Sind die Augen wirklich der Spiegel der Seele? Das konnten die Bremer am 29. Oktober 2016 in der Innenstadt selbst testen, indem sie Fremden eine Minute lang in die Augen schauten.
Nicht nur in Bremen, sondern auch in 194 anderen Städten und insgesamt 36 Ländern kamen an diesem Tag Menschen verschiedenster Herkunft und Kultur zusammen. In einer Zeit, in der der Blick öfter auf dem Smartphone liegt, als auf den Augen unserer Mitmenschen, ging es bei der Veranstaltung darum, Liebe und Menschlichkeit zu verbreiten. Dabei wurde der Blickkontakt zu fremden Menschen mindestens eine Minute lang gehalten, gesprochen wurde dabei zunächst nicht. Sinn des Ganzen war es, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und Brücken zwischen verschiedenen Kulturen, Altersgruppen und Menschen unterschiedlicher Herkunft zu schlagen. Während in Gesprächen normalerweise nach gemeinsamen Interessen gesucht wird, war hier zunächst die einzige gemeinsame Verbindung der Blickkontakt.
Woher kommt die Idee?
Die Veranstalter des Experiments nennen sich „The Liberators International“ und sind eine kleine Non-Profit-Organisation mit Sitz in Perth, Australien. Sie sind eine internationale soziale Bewegung, die öffentliche Demonstrationen für Frieden, Liebe und Menschlichkeit organisieren. Zur Durchführung des „The World´s biggest eye contact experiment“ konnten sich Freiwillige als Gastgeber für ihre Stadt anmelden und das Experiment so lokal organisieren und betreuen.
So sah das Experiment 2015 aus
Distanzierte oder doch offenherzige Norddeutsche?
An dem Experiment konnten Interessierte von 11 Uhr bis 14 Uhr auf dem Hanseatenhof in Bremen teilnehmen. Die Gastgeber haben durch Decken und Stühle eine einladende Atmosphäre geschaffen. Auch selbstgebastelte Plakate und Kreidemarkierungen luden Passanten zum Mitmachen ein. Entgegen dem Klischee der norddeutschen Distanziertheit nutzten viele Menschen die Gelegenheit, mit anderen in Kontakt zu treten. Die Dauer des Blickkontakts wurde nicht gemessen, sondern nach Gefühl unterbrochen.
So war das Experiment für uns
Zu unserer Überraschung waren wir bei jedem Augenkontakt sehr nervös. Die Umgebung wurde vollkommen ausgeblendet und die Konzentration lag einzig und allein auf den Augen des Gegenübers. Als der Zeitpunkt, an dem der Blick normalerweise abgewendet wird, überschritten war, haben wir Farbverläufe in der Iris, Reflexionen in der Pupille und die Mimik des Anderen bewusster wahrgenommen. Oft hat diese Nähe starke Emotionen ausgelöst, sodass Umarmungen, gemeinsames Lachen und die ein oder andere Träne völlig normal waren. Die Verbindungen, die beim Augenkontakt aufgebaut wurden, blieben auch bei kurzen Folgegesprächen und in stillen Momenten danach bestehen. Die Metapher der „Augen als Spiegel der Seele“ wurde durch den intensiven Blickkontakt für uns nachvollziehbar. Obwohl es sich bei dem Gegenüber um einen fremden Menschen handelte, hatten wir oft das Gefühl, unseren Partner zu kennen und in ihn „hineinschauen“ zu können.
Fazit
Wie sich herausstellte, ist eine Minute länger als erwartet. Der Drang, den Blick abzuwenden nahm jedoch mit der Zeit ab, wodurch das Experiment für uns eine ungewohnte, intensive, aber auch positive Erfahrung war. Es lohnt sich also, öfter mal seinen Blick für andere zu öffnen und seine Mitmenschen bewusster wahrzunehmen.
Lina Weimann und Antonia von der Beeck
Fotos: Antonia von der Beeck