Carsten Sieling (SPD) gibt sich trotz knapper Umfrageergebnisse kämpferisch. Er sieht Bremen unter seiner Führung im Aufschwung und hat vieles vor. Reicht das erneut für eine Wiederwahl?
Parkettboden, ein großer Schreibtisch aus dunklem Holz, ein noch größerer ovaler Tisch und ein Fenster, aus dem man einen herrlichen Ausblick auf den Marktplatz, das pulsierende Herz Bremens und die Bremer Bürgerschaft hat. Das Bürgermeisterbüro. Den Einblick auf den Arbeitsplatz der wichtigsten Person des Landes Bremen, bekam KROSSE anlässlich eines Interviews mit Bürgermeister Carsten Sieling. Der Mann, der Bremen nach dem 26.Mai weiter regieren will, begrüßt uns, lächelt und schenkt uns Wasser ein. Es kann losgehen.
Was lieben Sie an Bremen und was stört Sie?
Bremen zeichnet sich dadurch aus, dass die Menschen einen außerordentlichen Gemeinsinn haben und ein starker Zusammenhalt und eine große Solidarität besteht. Wir sind eine spannende Großstadt, in die sich viele Menschen verlieben. Wenn ich sagen soll, was mich stört; es gibt ein paar Dinge in denen ich möchte, dass wir uns weiterentwickeln und vorankommen. Mich stört die Tatsache, dass wir immer noch eine zu hohe Arbeitslosigkeit haben und darunter auch viele Familien leiden. Wir haben seit 2015 20.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, aber wir müssen vor allem auch Menschen eine Chance geben, die es auf dem Arbeitsmarkt nicht einfach haben. Deshalb habe ich, als ich Bürgermeister geworden bin, ein Programm ins Leben gerufen, das jetzt schon 800 Langzeitarbeitslosen eine neue berufliche Perspektive gibt. Das will ich auf 1.500 Plätze ausbauen.
Was sind Ihre Hobbys? Was zeichnet Sie privat aus und welche besonderen Charaktereigenschaften haben Sie, die Sie von den anderen Spitzenkandidaten abgrenzen?
Ich habe drei Kinder und die wenige freie Zeit versuchen wir als Familie zu nutzen. Wenn ich Lust und Zeit habe, setze ich mich gerne auch mal aufs Rennrad und ich versuche auch, kein Werderspiel zu verpassen. Mich zeichnet aus, dass ich durch meine lange politische Arbeit in und für Bremen weiß, was die Bürgerinnen und Bürger umtreibt, wo sie der Schuh drückt und wo wir ranmüssen.
Also würden Sie sagen, dass Sie schon immer in die Politik wollten?
Nein, es gab da nie einen Plan. Neben der Berufsausbildung habe ich mich in einer Jugendfreizeitinitiative und auch gewerkschaftlich engagiert, später dann war ich während des Studiums ein Jahr in den USA und da war ich in einer Solidaritätsinitiative für Mittelamerika aktiv. Politik zum Beruf zu machen, das hat sich erst ergeben als ich Mitte dreißig war und die Überlegung kam: kannst du jetzt neben dem Beruf Politik ehrenamtlich weitermachen, oder nimmst du das Angebot an, was mir damals gemacht wurde, dass ich für die SPD für die Bürgerschaft kandidiere. Das habe ich dann gemacht.
Und warum haben Sie sich für die SPD als Partei entschieden?
Ich bin in Niedersachsen in einem kleinen Dorf aufgewachsen und wir haben dort als Jugendliche für einen Jugendraum gekämpft. Da habe ich die ersten Erfahrungen gemacht, wie wichtig es ist, zusammen seine Interessen zu vertreten. In diesem Dorf gab es einen rein CDU- dominierten Gemeinderat und der wollte von uns nicht viel wissen. Dort herrschte eher eine Ellenbogen-Mentalität, alles wegzustoßen, was einem nicht gefällt. Das hat mich politisiert. Und der solidarische Einsatz für den Gemeinsinn hat mich zur SPD gebracht. Auch als Parteien wie Die Linke oder Grüne aufkamen, gab es zwar Sachen, über die ich mich an meiner Partei geärgert habe, aber ich habe mich trotzdem immer wieder für die SPD entschieden.
