Hip-Hop boomt zurzeit wie kein anderes Musikgenre in Deutschland. So landen heute immer mehr Alben in den Top Ten oder sogar auf Platz 1 der deutschen Charts. Im Aladin & Tivoli fand über Ostern das diesjährige Mile of Style statt – erstmals in Bremen, wie gewohnt indoors. Vom vielversprechenden Newcomer bis zum hochkarätigen Headliner ließ das Lineup die Köpfe schon im Voraus nicken. Der Festivalsommer kann kommen.
Es begann im ostfriesischen Aurich
Mittlerweile ist das Mile of Style ein etabliertes Hip-Hop-Festival. Das Lineup wird von Jahr zu Jahr länger und bekannter. Der Veranstaltungsort wird gewechselt, die Säle werden größer – so zog das Festival von Aurich nach Leer und fand Ostern 2015 erstmals in Bremen statt.
Noch für 20 € konnte man 2011 einen Tag in Dinis Discothek in Aurich das neue Hip-Hop-Festival erleben. Ein Jahr später zog man um – ins Zollhaus in Leer. 15 Künstler schmückten das Programm zu der Zeit. Ein weiteres Jahr später wurde das Festival einen Tag länger und es kündigten sich nun über 40 Künstler an. In Bremen waren es dann über 50 Künstler, die eine bunte Mischung vom Hip-Hopper der alten Schule, bis zum „Rapper von der Straße“ boten.
Trotz der Entwicklung schwören viele Fans auf die persönliche Note des Festivals.
Der Samstag
Tag 1 begann ruhig. Einlass war um 15 Uhr. Aladin und Tivoli wurden aufgeteilt, sodass zwei Bühnen parallel bespielt wurden. Die Aladin-Bühne war den Headlinern bzw. „mainstreamigeren“ Künstlern und Newcomern vorbehalten. Im Tivoli gab es auf der Second Stage, Hip-Hop eher abseits der Charts – wobei diese Aussage zumindest bei den abendlichen Auftritten der Headliner nicht ganz zutraf.
Bis 18 Uhr versuchten unteranderem DJ Matsimum, Stunnah, SML oder Plusmacher das noch nicht vollzählige und scheinbar vom Freitagabend müde Publikum in die Gänge zu bekommen. So richtig sollte dies aber erst mit dem Auftritt von Zugezogen Maskulin funktionieren. Die nicht mehr ganz neue Neuentdeckung des deutschen Hip-Hops, bestehend aus Testo und Grim104, gibt es seit fünf Jahren. Aber erst das 2015 erschienene Album „Alles brennt“ machte die beiden Rapper zu DEN gehypten Newcomern – schon witzig. Mit ihrer besonderen Art, deutschen „Macho-Attitüden-Rap“ zu persiflieren und dies auf geisteskrank anmutende Art und Weise auf die Bühne zu bringen, überzeugten sie das Publikum und die Temperatur der Räumlichkeiten stieg das erste mal am Wochenende an.
Danach wurde auf der Mainstage die Frankfurter Flagge gehisst – nicht buchstäblich, aber was folgte, waren die Auftritte von Olexesh, Celo & Abdi und Xatar.
Parallel zu Xatar spielte um 21 Uhr Creutzfeld & Jakob auf der Second Stage. Die Hip-Hop-Formation aus dem Ruhrpott konnte zu meinem erstaunen einen großen Teil des Publikums für sich gewinnen, obwohl sie zum alten Eisen gehörend, für viele jüngere Besucher wohl eher Unbekannte waren.
Um 22 Uhr war es dann soweit, die große Entscheidung musste gefällt werden. Kollegah spielte als Headliner auf der Mainstage und Die Orsons spielten zeitgleich auf der Second Stage. Und was für eine gute Entscheidung es war sich für die kleinere Bühne zu entscheiden. Den Orsons gelang es mit der Uraufführung ihres neuen Albums „What’s Goes?“, schon am Samstag klarzumachen, wer das Highlight des Wochenendes war – mein persönliches definitiv. Mit Choreografien à la Boyband brachten sie das Publikum zum feiern und lachen gleichzeitig. Die den Tag über vernommenen Aussagen wie: „Im Knast war…“ oder „Auf der Straße ist…“, wurden bei den Orsons mit: „Bitte nehmt Rücksicht.“ oder „Wer von euch mag Obst?“ gekontert. Grandiose Stimmung bis zum letzten Sekunde der Zugabe.
