Die Saison der Biergärten ist noch in weiter Ferne – doch bei Facebook haben Bierfreunde einen Ort gefunden, um schon jetzt das kühle Nass zu genießen. Das #socialbeergame erobert die sozialen Netze in Deutschland – und polarisiert. Zwischen Spaß, Gruppenzwang und Promille und warum man sich auch bei diesem Spiel an gewisse Regeln halten sollte.
Vor wenigen Tagen schockte eine Zahl das ganze Land. 94,6 Millionen Hektoliter. So viel Bier verkauften die deutschen Brauereien im Jahr 2013. Was ist so überraschend an dieser Zahl? Wie die dpa meldete, konsumierte man damit ganze 0,1 Millionen Hektoliter weniger als noch im Jahr 2012. Brauereien würden schon seit Jahren rückläufige Absätze verzeichnen. Und dabei schwächeln nicht nur die Exporte: Auch die Deutschen selbst scheinen dem herben oder süßen Nektar aus Wasser, Hopfen, Malz und Hefe immer weniger zugetan. Deutschland, Nation der Biertrinker – ein Titel, der bald nur noch mehr Schein als Sein ist? Doch pünktlich zum 10. Geburtstag der Social Media Plattform Facebook, wird uns dort die Lösung des Bier-Problemchens präsentiert: Seit einigen Wochen wird dort das #socialbeergame zelebriert. Es gibt wohl kaum einen Facebook-Nutzer, der noch keine Meldung oder ein Video dieser Bewegung angezeigt bekommen hat. Doch im Ausland gab es nun auch Todesfälle, die mit dem Spiel in Verbindung gebracht werden. Einfach nur Spaß oder ein gefährliches Spiel mit Alkohol? Das #socialbeergame polarisiert.
Ursprünglich kommt das Prinzip des #socialbeergame nicht aus Deutschland, sondern aus England. Wie sat.1 berichtet, entstand im Januar 2013 in England die Bewegung #necknominate auf sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook und Co. Dabei ist der Name Programm: „Neck“ ist das englische Wort für Nacken oder Hals und kann in diesem Fall als „Hals nach hinten biegen“ übersetzt werden. Diese anmutige Körperhaltung ist vielen hierzulande im Zusammenhang mit der Aufforderung „Exen“ bekannt. Dabei versucht der Aufgeforderte, in möglichst kurzer Zeit eine möglichst große Menge Alkohol zu vertilgen. #necknominate bedeutet also so viel wie exen und dann nominieren. Der von einem Freund oder Feind Nominierte hat 24 Stunden Zeit ein Video von sich auf eine Social Media Plattform hochzuladen, in welchem er einen halben Liter Bier vertilgt. Schafft er diese Challenge, darf er zur ´Belohnung´ selbst drei Freunde/Feinde nominieren. Und so verbreitet sich das Spiel und eine Vielzahl von Videos in rasanter Geschwindigkeit im Netz. Doch Obacht: Scheitert man an der Aufgabe, ist man nicht nur der Depp des Tages, sondern darf seinem Herausforderer auch noch einen Kasten Bier spendieren.
Nach dem gleichen Prinzip wie #necknominate funktioniert auch #socialbeergame in Deutschland. Laut der Mittelbayrischen haben zwei Studenten damit begonnen, in Deutschland das Bier zu leeren. Die bleiben aber lieber anonym, denn schließlich haben sie bereits tausende Kandidaten zum öffentlichen Alkohol-Genuss animiert. Natürlich sind die Datenschützer im Fall solcher Internet-Trinkspiele nicht weit: „Vergesst nicht, auch eure Arbeitgeber haben Facebook – und so ein Video verschwindet nie wieder aus dem Internet – Habt ihr gehört, lieber Kinder? NIE!“ Dem wollen wir auch gar nichts entgegensetzen. Dumm nur, wenn nicht nur deutsche Teenies und Studenten dem #socialbeergame frönen, sondern auch gesetzte Politiker ihre „Vorbildfunktion“ vergessen, sich ihren Wahlkampf schön trinken und dann ihre Gegenkandidaten nominieren. Oder wahre Video-Kunstwerke entstehen – einfach mal nach SocialBeerGame #1 bei YouTube suchen und staunen.
Doch wie immer gibt es zwei Seiten der Medaille: Wie die Dailymail vor einigen Tagen berichtete, starben in Irland nun zwei junge Männer während des Spiels. Einer von ihnen wollte sein Bier besonders waghalsig trinken und sprang von einer Flussbrücke. Wenige Stunden später wurde er tot aus dem Wasser geborgen. Das Problem bei #necknominate oder #socialbeergame: Wer kreativ und witzig sein will, der hat viele Möglichkeiten sein Bier zu leeren, doch manch einer sucht den besonderen Nervenkitzel, will sich besonders profilieren. Wer übermütig wird, der riskiert gerne zu viel. Ab diesem Moment wird es gefährlich. Auch wenn es heißt: “Sei kein Feigling und stell dich deiner Nominierung“ gibt es durchaus Optionen, seine Verweigerung stilvoll zu begründen: Inzwischen geht der Trend um, dass Nominierte, die das #socialbeergame sinnlos und dämlich finden, eine Spende an die Deutsche Kinderkrebshilfe oder ähnliche Organisationen spenden, anstatt einen Kasten Bier für den Herausforderer zu finanzieren. Auch das ist sicherlich eine Form, um von sich reden zu machen. Jedoch nicht aufgrund der eigenen Trinkfestigkeit, sondern einer guten Tat. Alternativen zum Alkoholkonsum gibt es natürlich auch: Wer keine Lust auf erhöhte Promillewerte hat, der greift einfach zu einem alkoholfreien Bier. In Deutschland gab es bisher noch keine Meldungen über Unfälle im Rahmen des #socialbeergames. Wenn man die Herausforderung mit Humor aber auch einer guten Portion Selbstbeherrschung annimmt, dann sollte das auch hoffentlich so bleiben. Die Aufforderung „drink responsibly“ muss einfach ernst genommen werden. Denn sonst wird aus einem witzigen Spiel ganz schnell gefährlicher Ernst.
Wer das beherzigt, der darf Kritikern gegenüber auch die Worte von Benjamin Franklin verkünden:
“Bier ist der überzeugendste Beweis dafür, dass Gott den Menschen liebt und ihn glücklich sehen will.”
Pünktlich zum 10. Geburtstag von Facebook prosten sich also immer mehr Bierfreunde in Deutschland zu – und so sorgt das #socialbeergame nicht nur für eine Menge Spaß, sondern könnte auch die Deutschen daran erinnern, wie schön so ein Bier mit guten Freunden eigentlich ist. Und das dürfte dann auch die Brauereien freuen. Jedoch sollte kein Teilnehmer vergessen: Auch ein Maß nur in Maßen!
Lisa Siewert