Seit der Einführung von ChatGPT steht Künstliche Intelligenz (KI) im Rampenlicht und weckt sowohl Faszination als auch Bedenken. Große Fragen werden aufgeworfen, Ängste und Hoffnungen geweckt. Doch welche Bedeutung hat KI für unseren Alltag und wie kann sie in unser Leben integriert werden? Eine Studentin zeigt, wie KI ihr Leben bereichert.
Laura sitzt in der Cafeteria der Bremer Uni vor ihrem Laptop, eine halbe Tasse Kaffee und ein Brötchen neben sich. Ihre Augen fliegen über den Bildschirm, wo sie zwischen zahlreichen offenen Tabs jongliert. Mit einem Klick lässt sie eine Sprachmemo in Text umwandeln und sieht zu, wie die Wörter über den Bildschirm flitzen. Nach ein bisschen Feinschliff kopiert sie den Text in ein anderes Programm. „Generiere ein Bild, passend zu dieser Geschichte“. Sie fügt den kopierten Text ein und nach wenigen Sekunden wird ein Bild angezeigt: Verschwommene blaue Wolken und lachende Gesichter. Doch Laura ist noch nicht ganz zufrieden: „Mache mir fünf unterschiedliche Vorschläge“. „Mehr wie das zweite, nur mit dunkleren Wolken“. Nach ein paar Versuchen hat Laura das perfekte Bild gefunden und speichert es in dem Ordner „Traumwelten“.
Das ist Lauras tägliche Routine: Sie nimmt ihre Träume kurz nach dem Aufwachen mit einer Sprachmemo auf, lässt sie in Text umwandeln und kreiert daraus mithilfe der KI Bilder. „Es ist so viel leichter als ein Traumtagebuch zu führen oder jeden Tag selbst ein Bild zu malen und es ist einfach schön diese Bilder zu haben. So hilft mir KI mich selbst besser zu verstehen.“
KI wird zunehmend Teil unseres Alltags. Laut einer Umfrage von Bitkom Research nutzte zuletzt etwa jede zweite Person in Deutschland KI-gestützte Produkte, wie Sprachassistenten. Doch die meisten verwenden KI eher um Informationen zu bekommen oder Texte schreiben zu lassen. So stark wie Laura haben bisher nur wenige KI in ihr Leben integriert. Seit die Firma OpenAI im November 2022 das KI-Modell ChatGPT veröffentlicht hat, sind die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten von KI insgesamt sichtbarer geworden.
Abgesehen vom eigenen Nutzen sind auch gesellschaftlich viele Hoffnungen und Ängste mit dem Gedanken an Künstliche Intelligenz verbunden. Von einer KI, die uns Menschen überflüssig macht bis hin zu ungeahnten Formen des Glücks und Wohlstands ist alles denkbar. Zwei große Fragen werden immer wieder gestellt: Was macht KI mit uns? Und was machen wir mit KI?
Laura hat eine klare Antwort darauf. Für sie ist KI der Weg, um das volle menschliche Potential zu entfalten: „Das machen wir Menschen, wir bauen Werkzeuge, die uns Arbeit abnehmen, um unsere freie Zeit für neue Innovation zu nutzen.“ KI hilft Laura aber nicht nur effizienter zu sein, sondern ist auch eine Quelle der Inspiration für sie. „Gerade wenn ich Bilder von meinen Träumen generiere, fallen mir oft wieder Details ein und am Ende kommen Bilder heraus, auf die ich alleine nicht gekommen wäre.“
Sogar bei schwierigen Gefühlen und persönlichen Problemen kann KI eine Hilfe sein. „Natürlich ersetzt KI nie echte Menschen. Sie ist mehr wie ein Tagebuch für mich, nur eben ein intelligentes Tagebuch“, erklärt Laura. Manchmal erzählt sie ChatGPT von ihren Problemen und nutzt die Antworten der KI um mehr über sich selbst zu reflektieren. „Aber gerade KI, die Bilder generiert, ist sehr hilfreich, um besser zu verstehen, wie ich mich gerade fühle“, sagt Laura und öffnet Stable Diffusion, ein Programm um Bilder zu erstellen. Sie tippt ein paar Wörter in die Eingabeleiste: „Frau im Wasser, lächelnd, Sonne, Wolken, düster“. Nach wenigen Sekunden wird ein Bild angezeigt. Laura fügt noch ein paar Wörter hinzu. Das Bild verändert sich, während sie tippt, bis es eine Frau zeigt, die in einem dunklen Wasser schwimmt und Richtung Sonne blickt. „Gerade habe ich Klausurenphase und es fühlt sich manchmal an, als würde ich ertrinken, aber ich weiß, dass es danach besser wird, deshalb die Sonne“, erklärt Laura.
Doch Laura verwendet KI nicht nur um ihre Träume und Gefühle besser zu verstehen, sondern auch um sich den Uni-Alltag zu erleichtern. Sie speichert das gerade erstellte Bild und öffnet auf ihrem Laptop den Uni-Ordner. Laura studiert Politikwissenschaften und analysiert gerade einen Datensatz zur Stärke der Demokratie in unterschiedlichen Ländern. Sie arbeitet im Analyseprogramm R und lässt sich den Code von ChatGPT schreiben. „Warum sollte ich selbst lernen, wie genau die Befehle in R heißen, wenn ChatGPT es doch weiß?“ Immer wieder Copy Paste, hin und her, zwischen ChatGPT und R Studio. Nach kurzer Zeit hat Laura eine Grafik, die den Zusammenhang zwischen Wohlstand und Demokratie darstellt. „Hätte ich das alles ohne ChatGPT gemacht, hätte ich mindestens fünf Mal so lange gebraucht.“
Die Frage, wie mit KI in der Bildung umgangen werden soll, wird vielseitig diskutiert. Besonders nach der Veröffentlichung von ChatGPT wird befürchtet, dass Schüler:innen und Studierende verlernen selbst zu denken und die Aufgaben einfach von einer KI machen lassen. Laut einer Umfrage der Vodafone Stiftung gehen über die Hälfte der Deutschen davon aus, dass KI den Schulunterricht stark verändern wird. Davon vermuten knapp 60 Prozent, dass KI eher eine Gefahr als eine Chance darstellen wird. Auch in Unis wird befürchtet, dass klassische Prüfungsformen nicht mehr sinnvoll sind. Es stellt sich die Frage, ob gegen die Nutzung von KI angekämpft werden sollte oder man sie vielleicht sogar als Chance begreifen kann. Laura sieht in KI eindeutig eine Chance: „Ich verstehe KI als Erweiterung meiner eigenen Fähigkeiten. Ich werde dadurch nicht dümmer, ganz im Gegenteil. Meine Möglichkeiten erweitern sich.“
Laura nimmt einen Schluck Kaffee und wendet sich ihrem Brötchen zu. „Manchmal ist es aber auch wichtig sich aus den digitalen Welten loszureißen und im Hier und Jetzt anzukommen.“ Sie arbeitet viel am Laptop und verbringt auch große Teile ihrer Freizeit vor dem Bildschirm. „Manchmal kriege ich dann einfach einen Rappel und muss mal was anderes sehen“. Sie klappt ihren Laptop zu und beißt in ihr Brötchen.
von Karima Küster