Der Sonntag
Am zweiten Tag des Festivals war die Auswahl der Bühne – oder ob lieber vor der Tür – nicht mehr ganz so leicht. Audio88 & Yassin, Errdeka, Motrip, Karate Andi, Retrogott & Hulk Hodn, Prinz Porno und Haftbefehl standen unteranderem auf dem Programm.
Nach den ersten Unterhaltung des Tages stand fest, dass die Meisten dem Auftritt von Karate Andi entgegenfiebern. Der Rapper, der bei Selfmade Records unter Vertrag steht, überzeugt mit viel provozierender und asozial getarnter Selbstironie. Aber erstmal gab es Audio88 & Yassin auf die Ohren. Mit ihrem neuen Album „Normaler Samt“, das in der Review ziemlich punktgenau als „Hochgradig misanthropischer Metaebenen-Battle-Rap mit Hang zum Zynismus.“ betitelt wurde, brachten die beiden Künstler am Sonntag um fast 19 Uhr die Leute das erste Mal zum feiern.
Etwas zeitversetzt spielte auf der Mainstage Errdeka. Der Augsburger Rapper, der im Dezember 2014 schon im Bremer Tower aufgetreten war, begab sich wieder in die Hansestadt – mit Erfolg. Das Publikum war auf seiner Seite und gröhlte die Texte gekonnt mit. Nach dem Auftritt traf ich den jungen Bayern zufällig an der Bar und unterhielt mich über sein „Debütalbum“ „Paradies“ – netter Typ, gutes Album.
Dann folgte der ersehnte Auftritt von Karate Andi. „Das ist Mucke gegen Bonzen mit ihrem Platinschmuck / Das ist Andi / Willkommen im Karateclub.“, so begrüßt der Berliner sein Publikum mit dem ersten Track seines Albums „Pilsator Platin“. Und ab diesem Punkt eskalierte das Publikum bis zum Ende des Auftritts. Es war ein Meer aus springenden Menschen und auf-und-ab-wippenden Armen.
Um 21:40 Uhr betrat Prinz Porno aka Prinz Pi aka Prinz Porno die Bühne. Der auf seinem neuerschienenen Album „PP = MC²” versucht an seinen ursprünglichen Stil anzuknüpfen.
Um 23 Uhr war es dann Zeit für den Headliner der Headliner: Haftbefehl. Der Platz im Programm war für ihn alleine bestimmt. Es gab keine anderen Auftritte parallel. Das Aladin versammelte sich zum ersten mal am Wochenende gemeinsam vor einer Bühne. In gewohnt straighter Hafti-Manier zog der Frankfurter seinen Auftritt bis zum Ende durch, obwohl er spätestens nach den geworfenen Gegenständen nicht mehr allzu amüsiert schien. Dem Publikum fiel das nicht auf und so feierte die Menge zum böse klingenden Beats mit Gangster-Rap-Texten.
Das Resümee
Alles in Allem war das Mile of Style ein gelungenes Hip-Hop-Festival. Positiv hervorzuheben sind die günstigen Preise. Die 50 € pro Tag sollten für die Besucher ein gerechtfertigter Preis gewesen sein – gemessen am Lineup. Außerdem gab es Getränke und Verpflegung zu fairen Preisen.
Die erwarteten 4000 Besucher wurden, denke ich, nicht erreicht, was aber der Stimmung keinen Abbruch tat.
Problematisch waren die extrem spät bekannt gegebenen Spielzeiten. Zwar stellte man extra für das Festival eine kostenlose App zur Verfügung, aber stellte die Spielzeiten des Tages erst wenige Stunden vor Einlass online.
Das größte Problem allerdings war der Sound, denn die Anlage war nicht gut eingestellt. Selbst für einen absoluten Bass-Fanatiker wie mich, ich will es kaum schreiben, war der Sound viel zu basslastig. Die Höhen waren kaum wahrzunehmen. Und so wurde aus der Musik, je weiter man sich von der Bühne entfernte, nur noch unverständlicher Klangbrei. Zwar passte man dies für den Sonntag ein wenig an, aber insgesamt hätte ich mir von einer konzerterprobten Location wie dem Aladin mehr versprochen.
Man darf gespannt bleiben, ob das Mile of Style nächstes Jahr wieder nach Bremen kommt oder ob man aus dem Festival einen Wanderzirkus macht.