Wir befinden uns im heimelig eingerichteten „Alten Saal“ der Schwankhalle zur neuen, monatlich stattfindenden Veranstaltungsreihe „Er will doch nur streiten“, mit wechselndem Talkgast und Live-Musik. Heute Moderator Axel Brüggemann gegen Lady Bitch Ray – Das Duell. Das war wohl nix. Unfreiwillig tiefe Einblicke, steile Kurven und flache Gesprächsthemen.
In die Jahre gekommene Cocktailsessel, Garderobenständer, Stehlampen – Wohnzimmer-Flair, und leider auch nicht unterhaltsamer als auf dem heimischen Sofa. Und auch die Zuschauer sind ziemlich verstaubt und größtenteils weit über 50. Spätestens hier hätte ich skeptisch werden sollen. Vielleicht soll Lady Bitch Rays Ficken-Fotze-Fäkalsprachen-Marathon als kleiner Jungbrunnen dienen und Opas altes Herz wieder zum Hüpfen bringen. Während ich weiter versuche, das Ganze hier irgendwie zu verstehen, ertönt ein nervtötender aber durchaus melodischer Jingel „Axel Brüüügemaaaannn“.
Auftritt Axel Brüggemann im grauen Glencheck-Anzug und Hornbrille. Brüggemann, seines Zeichens Journalist, Drehbuchautor, Moderator, angesiedelt zwischen Politik und Musik. So auch heute, denn eng gefolgt von Lady Bitch Ray, Rapperin, Feministin, Doktorandin im seriösen grauen Hosenanzug. Mit nackter, nur von Nylon verhüllter Kehrseite, versteht sich. Dr. Bitch Ray betritt den Saal in Gefolgschaft eines fast nackten Sklaven in Lederhöschen mit großem Stück Pappe in der Hand, wohl eine abgespeckte Version des Palmwedels. Damit lässt sich die Lady zwei ganze Stunden lang ein laues Lüftchen um die Ohren wedeln. Ich oute mich als Fan. Aber das war dann auch leider schon das Provokanteste am Abend.
Ich bin gekommen, um sie streiten zu sehen. Statt provokanten, reißerischen Fragen und frechen Antworten werden dem Publikum aber die immer gleichen, vielfach durchgekauten Fragen aufgerührt. Als dann auch noch die musikalische Begleitung der Veranstaltung, Frau Kraushaar, loslegte und auf eine wirklich nervtötende Art und Weise und so ganz ohne Singstimme begann von Stuten und Hengsten zu jaulen und als sogar die bis dato zufrieden scheinenden Rentner die Nase rümpften, war es auch mit meiner Engelsgeduld vorbei. Mir kam in den Sinn: Ich will meine drei Euro zurück!
Doch dann passierte das Unerwartete: Brüggemann, überaus streitlustig, wollte wissen, warum sein sonst so freizügiger Talkgast sich denn nie ganz ausziehe. Frau Bitch Ray spreizte daraufhin einfach mal ganz keck mal die Beine. Natürlich immer noch im vorne so seriös wirkenden Hosenanzug.
Nun kam Nylon ins Spiel. Nylon und ein winziger, offensichtlich verrutschten Spitzenstring. Und dann sah ich sie, Gegenstand eines literarischen Werkes und zahlreicher Raptexte. Der sagenumwobene Ort, Eldorado, Milch und Honig und so. Uh, das kriegt hier gleich eine ganz neue Bedeutung. Ich traute meinen Augen kaum. Während ich, erste Reihe, zwei Meter entfernt, noch in Schockstarre verharrte, wurde Oma neben mir erst richtig munter. Sie zückte ihre Kamera und hielt voll drauf während sie etwas von Sozialstudie faselte. Wow, dachte ich mir, die grade ein paar zarte Foto des Bühnenbildes gemacht hatte, vielleicht sollte die hier meinen Job machen.
Nach diesem erquickenden Vorfall und weiteren 30 Minuten gab es immer noch keinen ersehnten Streit. So lauschte ich halbherzig den Ausführungen über die Semiotik des Kopftuches. Mit anderer Erwartungshaltung wohl ein recht interessantes Thema. Und dann verschwand ich nach der Talkrunde und vor der angekündigten Tanzmöglichkeit so schnell und unauffällig wie nur möglich in die Nacht. Ohne Tschüss zu sagen!
Gesa-Marie Böhme