Carsten Sieling (SPD) gibt sich trotz knapper Umfrageergebnisse kämpferisch. Er sieht Bremen unter seiner Führung im Aufschwung und hat vieles vor. Reicht das für eine Wiederwahl?
Dies ist eine Fortsetzung einer zweiteiligen Interviewserie mit Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD). Hier geht es zum ersten Teil.
In diesem Wahlkampf hat die SPD stärker als sonst mit der CDU zu kämpfen. Wie ist es dazu gekommen?
Insgesamt ist es so, dass es der SPD in Deutschland nicht gut geht. Auf Bundesebene stehen wir bei 15 bis 16 Prozent. Die Bremer SPD war immer sieben bis neun Prozent stärker als die Bundespartei. Und auch heute liegen wir mit ungefähr 25 Prozent noch deutlich über dem Bundestrend. Ein weiterer Grund ist, dass wir seit vielen, vielen Jahren in Bremen einen harten Sparkurs fahren mussten, um unsere Finanzen in Ordnung zu bringen. Das ist uns gelungen und wir haben in den letzten Jahren, auch aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung, viel vorangebracht. Ich nenne nur den Kita-Ausbau, mehr bezahlbare Wohnungen, auch für Studierende, viele neue Arbeitsplätze oder die Aufstockung der Gelder für die Polizei.
Denken Sie, dass die Bürger sich nun trotzdem sagen: ‘Die SPD war so lange an der Macht, vielleicht ist es Zeit für einen frischen Wind’?
Es kommt doch immer darauf an, in welche Richtung der Wind weht. Ich möchte, dass es in Bremen weiter sozial zugeht. In diesen unruhigen Zeiten braucht Bremen mehr sozialen Zusammenhalt und Verlässlichkeit – und keine unsoziale Wende, die nur Unsicherheit bringt. Wer die unsoziale Wende in Bremen verhindern will, der muss SPD wählen!
Sie machen zum Teil den Bundestrend der SPD verantwortlich für die aktuellen Umfragewerte. Dabei sind Sie doch bekannt dafür, dass Sie auch mal das Wort gegen die Bundes-SPD erheben. Immerhin haben Sie auch schonmal Sigmar Gabriel öffentlich widersprochen, als Sie nicht einer Meinung waren.
Auf Bundesebene habe ich mich immer dafür eingesetzt, dass die SPD wieder mehr zu ihren Wurzeln zurückkehrt. Wir brauchen einen starken Sozialstaat. Davon bin ich überzeugt und dafür trete ich auch ein.
Die Uni Bremen hat ihren Exzellenz-Status verloren. Wie bewerten Sie das und was könnte die Stadt tun, um diesen wiederzuerlangen?
Wir haben ein Exzellenzcluster behalten, was ganz wichtig ist im Bereich der Meeresforschung. Trotzdem haben wir beschlossen, uns 2025 wieder zu bewerben. Damit die Universität sich auf die Bewerbung gut vorbereiten kann, haben wir einen Wissenschaftsplan auf den Weg gebracht, der eine deutliche Verbesserung der Forschungs- und Lehrsituation mit sich bringen wird. Die 500 Millionen Euro, die wir durch den Länderfinanzausgleich ab 2020 haben, werden wir auch für Investitionen im Bereich Wissenschaft, Universität und Hochschulen nutzen. Es wird in den nächsten Jahren viele neue Professorenstellen geben, die Zahl der Studierenden soll wachsen und es sollen neue Studienplätze, gerade im Masterbereich, entstehen.
Kommen wir zur Lage der studentischen Hilfskräfte. Diese werden schlecht bezahlt und in Ihrem Wahlprogramm haben wir dazu folgenden Abschnitt gefunden: “Wir unterstützen die Studentischen Hilfskräfte […] in ihrem Streben nach einem Tarifvertrag und sehen dies als wichtige Voraussetzungen, um die Arbeitsbedingungen […] zu verbessern. Auch ohne Tarifvertrag wollen wir Maßnahmen ergreifen, um die Situation der Hilfskräfte zu verbessern.”
Das klingt paradox. Können Sie das konkretisieren?
Diesen scheinbaren Widerspruch kann ich für Sie auflösen. Durch das Landesmindestlohngesetz und unsere aktuell beschlossene Erhöhung bekommt jede und jeder, der für Bremen arbeitet, ab dem ersten Juli mindestens 11,13€. Das ist die unterste Einkommensstufe des Tarifvertrages der Länder. So koppeln wir die Lohnentwicklung in diesem Bereich an den Tarifvertrag, ohne einen wirklichen Tarifvertrag zu haben.
