Für viele Studierende, nicht nur in Bremen, bedeutet ein Nebenjob den Unterschied zwischen konstanter finanzieller Knappheit und einem sorgenfreieren Studium. Durch Corona fallen diese nun für viele weg. Zwar hat die Regierung mehrere Finanzierungswege ermöglicht – aber für wen kommen diese nun wirklich in Frage?
Amy studiert in Bremen Kommunikations- und Medienwissenschaft und Kunst. Nebenbei arbeitete sie in einem Sicherheitsunternehmen. Eigentlich ist sie dort immer noch angestellt – aber seitdem Großveranstaltungen wegen der Corona- Pandemie verboten wurden, bekommt sie kaum noch Schichten. Da es sich nur um einen Minijob handelt, ist sie nicht einmal in Kurzarbeit. Trotzdem ist der Job ein wichtiger Teil ihres Einkommens. Da es mit dem Leistungsnachweis, der für eine Bafög-Zahlung unabdingbar ist, Probleme gab, bekommt sie seit vergangenem Oktober kein Geld mehr. „Vorher war es nur ein bisschen nebenbei jobben, und jetzt bedeutet es halt wirklich davon abhängig zu sein“, sagt sie. Ihre Mutter ist mittlerweile auch in Kurzarbeit.
„Die Ruhe vor dem Sturm“
Solche Notsituationen erreichen auch Sonja Vieten. Sie ist Sozialberaterin des Bremer Studierendenwerks. Insbesondere Studierende, die ihren Job verloren haben, oder dessen Eltern gerade in Kurzarbeit sind, melden sich bei ihr. Zu Beginn der Pandemie war sie jedoch überrascht, wie ruhig es war. „Am Anfang waren viele mit ihren Online-Vorlesungen beschäftigt“, vermutet sie, „oder sie haben erstmal gewartet, wie lange die Situation andauern wird.“ Nun melden sich jedoch vermehrt Studierende bei ihr, deren Rücklagen langsam aufgebraucht sind: „Ich merke da ganz viel Panik“, sagt sie und rät dennoch, ruhig zu bleiben. Als Sozialberaterin kann sie Bremer Studierende individuell darüber beraten, welche finanziellen Nothilfen auch abseits einer Kreditaufnahme für sie möglich wären.
Zinsfrei bedeutet nicht für immer zinsfrei
Die Hauptlösung der Bildungsministerin Anja Karliczek war eine Anpassung des KfW-Studienkredits („Die KfW, kurz für Kreditanstalt für Wiederaufbau, bietet auch Kredite für Privatunternehmen oder öffentliche Institutionen an“). Bis zu 650 Euro können Studierende unabhängig von ihren Eltern oder dem eigenen Einkommen bekommen. Dieser ist nun seit dem 1. April für das erste Semester, also für sechs Monate, zinsfrei beziehbar – auch für internationale Student*innen. Was viele jedoch
nicht realisieren: Bei der Rückzahlung fallen die Zinsen wieder an. Außerdem würden bisherige Bedingungen, wie Leistungsnachweise oder Förderungshöchstgrenze, erhalten bleiben. „Es ist natürlich schwer für Studierende, die schon weiter fortgeschritten in ihrem Studium sind, alle Voraussetzungen für die Förderung zu erfüllen“, sagt Sozialberaterin Vieten. Sie sehe den Kredit eher als letzten Ausweg. Laut der Tagesschau waren in der Politik viele, vor allem aus den Reihen der SPD, mit einer reinen Kreditlösung nicht einverstanden. Es wurde eine Art Doppellösung auf den Weg gebracht.
