Unsere Redakteurinnen verbrachten einen Vormittag im Focke-Museum und ließen sich von der Ausstellung Oh Yeah! Popmusik in Deutschland inspirieren. Die Ausstellung, die von September 2016 bis Juli 2017 in Bremen zu besuchen ist, ermöglicht, die verschiedenen Etappen der Popmusik auf eine originelle Art und Weise kennenzulernen.
Wer noch nichts vom Lipsi-Schritt, den Comedian Harmonists oder Ted Herold alias Elvis Presley gehört hat, wird bei Oh Yeah! auf eine andere Art und Weise an Geschichtsfakten und wichtige Musiker ihrer Zeit herangeführt. Mit Hilfe von Kopfhörern wird es den Besuchern ermöglicht, in verschiedene Musikstile einzutauchen und den Flair der Epochen im Ohr zu spüren. Die Ausstellung lässt sich sowohl chronologisch, als auch querbeet erkunden. Dies ist dem Besucher selbst überlassen.
Worum es geht…
Hauptbestandteil der Sonderausstellung ist die sogenannte Mainroad, die sich wie ein Zeitstrahl durch den kulturellen Background der verschiedenen Epochen zieht. Jede Musikphase trennt sich durch einen eigenen Korridor von den jeweils anderen ab. Von Swing, Beat und Punk bis hin zur neuen deutschen Welle und Hip-Hop sind alle Musikrichtungen vertreten. Die Ausstellung erstreckt sich somit von den 1920er Jahren bis hin zu aktuellen Sounds des 21. Jahrhunderts.
1920-1950
Die goldenen 20er leiten mit Erfindungen von Grammophon und Swing erste popmusikalische Anfänge in Deutschland ein. Interessant ist, dass sich die Ausstellung auf eine authentische Art und Weise mit den Umständen und historischen Ereignissen dieser Zeit auseinandersetzt. Gemeint ist in diesem Zusammenhang die Konstellation der Ausstellung und ihre pragmatische Ader. Besucher können sich akustischen sowie visuellen Reizen hingeben und in eine andere Welt abtauchen.
In den 30er Jahren wird auf zeithistorische Entwicklungen Bezug genommen. Die Verfolgung einiger Musiker durch die Nationalsozialisten wird beispielsweise an den Comedian Harmonists verdeutlicht, die sich auf Grund dieser Gegebenheiten auflösen mussten. Einige von ihnen mussten ins Ausland fliehen aufgrund ihrer jüdischen Identität. In der Nachkriegszeit bildeten Schlager, Rock ‘n’ Roll und Twist ein neues musikalisches Lebensgefühl. Wichtig ist an dieser Stelle, dass die Ausstellung eine merkliche Abtrennung zwischen DDR und BRD vornimmt. Anschaulich wird aufgezeigt, inwiefern sich die DDR abgrenzt und einige Musikstile und beispielsweise das Tanzen vom Twist verbietet. Sie versuchten den Lipsi als neuen Modetanz bei der Jugend beliebt zu machen. Hierzu hat die Ausstellung nicht nur eine Sound Station zum Twist-Hören eingerichtet, sondern es gibt auch eine Spiegelwand und aufgemalte Schrittfolgen für das Tanzen des Lipsi-Schritts, die direkt einmal ausprobiert werden können.
1960-1990
Die 60er Jahre bilden einen neuen Abschnitt in der deutschen Popmusikgeschichte. Mit den Hippie-Sounds und ersten Partykellern bricht eine neue Ära des Musikerlebens an. Weiterführend thematisiert die Ausstellung die ersten Open-Air-Festivals in Deutschland in den 70er Jahren, wie zum Beispiel das „Love + Peace“ Festival auf Fehmarn. Auch an dieser Stelle kann nicht nur die Musik der Epoche gehört, sondern auch Vitrinen mit Sammlerstücken, Bühnenoutfits und Musikinstrumenten bewundert werden. In den wilden 80ern rücken besonders die provokanten Bands in den Vordergrund. Hauptsächlich bildete die Musikrichtung Punk das Fundament dieser Zeit. Bekannte Bands wie Die Toten Hosen oder Die Ärzte werden in der Ausstellung genannt. Einen Kontrast zu diesem provokanten Musikstil bildet die neue deutsche Welle mit Stars wie Nena („99 Luftballons“) oder Trio („Ich lieb dich nicht“). Die letzte Station der Mainroad führt vorbei an Techno, Euro-Dance und Deutschrap der 90er Jahre.
Soundlounge und Videocloud
Während sich die Soundlounge längs der Mainroad erstreckt und zum Musikhören und zur Inspiration einlädt, befindet sich im vorderen Teil der Ausstellung die Videocloud. Hier können mehrere Streams und Musikvideos von aktuellen deutschen Popmusikern bestaunt werden und gleichzeitig der passende Musiktitel gehört werden.
Highlight
Ein weiteres Highlight der Ausstellung stellt der Beat-Club dar. Dieser originalgetreue Nachbau der Beat-Club-Bühne lädt zum Hinsetzen und Anschauen der Musiksendung ein. Es gilt in die Welt der 60er und 70er abzutauchen. Die erste Musiksendung mit englischsprachigen Interpreten im deutschen Fernsehen sorgte nicht nur für Begeisterung, sondern erntete Kritik in der damaligen Zeit. Die Erwachsenen befürchteten ein unsittliches Verhalten ihrer Kinder im jugendlichen Alter. Das Phänomen wird in der Ausstellung treffend ironisch dargestellt und auch in der Mainroad mit Hilfe von Bildern veranschaulicht.
Außerdem wird die nachgebaute Beat-Club-Bühne vom Focke-Museum als Veranstaltungsort für Konzerte und Workshops genutzt. Wer sich weiter informieren möchte findet hier das passende Rahmenprogramm.
Fazit
Abschließend können wir sagen, dass die Ausstellung mit insgesamt 90 Musiktiteln und 90 weiteren Radio-und Filmbeiträgen uns sehr gefallen und fasziniert hat. Die Geschichte der deutschen Popmusik wird auf eine ganz besondere Art aufgezeigt. Es wird gleichermaßen informiert und unterhalten. Das Focke-Museum setzt bei dieser Ausstellung auf interaktive Strategien, um jede Altersgruppe bestmöglich zu erreichen.
Uns hat besonders gut gefallen, dass die Ausstellung auf Andersartigkeit und Modernität setzt und klassische Museumsinhalte wie beispielsweise Vitrinen mit ausgestellten Artefakten modern in Szene setzt. Provokante Inhalte wie Abgüsse der Penes der Band Rammstein in Form von Dildos unterstützen den vielseitigen Charakter der Ausstellung. Gerade diese provokanten und frechen Elemente untermalen treffend die Entwicklung und Geschichte der Popmusik in Deutschland.
Herzlichen Dank an Cathrin Janke für die tolle und interessante Führung durch die Ausstellung.
Foto: ©Focke-Museum
Luisa Jendroska, Cathia Bösche