Also sorgt das Landesmindestlohngesetzt, welches im Grunde die unterste Stufe des Gehalts einer Tarifunion widerspiegelt, für eine Art indirekten Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte?
Genau. Die Stadt geht als Arbeitgeber mit gutem Beispiel voran, um den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu zeigen: Das habt ihr verdient und das bekommt ihr auch. Im studentischen Bereich ist auch nochmal wichtig, dass wir dort den Verwaltungsbeitrag abschaffen wollen.
Ist sowas nicht ein Nachteil für die Universität, da sie sich von solchen Beiträgen finanziert?
Wenn dieser Beitrag wegfällt, wird das Land das über die Zuweisung der Gelder für die Universität ausgleichen.
Sind Sie für einen weiteren Ausbau von studentischen Wohnungen? Gibt es diesbezüglich Pläne?
Daran arbeiten wir schon und diese Bereiche werden wir auch weiter ausbauen. Im Moment befinden sich rund 600 zusätzliche Wohnheimplätze für Studierende in der Fertigstellung. Vor kurzem war ich beim Studierendenwerk und habe mich dort über die Planungen und einzelnen Projekte informiert. Die entsprechenden Vorhaben sind alle in den Haushalten finanziell abgesichert.
Dieser Wohnungsbau soll aber ausschließlich durch die Stadt erfolgen? Die FDP will nämlich den Bau von Studentenwohnheimen durch private und karitative Träger fördern. Dadurch würde sich ja die Frage nach steigenden Kosten für die Mieter stellen, da gerade Privatunternehmer Profit erwirtschaften wollen.
Genau. Da Bremen die Wohnungen über das Studierendenwerk bauen lässt, ist garantiert, dass die Mieten bezahlbar bleiben. Die Stadt hat, anders als private Investoren, nicht den wirtschaftlichen Profit im Sinn. Wir wollen Wohnraum schaffen, den man sich auch als junger Mensch in der Ausbildung leisten kann.
Aber ist dann nicht gerade der städtische Wohnungsbau ein Bereich, den man vielleicht mehr Privatleuten überlassen sollte, um die Landeskasen zu schonen? Bei den ganzen Ideen, die Sie für diese Stadt haben, stellt sich uns nämlich die Frage nach der Finanzierung.
Natürlich läuft im Wohnungsbau auch viel über private Akteure. Wir stellen aber über unsere großen städtischen Wohnungsbaugesellschaften wie die GEWOBA sicher, dass vor allem auch bezahlbarer Wohnraum für alle Bremerinnen und Bremer entsteht. Die GEWOBA stellt über 40.000 Wohnungen in Bremen. Und vor wenigen Wochen haben wir die BREBAU gekauft, um auch für deren Mieterinnen und Mieter in der Zukunft weiter gutes Wohnen zu bezahlbaren Preisen sicherzustellen.
Für viele junge Leute strahlt Bremen keine hohe Attraktivität aus. Wie wollen Sie das ändern?
Wir wollen natürlich noch mehr junge Menschen nach Bremen locken. Viele Studierende, die nach Bremen pendeln, kommen aus der niedersächsischen Umgebung. Für sie müssen wir durch mehr Studierendenwohnungen eine Möglichkeit schaffen, hier zu leben. Der ÖPNV soll für alle unter 18 kostenfrei und damit auch attraktiver für junge Menschen werden. Gleichzeitig brauchen wir mehr hippe Quartiere. Da reicht nicht nur das Viertel. Im Bereich der vorderen Neustadt entwickelt sich das schon richtig gut und auch in Walle planen wir einiges.
Können Sie den Bürgerinnen und Bürgern garantieren, dass die Wohnungen auf der Galopprennbahn wirklich ‘bezahlbar’ werden, wenn der Volksentscheid scheitert?
Es gibt die Vorgabe, dass 25% der Wohnräume Teil des sozialen Wohnungsbaus sein sollen, das werden wir auf 30% ausweiten. Das ist wichtig, weil auch eine Familie mit einem mittleren Einkommen von rund 3.000 bis 4.000 € im Monat so eine Förderung bekommen könnte. Da die Rennbahn städtischer Boden ist, können wir, wenn der Volksentscheid in unserem Sinne für eine Bebauung entscheidet, dort auch Modelle wie Erbpacht oder anderes umsetzen. So könnte dort ein guter Mix entstehen.
Carsten Sieling sieht sich noch lange nicht am Ende seiner Regierungszeit in Bremen. Er hat noch vieles vor. Wie er all seine Vorstellungen durchsetzen will, bleibt fraglich. Ob die Bremer Bürger ihm nach diesem harten aber auch pannenreichen Wahlkampf die nötigen Stimmen geben werden, ebenso.
von Shajana Reuter und Moritz Gammersbach