Die Bezahlung von studentischen Nebenjobs ist eher schlecht als recht. Daher suchen viele Studenten auch in den dunkleren Ecken nach Arbeit. Fündig werden sie dabei im Begleitservice, verkaufen ihre jungen schönen Körper für viel Geld an die Politik- oder Wirtschaftseliten auf der Durchreise.
dianekrueger* war ein Schmuckstück. Nicht aus Gold, Platin, Rubin oder Lapislazuli. Ein hübsches Anhängsel aus Fleisch und Blut, das einen Abend lang den Arm eines Mannes zierte. Manchmal auch eine ganze Nacht lang. Für ein paar Monate war die junge Frau (26) eine Escort Lady. Eine Studentin, die für Geld mit Männern aus und ins Bett ging. Im Online-Forum „Uni-Protokoll“ schreibt dianekrueger: „Ich habe bei den sexy-girls-berlin.de mein Geld dazuverdient. Wenn das Aussehen stimmt, macht man damit gutes Geld. Das hätte ich nirgendwo sonst verdient…“
Studieren kostet rund 800 Euro im Monat
In Deutschland waren für das Sommersemester 2012/2013 laut Statistica insgesamt rund 2,5 Millionen Studierende eingeschrieben. Ein „Normalstudent“, der ledig ist und in einer eigenen Wohnung im Erststudium lebt, gibt im Monat durchschnittlich 794 Euro aus. Auf diese Summe kommt eine Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks für das Jahr 2012.
In den knapp 800 Euro stecken Miete, Essen, Kleidung, Fahrticket, Telefon und Internet sowie alles, was man an Büchern oder anderen Lehrmaterialien braucht. Das Alsterwasser im Viertel oder der Eintritt in die Kunsthalle nicht mitgerechnet.
Es müssen also jeden Monat 800 Euro her. Und da Geld bekanntlich nicht an Bäumen wächst, steht man als Student vor verschiedenen Möglichkeiten, sein Leben zu finanzieren. Da wären die eigenen Eltern, die man um Unterstützung bitten könnte. Wenn aber auch da das Geld schon knapp ist, muss man auf BAföG oder einen Studienkredit bauen. Die Schulden nach dem Studium aber bleiben und müssen mit dem ersten Gehalt wieder abbezahlt werden. Stipendien sind eine Option für besonders begabte, besonders fleißige und besonders gut organisierte Studenten.
In drei Stunden 400 Euro verdienen
Für dianekrueger aus Hamburg waren eine Tutoren-Stelle oder das Auffüllen der Regale bei Edeka keine Option. Die 400 Euro, die andere Kommilitoninnen und Kommilitonen in einem Monat verdienten, bekam sie nach drei Stunden Arbeit. Wer fünf Stunden ungestörte Zweisamkeit mit dianekrueger verbringen wollte, musste sechs Hunderter auf den Tisch legen, blieb sie über Nacht, waren es 850 Euro. Ein Tag brachte 1.400 Euro, eine Woche knapp 5.000 Euro. Bettgeflüster all inclusive.
In Deutschland gibt es zwischen 300 und 400 offiziell gemeldete Escort-Agenturen. MC-Escort, die größte Begleitservice-Community Deutschlands, schätzt die Zahl der Escort-Damen auf bis zu 6.000, darunter viele Studentinnen. Genaue Statistiken gibt es dazu nicht; viele Frauen arbeiten als Selbstständige. Dabei begleiten aber nicht nur Studentinnen ihre Kunden. Auch junge Studenten verkaufen ihren Körper und ihren Anblick an vermögende Damen.
Die Handelskammer Bremen kann und darf über Zahlen im Escort-Service keine Auskunft geben. Nur so viel: gerade im Sex-Gewerbe gäbe es eine „starke Fluktuation.“ Die einen kommen, die anderen gehen.
