Es wird wieder laut an den Bremer Hochschulen. Das studentisch organisierte Bündnis TV STUD Bremen setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen und deutlich höhere Löhne für studentische Hilfskräfte ein. Warum sie das tun und welche Forderungen sie konkret an den Bremer Senat stellen, erfahrt ihr hier.
Was ist der Status quo?
Ohne studentische Hilfskräfte geht an der Universität Bremen gar nichts. Die rund 1700 angestellten Studierenden bereiten Seminare vor, halten eigene Tutorien ab, recherchieren für Professor*Innen und wissenschaftliche Mitarbeiter*Innen, helfen bei der Organisation und Durchführung von Tagungen, lesen Korrektur oder unterstützen Forschungsprojekte – und das alles für 9,19€ Mindestlohn.
In kaum einem anderen Bundesland werden Hilfskraftstellen so schlecht vergütet wie im hanseatischen Bundesland Bremen. So zahlt beispielsweise das Bundesnachbarland Niedersachsen seinen Studierenden 9,93€, mit Bachelor-Abschluss 11,55€ und mit Masterabschluss sogar 15,68€. Auch in Bayern liegt der Verdienst bei 10,50€ und in Berlin haben Studierende im vergangenen Jahr sogar ein Stundenentgeld von 12,30€ samt Tarifvertrag erkämpft.
Genau das will das studentische Bündnis TV STUD der Universität Bremen auch und begehrt gegen die miesen Arbeitsbedingungen und vor allem gegen die schlechte Bezahlung im Bremer Bundesland auf.
Was fordert das Bündnis TV STUD?
Motiviert durch die studentische Initiative in Berlin, die mithilfe unzähliger Verhandlungen, Protestaktionen, Warnstreiks und Demonstrationen die Hochschulen im Juli 2018 final in die Knie gezwungen hat und einen Tarifvertrag bewirken konnte, gründete sich das Bremer Bündnis im Frühjahr 2018 und macht auf die sogar noch prekäreren Arbeitsbedingungen in der Hansestadt aufmerksam. Neben der schlechten Bezahlung problematisiert das fachbereichsübergreifende, basisdemokratische Bündnis auch die Intransparenz im Abrechnungswesen. „Den meisten Studentischen Hilfskräften ist gar nicht klar, ob sie Urlaubsanspruch haben und wenn ja, wie und wo sie diesen einreichen können. Das hat zur Folge, dass viele ihren Urlaub gar nicht erst nehmen.“, sagt Julia, Mitglied bei TV STUD, im Interview mit Krosse.
Aber auch für längere Vertragslaufzeiten und begrenzte Arbeitszeitfenster setzt sich das Bündnis ein. „Wir hören immer wieder von Hilfskräften, dass diese auch am Sonntag oder spät abends spontan etwas für ihre Arbeitgeber*Innen erledigen sollen. Das geht so nicht. Dafür braucht es Grenzen und einen festen Zeitrahmen.“, so Julia weiter. Besonders problematisch ist aber auch die Regelung der Tutorien-Jobs, bei denen das Bündnis ein besonders großes Reformierungspotenzial sieht. Schließlich seien die meisten Tutorienjobs mit einer hohen Vor- und Nachbereitung verbunden, die jedoch nur geringfügig entlohnt werden, sodass die Studierenden faktisch Stunde um Stunde Seminare unentgeltlich vorbereiten.
Politik hat an Veränderung nur wenig Interesse
Die Forderungen und diversen Protestaktionen der studentischen Initiative werden dabei von der Gewerkschaft Verdi und GEW unterstützt, die gemeinsam mit den Studierenden einen Tarifvertrag erkämpfen wollen. Auch DIE LINKE macht sich dafür stark und brachte Anfang November 2018 erstmalig einen entsprechenden Antrag in der Bremischen Bürgerschaft ein. Darin forderte Miriam Strunge (DIE LINKE) eine Erhöhung des Stundensatzes von 9,19€ auf 12,50€ sowie die Verhandlungen des Senats um einen Tarifvertrag. „Studentische Hilfskräfte stellen wohl die größte Gruppe im öffentlichen Sektor ohne Tarifvertrag dar, ihr Verdienst ist seit 2003 kaum gestiegen. Sie mit Mindestlohn und Kurzzeitverträgen abzuspeisen, verunmöglicht ihnen Planbarkeit und finanzielle Absicherung.“, sagt die 31-Jährige Abgeordnete der Bremer Bürgerschaft.
