Schluss mit den gängigen Vorurteilen über Nachhaltigkeit. Sie geht über Elektroautos und teure Bio-Lebensmittel hinaus. In einer Welt des vielfältigen Essens und der schnellen Lösungen wird deutlich: Nachhaltigkeit ist für jede Person erreichbar. Sie ist keine exklusive und überteuerte Option, sondern möglich ohne das eigene Budget zu überlasten.
“Ich würde gerne mehr für die Umwelt tun, doch das ist leider immer mit Kosten und Arbeit verbunden. Den richtigen Moment um mal anzufangen, habe ich irgendwie nie gefunden.”, sagt Emilia. Eine Studentin aus Bremen, welche nach und nach umweltbewusster leben möchte. Nachhaltig leben on a Budget – klingt auch nach einer Herausforderung. Aber Nachhaltigkeit bedeutet nicht den gesamten Lebensstil von heute auf morgen zu revolutionieren. Vielmehr können kleine Veränderungen im Alltag einen großen Unterschied machen, und das, ohne das Bankkonto zu überstrapazieren. Emilia hat einige Ideen ausprobiert und sich mehr mit dem Thema beschäftigt: Wie kann man nachhaltig leben, ohne dabei arm zu werden?
Brauche ich das wirklich?
“Mittlerweile stelle ich mir bevor ich etwas kaufe eigentlich immer die Frage “Brauche ich das wirklich?”. Wenn die Antwort Nein lautet, gehe ich einfach weiter. Lautet sie hingegen Ja, versuche ich es am preiswertesten, aber auch am nachhaltigsten zu kaufen.” Insbesondere auf den gängigen Websites wird Emilia häufig fündig. Bei Vinted hält sie regelmäßig nach Kleidung Ausschau, bei Kleinanzeigen nach Möbeln und auf dem Flohmarkt wird gestöbert. “Früher habe ich nur Kleidung gekauft, die im Trend war. Sobald ich ein Reel mit einem neuen Oberteil oder einem nicen Paar Schuhe gesehen habe, musste ich es haben.” Die Beschreibung von Emilia trifft auf eine Art Phänomen zu: Fast Fashion.
Fast Fashion bezeichnet die schnelle Produktion und Vermarktung von Modeprodukten, die darauf abzielen, aktuelle Trends schnell und kostengünstig umzusetzen. Dabei werden oft kurze Produktionszyklen genutzt, um rasch auf sich ändernde Entwicklungen in der Modebranche reagieren zu können. Dieser Ansatz führt jedoch häufig zu Umweltverschmutzung, Ausbeutung von Arbeitskräften und einer hohen Verschwendung von Ressourcen. Besonders bei Fast Fashion Marken ist es meist schwierig, die gesamte Wertschöpfungskette nachzuvollziehen. Transparenz spielt jedoch eine entscheidende Rolle. Dies steht im starken Kontrast zu Fair Fashion, wo die Transparenz in der Lieferkette in den meisten Fällen höher ist.
Unsere Ernährung
Eine Studie der Harvard-Universität aus dem Jahr 2016 hat ergeben, dass tierisches Protein das Sterblichkeitsrisiko erhöht. Und auch immer mehr Menschen in Emilias Umfeld entdecken, dass vegetarische, vegane oder einfach bewusste Ernährung nicht zwangsläufig den Geldbeutel beanspruchen muss. Günstige Hülsenfrüchte, bezahlbare Gemüseoptionen und eine Menge Inspiration in den Sozialen Medien – die Auswahl wächst stetig. “Bisher bin ich einkaufen gegangen und habe genau die Lebensmittel gekauft, die nun mal kannte. Aber jetzt habe ich mich auch mal in der pflanzlichen Abteilung umgeschaut und ein paar coole Alternativen entdeckt. Das vegane Cordon-Bleu ist mein Favorit.”
Kleinigkeiten machen den Unterschied
Es gibt einige kleine Angewohnheiten im Alltag, die man mit Leichtigkeit ändern könnte. Beispielsweise Einkaufstüten aus Plastik kann man mit einem Stoffbeutel, einer wiederverwendbaren Einkaufstüte oder einer Papiertüte ersetzen.
