Viertel in einer Zweier- WG, sie bezeichnet sich selbst als ein Viertelkind. Canan studiert Kulturwissenschaften im zweiten Semester an der Universität Bremen. Für das nächste Semester möchte sie Kunst als Nebenfach studieren – dafür bricht sie das Nebenfach Germanistik ab. Canan liebt Bücher, Literatur, Kafka, Brecht-aber definitiv keine Sprachwissenschaften. Das vertrieb sie damals von Germanistik. Für das Kunststudium erhofft sie, den Umgang und Nutzen mit künstlerischen Medien wie Film, Comics und Ton praktizieren zu dürften. Bei Kulturwissenschaften hat sie dafür immer noch viel Spaß und will es auch weiterhin studieren. „Kulturwissenschaft zeigt mir Sachen, die ich gar nicht in meiner eigenen Blase kannte, ein Universum außerhalb dieser Blase. Aus welcher Perspektive mache ich was? Mach ich es aus der Bremer Sicht oder aus der Viertel Sicht?“.
Der Weg zur Künstlerin
Nebenbei arbeitet Canan als Regieassistenz beim Goethe-Theater. Durch ihr erstes Praktikum dort, bei dem sie für das Stück „Bang Bang“ ein Video drehte, bekam sie einen Fuß in die Tür. Danach machte sie ihr FSJ im Theater und wurde dann zur Regieassistentin und Souffleusin erteilt. Wie ein typischer Alltag als Regieassistenz aussieht?
„Wenn man um 10:00 Probe hat, bist du um viertel vor 10 da. Du kochst Kaffee, es sei denn du hast eine Praktikantin, dann kocht sie Kaffee. Du guckst, ob alles da ist, Kostüme, Technik und schreibst in einem Regiebuch alles auf. Gänge, Regieanweisungen und alles, was gemacht wurde.“
Canans Opa ist in München Bühnenbildner, dadurch ist sie schon immer oft ins Theater gegangen. Auch heute noch besucht sie das Theater genauso oft wie andere Menschen ins Kino gehen. Am liebsten schaut sie Unterhaltungstheater, Improvisationstheater, Stücke mit viel Musik und Experimenten. Canan schwärmt von Leonie Böhmann, die Impro-Theater macht. Zusätzlich hat sie für Auftritte im Goethe-Theater natürlich auch einen preislichen Vorteil.
Der Traum wäre für sie ein Kollektiv mit Freunden zu gründen, mit ihnen Theater und Musik zu machen, zu malen und einfach alle Künste zusammenzubringen. Dahinter steckt der Wunsch, Theater den Menschen nahezubringen, egal, aus welcher Schicht die Menschen stammen. Theater sei aus ihrer Sicht viel zu weit entfernt von dem Leben der Menschen und sollte über das eigene Konstrukt, der Theaterblase, hinausgehen. Theater habe für sie viel mit den Menschen zu tun, da man vor echten Menschen aufführt, vergleichbar wie meinem Live-Film. All dies wurde ihr besonders während des Projekts Station Neu-Blumenthal sehr deutlich. Sechs Wochen hatte Canan mit anderen in einer Holzhütte auf dem Marktplatz von Blumenthal gehaust, mit den Leuten geredet, eine Gemeinschaft geschaffen und sich so unter die Menschen gemischt. Canan weiß, dass das künstlerische Leben nicht einfach ist. Dabei ruft sie sich das süße Sprichwort ihrer Mutter immer in Erinnerung: „Bis du 30 bist, kannst du es versuchen, dann guckst du nochmal.“
Theater und Soziales
Vorerst will Canan aber in der Regie bleiben, wichtig ist für sie dabei Teamarbeit.
„Oft kennen die Schauspieler den Editor nicht, kommunizieren nicht miteinander.”
Dieser soziale Aspekt, diese Zusammenarbeit ist etwas, was sie auf jeden Fall als Theaterregisseurin umsetzen möchte, weil Theater und Soziales zusammengehören. Und das kann Canan nicht oft genug betonen. Es gab Erfahrungen, wo die Zusammenarbeit aufgrund von Überforderung des Regisseurs und Mangel an Kommunikation nicht geklappt hat. Teamgeist und Motivation funktioniere in der Theatergruppe der Uni Bremen super, wo Canan selbst zurzeit mitspielt.
„Man hat acht Stunden Zeit verbracht, geprobt, Pizza bestellt hat, niemand hat sich gestritten, niemand war böse aufeinander, wir waren einfach kollektiv fertig. Das Stück ist am Ende Arbeit von uns alle- auch von denen, die am Anfang keine Lust auf das Stück hatten.“
Canan verkörpert „Abigail“, eine der Hauptrollen des Stückes „Hexenjagd“ von Arthur Miller, welches bald aufgeführt wird. Abigail sei ein interessanter Charakter mit vielen Ebenen. Außerdem hätte Canan Lust gehabt, eine Bösewichtin zu spielen. Das Selbstbewusstsein und die Stärke Abigails gefiele ihr-eine starke Frauenrolle, die man heute noch braucht. An manchen Punkten grenzt sich Canan bewusst von dem Charakter ab, sie selbst sei mehr um das Wohl andere besorgt, kümmere sich um alle und verteidige ihre moralische Instanz in keiner manipulativen Weise. Vollständig identifiziere sie sich deshalb nicht mit der Rolle. „Dann wäre ich glaube ich echt eine scheiß Person!“, sagt Canan und lacht.
Wie Canan und die Uni Theatergruppe das Stück inszenieren und was Abigail wirklich für eine Person ist, erfährt man heute um 20:00 in der Premiere von „Hexenjagd“ im Theatersaal der Universität Bremen.
von Bona Hyun
Bildquelle: KROSSE