Die Pandemie hat sowohl unser Privatleben als auch den Universitätsalltag maßgeblich verändert. Wie trotzdem der Start ins Studium gelingen kann und wie es sich zur Zeit studiert, verraten vier Studienanfänger*innen.
In eine neue Stadt ziehen, neue Leute kennenlernen, einen Neuanfang machen: All diese Dinge erwarten jedes Jahr zahlreiche Studienanfänger*innen, die für ihr Studium in eine andere Stadt ziehen.
Doch dieses Jahr ist alles anders: Eine Sorge vieler Studienanfänger*innen ist, wie sie überhaupt neue Leute kennenlernen können, wenn die Uni komplett online stattfindet. Und wie kann man die noch fremde Stadt erkunden, wenn so gut wie alles geschlossen hat? Von diesen Sorgen und ihren Erlebnissen in ihrer neuen Studienstadt Bremen erzählen vier Erstis der Studiengänge Kunst, Kulturwissenschaften sowie Kommunikations- und Medienwissenschaften. Sie alle wussten, dass aufgrund der derzeitigen Pandemie alles anders sein würde und haben sich trotzdem dazu entschieden ihr Studium noch in diesem Jahr zu beginnen – möglicherweise auch aus Mangel an Alternativen.
So war es auch bei Inken (19 Jahre). Sie hat dieses Jahr ihr Abitur gemacht und wollte eigentlich gemeinsam mit ihren Freundinnen ins Ausland reisen und arbeiten – Work & Travel eben. Das habe sie auf später verlegt. Zu Hause herumsitzen war für sie aber auch keine Option und weil sie Lust hatte eine neue Stadt kennenzulernen, entschloss sie sich für ein Studium in Bremen. Doch leider konnte sie die Stadt noch nicht richtig kennenlernen. Einen Lieblingsort in Bremen hat sie trotzdem bereits – ihre WG, liebevoll „Waller Stammkneipe“ genannt. Dennoch bleibt bei ihr die Angst, hier in Bremen keinen Anschluss zu finden, da sie ihren Hobbys momentan nicht nachgehen könne, die neben der Uni eine Möglichkeit bieten, neue Leute kennenzulernen.
O-Woche
Mietje (20 Jahre) hatte glücklicherweise schon in der Orientierungswoche die Möglichkeit, neue Leute kennenzulernen. Sie ist begeistert wie sehr sich die Fachschaft Kulturwissenschaften bemüht hat, den Erstis eine spaßige Orientierungswoche zu bereiten. Im Online Escape-Room und bei einer Stadttour in 5er-Gruppen konnten sich die Studienanfänger*innen kennenlernen. Zusätzlich wurden Mentorengruppen gebildet, in denen man Hilfe von erfahrenen Studierenden bekommen kann und immer jemand zum Quatschen da ist.
Diese Erfahrung haben die anderen drei Erstis nicht machen können. Ihre Erwartungen an eine O-Woche mit Action, Spaß und einer Menge Bier konnten dieses Jahr nicht erfüllt werden. Es habe zwar ein paar Einführungsveranstaltungen gegeben, wie eine virtuelle Stadtrallye, aber es habe sich eben nicht wie eine richtige O-Woche angefühlt. Trotzdem sind die drei davon überzeugt, dass die Fachschaften das beste aus der Situation herausgeholt haben.
Die Erstis haben sich stattdessen eigene Wege gesucht, um trotzdem neue Leute kennenlernen zu können. So berichtet Vivien (25 Jahre), dass sich die Erstis ihres Studiengangs bereits im Voraus auf Facebook gefunden, eine WhatsApp-Gruppe gegründet und sogar schon Kennenlernen-Abende auf Zoom veranstaltet hätten.
Herausforderungen von Online-Uni
Alle vier sind sich einig, dass die Professor*innen, bis auf ein paar Ausnahmen, sehr bemüht seien, den Erstis die Online-Uni-Erfahrung besonders angenehm zu gestalten. Trotzdem verliere man manchmal den Überblick über die ganzen Aufgaben, erzählt Mietje.
Eine weitere Herausforderung sei es, immer konzentriert und diszipliniert zu bleiben. Man könne jederzeit seine Kamera ausschalten und sich mit etwas anderem beschäftigen. Niemand würde es sehen, meint Inken.
Für Vivien stellen vor allem die vielen Gruppenarbeiten ein Problem dar, da es sehr schwierig sei, mit Leuten zusammen zu arbeiten, die man kaum kenne und deren Arbeitsweise man nicht einschätzen könne.
Doch mit Online-Uni werde man schon irgendwie zurechtkommen – solange es nicht für immer ist, davon sind die vier überzeugt.
Vorteile von Online-Uni
Denn es gibt auch Vorteile an der Online-Uni: So könne man die morgendlichen Zoom-Calls gemütlich im Schlafanzug, mit warmen Kaffee verbringen und müsse nicht in der Kälte zur Uni radeln, schwärmt Vivien. Und Valentina ist glücklich, dass sie die Vorlesungen jederzeit stoppen und wiederholen kann, sollte sie etwas nicht verstanden haben.
Was braucht ein Ersti 2020?
Auf die Frage, was man als Ersti im Jahr 2020 benötigt, antworteten alle: Disziplin, Organisationstalent sowie Offenheit. Und nicht zu vergessen, Social Media, vor allem WhatsApp, zur Kommunikation mit anderen Studierenden und um keine wichtigen Informationen zu verpassen.
Hoffnungen und Wünsche
Alle vier wünschen sich ein baldiges Ende der Pandemie, um endlich ihr Studentenleben in vollen Zügen genießen und ihre Kommiliton*innen sowie Professor*innen und Dozent*innen persönlich kennenlernen zu können. Denn allen vieren fehle es mit Freund*innen draußen unterwegs zu sein, durch die Bars zu ziehen und feiern zu gehen. Sie alle würden gerne unbeschwert Bremen entdecken können, die Nächte im Viertel oder der Neustadt verbringen und verkatert einen Rollo essen. Die Bremer Taufe, die den obligatorischen „Krabbel die Wand hoch“ im Eisen zu trinken beinhaltet, steht ja auch noch aus. Und ist man überhaupt ein richtiger Bremer, bevor man die nicht hinter sich gebracht hat?
Fest steht, dass Studierende und Lehrende sich zwar gut an die momentane Situation angepasst haben und das Beste daraus machen. Doch es bleibt zu hoffen, dass nächstes Jahr zwischen den Vorlesungen wieder der eine oder auch zehnte Kaffee mit Freund*innen in der Cafeteria genossen werden kann oder der gemeinsame Mensagang wieder möglich sein wird.
Von Antonia Fronzek
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