Trotz steigender Lebenshaltungskosten in Bremen sieht der Bremer Senat hingegen keinen Handlungsbedarf und vor allem keine Notwendigkeit für tarifliche Verhandlungen. In einem Interview mit dem Weser Kurier argumentiert Birgit Bergmann (FDP), dass es sich bei wissenschaftlichen Jobs keineswegs nur um die Entlohnung, die relativ gering sei, handle. Vielmehr gehe es hierbei um den hohen Nutzen für die akademische Laufbahn, über gute Zugänge zum Hochschulwesen sowie die vielfältigen Kontaktmöglichkeiten. Ähnlich sieht das auch Susanne Grobein (CDU): „Die studentischen Hilfsjobs sind nicht dazu gedacht, dass man davon leben soll.“ Vielmehr seien sie dazu geschaffen, vertiefende Einblicke in die Wissenschaft zu bieten, eine Dauerbeschäftigung sei grundsätzlich überhaupt nicht angestrebt, so die CDU-Abgeordnete.
Dass trotz dessen viele Hilfskräfte über Jahre an der Uni beschäftigt sind, steht dem entgegen. Fraglich bleibt außerdem, wie sich Hilfskräfte neben Vollzeitstudium und ihrer Hilfskrafttätigkeit derweil ihren Unterhalt finanzieren und ihre im Durchschnitt 372,80€-teuren WG-Zimmer leisten sollen.
Bündnis TV STUD zeigt Haltung
Auch Julia sieht von Seiten des Senats bislang wenig Zugeständnisse. „Politisch ist da leider wenig Verständnis. Häufig bekommen wir zu hören, wir sollten doch zufrieden sein, schließlich sei Bremen pleite und es daher schlichtweg nicht möglich weitere Millionen in den Bildungssektor zu investieren. Außerdem argumentieren sie stets mit der Erhöhung des Mindestlohns, das reicht uns aber nicht: Wir wollen einen Tarifvertrag!“ bekräftigt Julia.
Sich auf die Erhöhung des Mindestlohnes einzulassen, kommt für das Bündnis schon allein aufgrund der aktuellen Wahlprognosen für die bevorstehende Bürgerschaftswahl im Mai 2019 nicht infrage. Zwar will sich die Bremer SPD nach eigenen Angaben für eine Erhöhung des Mindestlohns einsetzen, die Zeichen stehen jedoch auf Regierungswechsel. „Wir wollen uns in keinem Fall von irgendeiner Partei und ihren Wahlversprechen vereinnahmen lassen, das ist uns wichtig!“, betont die Initiative. Dass sie mit dieser Strategie Erfolg haben könnte, zeigt auch das Beispiel Berlin, die die Bremer Studierenden seit Gründungsbeginn in ihrem Vorgehen unterstützen. Aber auch Professor*Innen und Dozierende der Bremer Hochschulen solidarisieren sich vermehrt mit den Forderungen des TV STUD Bremen.
Für das angebrochene Jahr 2019 sind bereits weitere Aktionen in Planung, die den Druck auf den Senat erhöhen sollen. „Dafür braucht es vor allem die Mithilfe von Studierenden“, sagt Julia: „Denn wir haben nicht vor unsere Proteste auf Eis zu legen, bevor sich die politisch Verantwortlichen nicht auf uns zu bewegen. Auf Kompromisse lassen wir uns nicht ein, denn wir haben einfach mehr verdient.“
von Anna Siewert
Bildquelle: TV STUD Bremen