Nach dem weltweiten Erfolg des Romans von Paula Hawkins aus dem Jahr 2015 kam nun Ende Oktober der Film in die deutschen Kinos. Das Buch hielt sich zwanzig Wochen an der Spitze der britischen und amerikanischen Listen und schaffte teilweise Verkaufszahlen von 20.000 Exemplaren pro Sekunde. Nun haben die Leser dementsprechende Erwartungen an die Kinoversion. Eine Redakteurin hat sich den Film für euch angeschaut und einen Vergleich zum Buch gezogen.
Zum Inhalt:
Smartphone-Nutzern dürfte das heute fremd sein: Aus dem Zugfenster starren, die Häuser entlang der Strecke beobachten und sich das Leben der Bewohner ausmalen. Doch genau das macht Rachel, eine Alkoholikerin in den Dreißigern. Diese hat das Leben nicht mehr im Griff, seit ihr Mann Tom sie vor zwei Jahren verlassen hat. Sie fährt jeden Tag von ihrem Wohnort Ashtonbury nach London, obwohl sie inzwischen aufgrund ihres Alkoholproblems arbeitslos ist. Unterwegs hält der Zug vor einem Einfamilienhaus, das sie einst mit ihrem Ex-Mann Tom bewohnte. Tom lebt dort inzwischen mit seiner neuen Frau Anna und dem gemeinsamen Baby. Nebenan wohnen Megan und Scott, zu welchen sich Rachel ihre eigene Geschichte ausdenkt und sie als perfektes Liebespaar idealisiert. Für Rachel sind es „Jess und Jason“, die dort jeden Tag ihr perfektes Leben genießen, welches sie selbst so gerne hätte. Jedoch beobachtet sie eines Tages wie „Jess“ einen anderen Mann küsst. Kurz darauf wird diese als vermisst gemeldet und Rachel wacht mit einem Filmriss auf, der ihrem Alkoholkonsum geschuldet ist. Sie kann sich an den Abend, an dem Megan verschwunden sein soll, nicht mehr erinnern. Es beginnt eine Suche nach der Wahrheit, die sie in große Gefahr und auch in den Kreis der Verdächtigen bringt. Ist Rachel eine Lügnerin oder ein Opfer?
Die Besonderheit dieses Romans ist, dass die Perspektive zwischen drei Ich-Erzählerinnen wechselt: Rachel, Anna und Megan. Diese kommen abwechselnd zu Wort und erzählen so die Geschichte aus ihrer jeweiligen Perspektive. Der Leser verknüpft dann die einzelnen Handlungsstränge miteinander. Obwohl Paula Hawkins zusätzlich noch zwischen den Zeiten hin- und herspringt, hat man einen klaren Überblick, was wann passiert und in welchem Zusammenhang die Erzählung der Frauen mit der Handlung steht. Jeder Figur im Buch ist gleichzeitig das Schlimmste und auch das Harmloseste zuzutrauen. Genau das macht es auch so spannend zu lesen. Es gilt: Nichts ist so wie es scheint.
Zum Film:
Die Filmrechte für das Buch waren schon vor dessen Erscheinen verkauft. Die Rolle der Rachel wird von Emily Blunt übernommen, welche ihre Rolle wirklich überzeugend spielt. Die weiteren Hauptrollen sind an Rebecca Ferguson (Anna), Haley Bennett (Megan), Luke Evans (Scott) und Justin Theroux (Tom) vergeben. Buch und Film weisen einige Parallelen auf. Zum Beispiel greift der Regisseur Tate Tyler die wechselnden Perspektiven der drei Frauen wieder auf und gibt dem Zuschauer so einen Einblick in ihre Welten. Leider ist dies nicht ganz so gut gelungen wie im Buch. Manche Charakterzüge und Gedanken der Figuren werden nicht ganz so deutlich dargestellt. Außerdem verschwimmen die unterschiedlichen Perspektiven mehr und mehr und im Film scheint die Geschichte teilweise keinem roten Faden zu folgen. Im Buch wurden die einzelnen Kapitel mit einem Datum versehen, was im Film nicht der Fall ist. Ein weiterer Unterschied ist, dass die Handlung von London nach New York verlegt wurde, was jedoch an dem Inhalt insgesamt nicht wirklich etwas ändert. Jedoch wurden einige heftige Szenen zum Film hinzugefügt, an die ich mich im Buch nicht konkret erinnern konnte. Vieles musste optimiert werden, um den Ansprüchen eines Hollywood-Films zu genügen.
Fazit:
Ich bin mit großen Erwartungen ins Kino gegangen, da mir das Buch sehr gut gefallen hat. Ich war sehr gespannt, wie die Filmemacher die Handlung und die sich immer weiter aufbauende Spannung darstellen wollten. Dies ist ihnen zwar gelungen, jedoch war die Handlung im Buch viel klarer und deutlicher als sie im Film dargestellt wurde. Hier werden die Handlungsstränge ziemlich wirr durcheinander geworfen und verschwimmen dann irgendwann. Während ich das Buch gelesen habe, hatte ich ständig wechselnde Vermutungen, wer der Täter ist. Genau das hat das Buch so spannend gemacht. Im Film hatte ich dann auch solche Vermutungen, jedoch habe ich persönlich im Buch Rachel viel mehr verdächtigt als im Film, was daran lag, dass man als Leser eine bessere Einsicht in ihre Gedanken hatte. Es ist meiner Meinung nach ein guter Film, jedoch eher für solche Zuschauer, die das Buch nicht kennen. Wenn ich das Buch nicht gelesen hätte, hätte ich den Film höchstwahrscheinlich ganz anders wahrgenommen und interpretiert.
Paula Schlieper