Anfassen erlaubt
Es gibt Frauen, die das erste Mal mit einem Mann ausgehen, danach für ein paar Euro mehr auch mit ihm schlafen und Gefallen daran finden. Sie machen weiter. Andere wollen diese Erfahrung nie wieder machen. Dann lieber hinter der Kasse bei Aldi sitzen.
Manche wiederum bleiben nur beim Flirten und lachen an der Hotelbar charmant über den Witz ihres Kunden, wobei sie sich seine Hand auf ihrem Knie gefallen lassen. Weiter gehen sie nicht.
Offiziell bietet eine Escort-Dame ihre Gesellschaft an, begleitet ihre Kunden auf Messen, Geschäftsreisen, in die Oper oder zum Shopping nach London. Begleitung auf hohem intellektuellem Niveau.
Die Kunden sind Anwälte, Politiker, hohe Beamte oder Business-Typen, die wenig Zeit für Freunde haben und in ihrem Hotelzimmer nicht alleine sein möchten, sich zwischen ihren Meetings langweilen. Deswegen bezahlen sie für die Gesellschaft einer schönen Frau.
Prostitution mit Stil
Und dianekrueger ist schön. Vor allem aber entspricht sie noch all den anderen Kriterien, die die Agentur „Sexy-Girls-Berlin“ vorgibt. Auf der Homepage preisen sie ihre „schmückenden Frauen“, die meisten von ihnen Studentinnen mit einem sehr aufgeschlossenen Wesen, einem guten Allgemeinwissen und stilvollem Auftreten. Charmant, attraktiv und niveauvoll zwischen 21 und 40 Jahren alt. Mindestens zwei Sprachen muss ein „Sexy Girl“ sprechen können und „motiviert sein, interessante Menschen kennenzulernen“. Auch Ehrlichkeit und Spontanität sind Voraussetzung.
Studentin am Tag, Prostituierte in der Nacht
„Das Geheimnis um meinen Nebenjob hat mich am Anfang nicht gestört, in den ersten Wochen habe ich meine Arbeit erledigt.“ Wenn sie am späten Abend aus ihren Sneakers in ihre schwarzen Lack-Heels schlüpfte, sich die Jeans aus- und ihre Seidenstrümpfe anzog, war dianekrueger nicht mehr die junge Studentin. Dann war sie „eine Prostituierte“. Den Job schönzureden wäre „nicht ehrlich“. Denn „eine Frau, die Geld dafür verlangt, damit ein Mann mit ihr schlafen oder sie nur anfassen darf, verkauft sich, ihren Körper. Wie nennt man so etwas sonst, wenn nicht Prostitution?“
Auf ihrer Setcard bot sie „Begleitung für Herren und Paare“, „Erotik-Massagen“, „Girlfriendsex“ und „Rollenspiele“. Wollte ein Kunde „Girlfriendsex“, durfte er sie auch küssen und berühren, als wären beide ein Liebespaar. Beziehung für 20 Minuten. „Liebst du mich?“ Wenn einer sie das fragte, erwartete er keine Ehrlichkeit. „Für die Antwort hat er schließlich bezahlt.“
Schweigegeld
Was der Kunde von ihr wollte und worauf sie nach Absprache einging, erwähnte sie anderen gegenüber mit keinem Wort. „Den Mund zu halten, ist oberstes Gebot im Escort-Service.“ Die sexuelle Dienstleistung erfordert Diskretion. Wer es sich leisten kann, einer Frau für einen Tag rund 1.500 Euro zu bezahlen, der besitzt auch viel, das er verlieren kann.
Nach ein paar Monaten in der zwielichtigen Branche hatte die Studentin genug. Zum einen genug Geld, zum anderen aber auch keine Lust mehr darauf, ein paar Abende in der Woche fremde Männer zu unterhalten. Sie zog nach ihrem Studium nach Hamburg, weg aus Berlin. Weg von ihrem Geheimnis. Von ihrem „Secret Service“ hat sie keinem ihrer Freunde je erzählt. Diskretion ist das oberste Gebot.
*Nickname, den die Protagonistin im Chat-Forum benutzt
Nathalie Beier