Fernab von großen Festivals wie Rock am Ring und Hurricane zieht es mittlerweile immer mehr Leute zu kleinen, gemütlichen Festivals. Eines von ihnen ist das Rotormania in Lobbese, nahe Wittenberg. Zum dritten Mal trafen sich vom 31. Mai bis zum 2. Juni in dem kleinen Ort Anhänger des Stonerrocks.
Ein Familientreffen
Lobbese in der Gemeinde Treuenbrietzen, nahe der Lutherstadt Wittenberg, ist das, was man einen verschlafenen Ort nennen würde. Ein paar Häuser, wenige Menschen und eher ruhig. Einmal im Jahr wird das kleine Dorf jedoch aus seinem Dornröschenschlaf geweckt – von donnernden Schlagzeugen, wummernden Bässen und luftzerreißenden Gitarren. Einmal im Jahr ist Lobbese der Schauplatz des Rotormania, quasi dem Familientreffen der Stonerrock-Fans in Deutschland. Schon zum dritten Mal lädt die Band Rotor, eine der bekanntesten Stonerbands hierzulande, knapp 400 Besucher zu sich nach Hause ein. Nur 200 Meter Luftlinie vom Ort des Geschehens entfernt ist ein Teil der nun in Berlin ansässigen Band aufgewachsen. Auf dem Bauernhof eines Freundes treten die Bands auf, während die Zuschauer auf den anliegenden Weiden ihre Zelte aufschlagen und Wohnwagen postieren.
„Bei uns nennt man das Schietwedder“
Während im letzten Jahr noch die Sonne schien, musste man in diesem Jahr mit den Wetterausläufern der „Jahrhundertflut“ vorlieb nehmen. Regen. Und zwar literweise. Auf der Hinfahrt fuhr man über die bereits über die Ufer getretenen Aller und Elbe und bei der Ankunft war der Zeltplatz durchzogen von tiefen Schlammrinnen. Das ganze Dorf schien mit seinen Treckern ausgerückt zu sein, um die Musikbegeisterten in ihren Autos auf den Zeltplatz zu schleppen, da ein selbstständiges Weiterkommen unmöglich war. Die Helfer, die uns auf das Gelände brachten, bemitleideten uns, dass wir den weiten Weg aus Bremen angetreten sind, um schlussendlich im Regen zu campen. Unsere Reaktion darauf: „Ach watt. Bei uns nennt man sowas Schietwedder!“
Bei unserer Ankunft nahm das Wetter sich eine kurze Auszeit, sodass wir halbwegs im Trockenen unsere Zelte aufbauen konnten. Da wir uns aufgrund diverser Staus verspätet hatten, wurde der Zeltaufbau bereits von den Klängen der ersten Band begleitet. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es sich dabei um Black Shape of Nexus handelte, die zu unseren Favoriten zählte und die wir somit mehr oder weniger verpassten.
Nachdem auch der Rest unserer kleinen Reisegruppe angekommen war und Zelte aufgebaut hatte, stapften wir durch Matsch und Regen zu der Scheune, die quasi das Festivalgelände darstellt. Dieses war in zwei Bereiche aufgeteilt. Die eigentliche Scheune bot nebst Bühne den Einlass und einen kleinen Stand für Merchandising. Der Innenhof des Bauernhofs war teils überdacht und beherbergte eine zweite Bühne. Gegenüber befand sich der weitaus wichtigere Teil: die Theke. An dieser genossen wir unser erstes Festivalbier und einen lecker selbstgemachten Eintopf.
Die von den Veranstaltern geplante Running Order wurde vom Wetter ordentlich durcheinander gewirbelt, sodass wir Black Shape of Nexus verpassten, jedoch die Psychedelic-Rocker The Great Machine zu sehen bekamen. Nach einer kurzen Grill-Einlage auf dem Zeltplatz gaben wir uns dann die ausgezeichneten Coogans Bluff, die funkigen Stonerrock samt Bläser auffuhren. Von der Musik und vom Wind durchgerüttelt, ließen wir dann unter unserem Pavillon den Abend mit ein paar Bier ausklingen, während die Leute in der Scheune bis in die frühen Morgenstunden zur Musik vom DJ feierten.
Unverhoffter Sonnenschein
Der Samstagmorgen begann überraschend. Statt Regen zeigte sich die Sonne. In der von ihr gespendeten Wärme ging es an ein, für Festivals ungewöhnliches, Frühstück: Rührei mit Speck, dazu ein gutes Brot mit lecker Sülzfleisch. Ein Leckerbissen! Während wir neue Kräfte tankten und die ersten Bierflaschen öffneten, schmissen die Berliner DxBxSx die restlichen Schlafmützen aus den Zelten, indem sie im Scheuneneingang ihr Equipment aufbauten und mit ihrer Mischung aus Punk und Stoner den zweiten Festivaltag einläuteten.