Eine nicht unkomplizierte Doppellösung
Neben der Kredit-Lösung werden den Studierendenwerken 100 Millionen Euro für ihre Notfonds ausgezahlt. Ein Darlehen aus diesen Notfonds ist ausschließlich für Studierende bestimmt, die sich wegen Corona in einer finanziellen Notlage befinden, sich aber zum Beispiel nicht für das reguläre BAföG qualifizieren. Für drei Monate können maximal 550 Euro ausgezahlt werden, und die Rückzahlung muss nach 12 Monaten mit mindestens 50 Euro erfolgen. Jedoch besteht kein Rechtsanspruch auf eine Unterstützung aus dem Notfonds. „Es kann auch sein, dass man weniger Geld bekommt“, sagt Vieten. In Bremen werden diese Anträge vom BAföG-Amt bearbeitet. Vieten betont, dass man trotzdem auch einen Antrag auf BAföG stellen kann, wenn man sich für das Notdarlehen bewirbt. Da sich wie auch in Amys Fall möglicherweis das Einkommen vieler Eltern mittlerweile verändert hat, bestehe möglicherweise wieder ein üblicher Anspruch. Bedingungen wie Leistungsnachweis, Altersgrenze und Regelstudienzeit bleiben bei dem BAföG jedoch erhalten.
Druck rausnehmen
Welche Möglichkeit nun am besten sei, würde immer auf den Einzelfall ankommen. Sonja Vieten rät: Früh informieren und neben Krediten oder Darlehen auch nach alternativen Möglichkeiten suchen. Die Bearbeitungszeit von Anträgen für beide finanzielle Hilfen dauere meistens zwei bis drei Wochen, das solle man einplanen. „Oder gibt es vielleicht Stipendien oder Stiftungen, die man anschreiben kann?“, schlägt sie einerseits vor. Andererseits betont sie aber auch die aktuellen Lockerungen der Bundesregierung bei Miet- und Verbraucherverträgen wie Strom, Gas oder Krankenversicherung. Natürlich kann man diese Rechnungen nicht ausfallen lassen, aber man kann sie vorerst bis zum 30. Juni aufschieben, ohne eine Kündigung befürchten zu müssen.
Diese Möglichkeiten scheinen leider jedoch vielen unangenehm zu sein. Vielen sei es vielleicht peinlich, ihren Vermieter kontaktieren zu müssen. „Da sind viele Hemmungen, das kann ich nachvollziehen“, sagt sie. Über diese Probleme zu sprechen könne „aber auch für die psychische Situation sehr entlastend sein.“ Außerdem biete die Verbraucherschutzzentrale für solche Aufschübe von Rechnungen hilfreiche Muster an. Zu diesen Stellen Kontakt aufzunehmen sei einfach wichtig, und nehme auch den Druck aus der Situation: „Manchmal hilft da schon zu sagen: Ich habe einen Antrag gestellt, und ich habe ein wenig Zeit meine Miete zu bezahlen.“
Und jetzt?
Amys Mutter hat sie gebeten, so lange wie möglich mit einer Kreditaufnahme zu warten. Ihren Job möchte sie eigentlich ungerne aufgeben, da sie vor der Pandemie ihre Schichten zeitlich immer sehr angenehm ihrem Studium anpassen konnte. Außerdem wollte sie in den kommenden Semesterferien eigentlich ihr Pflichtpraktikum machen. „Da weiß man auch nie, ob man bezahlt wird oder nicht. Spätestens dann würde ich den Kredit halt aufnehmen“, gibt sie zu – denn Großveranstaltungen bleiben erstmal noch bis zum 31. August verboten.
Steckt ihr in einer ähnlichen Situation? Die Sozialberatung des Studierendenwerks Bremen ist unter der Nummer 0421 220111340 erreichbar und bietet derzeit im Rahmen von COVID-2019 telefonische Sprechzeiten an diesen Tagen an:
Dienstags (11-12 Uhr)
Mittwochs (14-16 Uhr)
Freitags (10-12 Uhr)
Termine können auch zu anderen Zeiten vereinbart werden. Aktuelle Informationen findet ihr auch unter www.stw-bremen.de.
von Lillith Dörsch