Was würden Sie als ersten Punkt umsetzen, wenn Sie wieder Bürgermeister werden würden?
Ich will, dass der ÖPNV für Bremer Kinder und Jugendliche bis 18 insgesamt kostenfrei wird. Das ist gut für die Umwelt und hilft, dass alle schon früh die Vorteile eines guten ÖPNV kennenlernen. Außerdem möchte ich, dass Kinder im Schwimmbad künftig nur noch 1 € zahlen müssen. Bereits beschlossen haben wir, dass ab August 2019 der Kitabesuch für Familien mit Kindern zwischen drei und sechs kostenlos wird. Und gerade aktuell haben wir für alle, die für das Land Bremen arbeiten, den Landesmindestlohn auf 11,13 € erhöht. Das tritt zum 1. Juli in Kraft. Dass wird bspw. auch eine deutliche Verbesserung für studentische Hilfskräfte bedeuten.
Aber würden Sie sagen, dass wenn man überall kostenlose Kindergärten einführt, auch eine Qualitätssteigerung im Bezug auf die frühkindliche Bildung garantiert ist? Und wie würden Sie die Bremer Bildungspolitik, die über Bremen hinaus als sehr schlecht angesehen wird, bewerten?
Die frühkindlichen Bildung ist uns sehr wichtig, es geht auch darum, bestehende Wissensunterschiede beim Eintritt in die Schule auszugleichen. Dafür werden wir vor allem die Qualität in den Einrichtungen weiter stärken. Durch das Gute-Kita-Gesetz bekommen alle Bundesländer eine finanzielle Unterstützung und Bremen erhält 45 Mio.€. Mindestens die Hälfte davon investieren wir in die Steigerung der Qualität und ermöglichen zudem die Kita-Beitragsfreiheit für die 3-6-Jährigen. Auch im Schulbereich haben wir noch viel vor. Dabei lernen wir auch von anderen Bundesländern. Hamburg hat seit einigen Jahren ein Qualitätsinstitut. So etwas bauen wir gerade bei uns auch auf. Als ich Bürgermeister geworden bin, habe ich die Bildungspolitik zu einem zentralen Thema gemacht. Wir haben die Verantwortung fuer Kindergärten und Schulen 2015 in einem Ressort zusammengelegt, um das Lernen von Beginn an besser und ohne Brüche in den Übergängen organisieren zu können. Was viele nicht wissen: Wir haben in den letzten Jahren mit unseren Schulen im Schnitt zwischen acht bis zehn Prozent der deutschen Schulpreise gewonnen. Wir haben hier viele sehr gute Schulen, daher ist die Aussage, dass die Bildung in Bremen generell schlecht sei, Unsinn.
Und wie wollen Sie die Bremer Schulen konkret verbessern?
Mehr Fachkräfte und keine neuen Debatten über Schulformen. Wir haben vor kurzem erst mit allen großen Parteien, mit Ausnahme der FDP, den Schulfrieden um weitere zehn Jahre verlängert. Das ist wichtig, denn Kinder, Eltern aber auch pädagogische Fachkräfte brauchen Verlässlichkeit. Dafür bringen wir wie gesagt ein neues Qualitätsinstitut auf den Weg, dass die Schulen und die Lehrkräfte unterstützt. Zudem werden Kernfächer wie Deutsch und Mathematik verstärkt. Wir haben unseren Bildungsetat deutlich verstärkt zuletzt noch einmal um 200 Millionen auf gut eine Milliarde Euro.
Im zweiten Teil des Interviews verrät uns Sieling, warum sich die Bremer SPD in diesem Wahlkampf so schwer tut und wie er Bremen für junge Menschen attraktiver machen möchte.
von Shajana Reuter und Moritz Gammersbach