Genau so auch mit Backpapier. “Ich habe von meiner Mama mal eine Backmatte geschenkt bekommen, die ich bereits seit Jahren nutze. Glaub das hat mir in Summe schon viel Geld gespart. Mehr als man vielleicht denkt.” Und damit hat Emilia vermutlich Recht. Denn hitzebeständige Backmatten kann man nicht nur für den Backofen, sondern ebenso für die Heißluftfritöse nutzen und kriegt man mittlerweile in fast jedem Supermarkt.
Auch sonst gibt es in der Küche einige Faktoren, die man nach und nach ersetzen kann. “Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich von Heute auf Morgen alles verändern muss. Aber eigentlich wäre es doch auch verschwenderisch, wenn ich die noch guten Sachen wegschmeiße und mir dafür nachhaltige Produkte kaufe.” Genau. In puncto Nachhaltigkeit sollte man sich selbst nicht zu sehr unter Druck setzen. Wenn man funktionierende Produkte zu Hause hat, sollte man diese nicht unnötig austauschen. Stattdessen sollte man diese Dinge erst ersetzen, wenn sie kaputt gehen oder leer sind.
“Bei mir sind es Bienenwachstücher. Die stehen schon lange auf meiner Wunschliste und werden gekauft, sobald meine Frischhaltefolie leer ist.” Bienenwachstücher können nach Benutzung einfach abgewaschen und im Schnitt 1-2 Jahre verwendet werden.
Geld sparen, anstatt Geld ausgeben
Wer Wasser spart, spart auch automatisch Geld. Entscheidend ist dabei allerdings nicht nur weniger Wasser zu verbrauchen, sondern es nicht unnötig zu erwärmen. In einem Durchschnittshaushalt werden nach Angaben der Verbraucherzentrale Niedersachsen etwa 14 Prozent der Energie zur Erwärmung von Wasser genutzt. Ein Teil davon kann beispielsweise mithilfe der ECO Programme von Waschmaschinen gesenkt werden. “Vor ein paar Wochen habe ich bei einer Freundin gesehen, dass sie einen Eimer in der Dusche stehen hat. So fängt sie das noch kalte Wasser auf und gießt damit ihre Pflanzen. Total schlau.”
Doch Emilia schaut sich, wie viele andere, nicht nur bei Freund:innen etwas ab, sondern ebenso bei ihrer Familie. “Meine Mama hat schon seitdem ich denken kann ihre Putzmittel selbst hergestellt. Waschmittel, Spülmaschinentabs und noch vieles mehr. Ich hingegen war dafür irgendwie immer etwas zu faul, um ehrlich zu sein. Hin und wieder gibt sie mir aber eine Packung mit.” Bei der Benutzung von Putzmittel fällt meist jede Menge Verpackungsmüll an. Oftmals ist beispielsweise jeder einzelne Spülmaschinentab in Folie gewickelt. Auch sind die Inhaltsstoffe häufig bedenklich und belasten auf Dauer Grundwasser und Umwelt, da einige auf erdölbasierten Chemikalien und Phosphaten basieren. Eine Lösung ist das benötigte Putzmittel selbst zu machen.
Nachhaltigkeit kann auch Spaß machen
“Für den Sommer habe ich mir vorgenommen auf meinem Balkon ein paar Kräuter zu pflanzen. Die kleinen Töpfe aus dem Supermarkt verwelken in meiner Küche super schnell.” Genau wie Emilia kann man nachhaltig leben und so ein neues Hobby ausprobieren. Man kann dadurch nicht nur Verpackungsmüll reduzieren, sondern auch sicherstellen, dass die Pflanzen frei von Pestiziden und anderen Chemikalien sind. “Töpfe und Reste von Blumenerde hat meine Mama mir mitgegeben.”
Veränderung braucht Zeit
“Ich habe in den letzten Monaten gemerkt, dass Veränderung Zeit braucht. Insbesondere wenn ich nachhaltiger leben und dafür keinen Kredit aufnehmen möchte.” Es geht darum, sich langsam an Veränderungen zu gewöhnen und kleine Schritte zu machen, die über die Zeit hinweg eine große Wirkung haben können. Ob es darum geht, beim Einkaufen auf Einwegplastik zu verzichten oder nach und nach auf umweltfreundlichere Alternativen umzusteigen – jede kleine Anpassung zählt. “Ich musste lernen, dass es okay ist nicht perfekt zu sein, solange man sich bemüht bewusste Entscheidungen zu treffen und sich kontinuierlich zu verbessern. Und auch wenn das mal nicht klappt, ist es vollkommen okay.”
von Alina Schmidt-Fischer