Der Satiriker Jan Böhmermann begräbt seinen Traum vom SPD-Vorsitz nun endgültig. Nach einer für ihn sehr enttäuschenden Mitgliederbefragung zur zukünftigen Spitze der Partei zieht er seine Bewerbung um den Parteivorsitz zurück. Seinen Unterstützerinnen und Unterstützern hinterlässt er allerdings ein engagiertes Versprechen.
Rückblick: Ankündigung der Kandidatur
Seit 2013 moderiert der Bremer Jan Böhmermann das Satire-TV-Format Neo Magazin Royale. Beiträge wie #verafake, mit dem Böhmermann Missstände in der Produktion und im Umgang mit den Kandidaten in der RTL-Sendung „Schwiegertochter gesucht“ kritisiert, oder sein „Schmäh-Gedicht“ über den türkischen Präsidenten Erdogan sorgen regelmäßig für Aufmerksamkeit und lösen öffentliche Debatten aus. In der Sendung vom 29. August 2019 kündigte Böhmermann dann an, er wolle für den SPD-Vorsitz kandidieren. Willy Brandt sei ihm im Traum erschienen, hätte ihn einerseits davon überzeugen wollen, für den Vorsitz zu kandidieren, andererseits aber auch deutlich gemacht, dass der aussichtsreiche Kandidat und aktueller Finanzminister Olaf Scholz für den Posten ungeeignet sei. Mit der Kampagne #neustart19 stieg Böhmermann dann in den Kampf um den SPD-Vorsitz ein. Bereits mit Ausstrahlung der Sendung sorgte die öffentliche Kandidatur des Satirikers für Kontroversen innerhalb der SPD. Böhmermann hingegen beteuerte die Ernsthaftigkeit seines eigentlich mit Ironie gespickten Anliegens. So wurde er am 02. Oktober 2019 als Mitglied der SPD vom Ortsverein Köthen aufgenommen und konnte seine Pläne weiterverfolgen. Kurios dabei ist, dass Böhmermann zuvor von verschiedenen SPD-Ortsvereinen abgelehnt wurde, unter anderem auch von dem in seinem Wohnort ansässigen Verein aus Köln-Ehrenfeld.
Kampf um SPD-Vorsitz nun ohne Böhmermann
Wenige Tage vor dem Rücktritt von seiner Kandidatur hatte Böhmermann noch ein Video veröffentlicht, in dem er sich für die aus seiner Sicht begangenen Fehler in der SPD-Historie entschuldigt hatte. In diesem als Proklamation betitelten Video stellt Böhmermann die Ausrufung der Republik in Deutschland durch Philipp Scheidemann nach, welche bis heute als eine der Sternstunden der deutschen Sozialdemokratie gilt.
Das Video, das sich wie ein Lauffeuer im Internet verbreitete, glänzt zwar durch den typisch böhmermann’schen Sarkasmus. Allerdings ist auch anzumerken, dass bei der entscheidenden SPD-Mitgliederbefragung im Oktober 2019 punktete dann jedoch nicht Böhmermann, sondern die Duos Klara Geywitz und Olaf Scholz sowie Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Beide Teams konnten damit ihrer Favoritenrolle gerecht werden. Überraschend ausgefallen ist das Ergebnis also nicht – vermutlich auch nicht für Jan Böhmermann selbst. Gerade die vielen Stimmen für Vizekanzler Scholz und Geywitz scheinen Böhmermann aber zu stören, gelten beide doch als Befürworter der großen Koalition, im Zuge derer die SPD massiv an Wählerstimmen verloren hatte. Zuvor hatte sich der Moderator in seinem Satireformat immer wieder über die SPD lustig gemacht und kritisiert, dass die aktuelle Politik der Genossen keineswegs für die von der potenziellen Wählerschaft geforderten sozialdemokratischen Werte steht.
Ganz unrecht hat Böhmermann damit wohl nicht, denn mit den auserkorenen Führungsduos wird sich die SPD aller Voraussicht nach nicht aus ihrem historischen Tief befreien können.
Engagement aus dem „sozialdemokratischen Untergrund“
Als Reaktion auf dieses klare Wahlergebnis, mit welchem die beiden nun nicht gerade für ihre progressive Politik bekannten Duos in eine weitere Abstimmung treten, zog der 38-jährige seine, wohl trotz mehrfachher Beteuerung, nicht ganz ernst gemeinte Kandidatur für den SPD-Vorsitz zurück. In einem auf Twitter veröffentlichten Brief erklärten Böhmermann und sein Team als Reaktion auf die Befragung an der lediglich 53% aller SPD-Mitglieder teilgenommen hatten, dass die Mehrheit der Sozialdemokraten „sich, ihre Hoffnung, oder gleich beides komplett aufgegeben“ haben. Für Böhmermann selbst sei sowohl die geringe Wahlbeteiligung als auch das Wahlergebnis Grund genug, nicht mehr für das prestigeträchtige Amt des SPD-Vorsitzenden zur Verfügung zu stehen. Anstelle dessen plant Böhmermann sich in Zukunft als Teil der „verdeckt und subversiv agierenden Parteiguerilla“ zu engagieren. Stattdessen wolle er ab jetzt aus dem „sozialdemokratischen Untergrund“ arbeiten und vermehrt mit Inhalten und visionären Ideen dazu beitragen, dass die in den letzten Wahlen und Umfragen so gescholtene SPD wieder Aufschwung bei den Wählerinnen und Wählern erfährt. Diese Position wird Böhmermann vermutlich auch um einiges besser liegen, da er dort weiterhin mit seinen satirischen Qualitäten glänzen kann und nicht durch eine vermeintlich gespielte Seriosität überzeugen muss.
Weitere Pläne
Um die SPD trotzdem im Rahmen seiner künstlerischen Möglichkeiten zu unterstützen, will der Moderater des „Neo Magazin Royale“ bis zum SPD- Bundesparteitag am 06. Dezember, an dem die zukünftige Spitze der SPD endgültig gewählt werden soll, jeden Montag eine Rede veröffentlichen, die aus seiner Sicht die wenig sozialdemokratische Politik der aktuellen Parteispitze wieder nach vorne bringt. Dabei spart der Satiriker weder an Showelementen noch an Satire: In seiner jüngst veröffentlichten Rede nach den Ergebnissen der Landtagswahl in Thüringen, bei der die SPD abermals ein historisches Tief erlebte, imitierte er die Kulisse einer „Make America great again“ Rede des U.S.-amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Wenngleich die Aufmachung der von Böhmermann veröffentlichten Videos in einer typisch überspitzten Manier dargestellt werden, ist anzumerken, dass sich Böhmermann durchaus mit den sozialdemokratischen Inhalten aus seinen Videos identifiziert, wenn auch auf seine eigene, satirische Art. Zumindest im Internet setzt Böhmermann sein Engagement für die SPD entsprechend seiner Kampagne #neustart19 so fort.
Jan Böhmermanns Eintritt und sein Engagement in der SPD hat durchaus hohe Wellen geschlagen. Auch wenn die alteingesessenen Parteimitglieder seiner Bewerbung zum Parteivorsitz scheinbar nichts abgewinnen konnten, so müssen sie sich dennoch eingestehen, dass der Moderator versucht hat, sozialdemokratische Inhalte wieder in den Vordergrund der Politik zu rücken. Wenngleich auch auf eine ironische Art und Weise.
von Florian Steverding
Bildquelle: Von Jonas Rogowski – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=31657596