Wir nahmen dies zum Anlass, unseren Grill anzuschmeißen, um uns körperlich (und auch mental) auf die Gastgeber Rotor vorzubereiten, die ihren instrumentalen Wüstenrock in die Menge auf dem Innenhof ballerten. Den weiteren Verlauf des Tages verbrachten wir entweder bei kühlen Getränken an der Theke, um uns von der Musik beschallen zu lassen, oder auf dem Zeltplatz.
Gegen Ende des Abends spielten dann Dampfmaschine aus Osnabrück, die man gerne als die Turbonegro Deutschlands bezeichnen kann. Mit ihrem energiegeladenen Alternative Rock steuerte das Festival auf das Grande Finale zu: Colour Haze. Während staubige Gitarren, dröhnende Drums und Bassläufe über die Menge hinwegfegten, merkte man, wie diese größtenteils in Trance versetzt wurde. Was aber auch an den Quellen eines bekannten, süßlich-würzigen Duftes gelegen haben könnte. Alles in allem sorgte eine der ältesten und wichtigsten Stonerbands Deutschlands für einen würdigen Abschluss.
Auf dem Rückweg liefen wir erneut durch den mittlerweile eingesetzten Regen. Anschließend legte ich mich zufrieden in mein Zelt. Leider wurde es keine ruhige Nacht, so wie ich es geplant hatte, da es unter anderem wieder bis frühmorgens Musik aus der Scheune dröhnte. Hauptsächlich lag es allerdings an dem immer stärker werdenden Wind und Regen. Nachdem ich dann merkte, dass die Heringe des Zeltes nicht optimal im matschigen Boden hängen blieben und mein Zelt sich zu verabschieden drohte, quartierten meine Freundin und ich uns kurz ins Auto um, um dort mehr schlecht als recht für einen kurzen Augenblick die Augen zu zu machen.
Am Sonntagmorgen mussten wir feststellen, dass das Wetter sich eher verschlechtert als verbessert hatte. Im Regen bauten wir unsere Zelte ab, während sich die Klamotten mit Regenwasser und die Schuhe mit Matsch vollsogen. Merklich schlecht gelaunt und mit dem sehnlichsten Wunsch, zu Hause in ein warmes Bett zu fallen, verstauten wir die letzten Sachen, um dann ein schönes, aber regnerisches Wochenende hinter uns zu lassen. Lediglich ein paar trockene Socken, die ich vor dem Regen retten konnte, konnten meine Stimmung wieder heben und ließen mich die knapp 400km und 6 Stunden Fahrzeit zurück nach Bremen überstehen.
Ein Treffen von Freunden
Abschließend ist zu sagen: Trotz des miesen Wetters, hat sich das Rotormania in meinem zweiten Jahr einen festen Platz in meinem Terminkalender gesichert. Es fühlt sich nicht an wie ein klassisches Festival, sondern eher wie ein angenehmer Campingurlaub mit 400 Freunden, bei dem Bands spielen. Die Atmosphäre ist friedlich und freundschaftlich. Auf die Kleinigkeiten, wie zum Beispiel den hausgemachtem Eintopf, den die Helfer jeden Tag frisch zubereiten, kommt es an. Die Gastgeber bemühen sich darum, allen eine schöne Zeit zu bescheren.
So kam der Gitarrist von Rotor im Vorjahr auf mich zu, als er meine mitgebrachte Cajon sah und meinte: „Dit is doch keene Kiste. Wenn de Bock hast, zeig ick dir een paar schicke Dinger, die ick selber bastel.“ Darauf führte er mich in seine Werkstatt, in der er neben ein paar alten Simson-Mopeds auch Cajons selber zusammenbaute. Solche Details zeigen mir, dass kleine Festivals einfach angenehmer sind als große Events, bei denen sich Zehntausende daneben benehmen. Es wirkt alles wie ein großes Familientreffen, bei dem sich alte Bekannte wiedersehen, um gemeinsam eine schöne Zeit zu haben und abgefahrene Bands live zu erleben.
Zwar mag die Art, wie man an die Tickets kommt, einigen ein wenig elitär erscheinen, aber es lohnt sich. Man muss sich per E-Mail bei den Veranstaltern melden und diese laden einen ein, wenn noch Platz ist (je nachdem, wie die Gäste des Vorjahres zusagen). Dies dient aber nicht der „Vorsortierung“, sondern einfach nur als Garantie dafür, dass das Rotormania nicht überläuft und das bleibt was es ist: Ein Treffen von Freunden und Musikliebhabern.
Arne Helms
Fotos: privat