An der Universität Bremen wird Integration großgeschrieben. In Ergänzung zur Teilnahme an Sprachkursen werden Geflüchtete mit oder ohne Hochschulzugangsberechtigung im Tutorenprogramm optimal auf ein Studium vorbereitet. Das Programm vereint das Erlernen der Sprache und die Fähigkeit der Selbstorganisation und -reflexion. Wir haben mit einem Lernenden, zwei Tutorinnen und der Organisatorin des Tutorenprogramms gesprochen und somit einen Einblick in verschiedene Tätigkeitsbereiche gewonnen.
Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) zählt zu den wichtigsten Förderorganisationen für den internationalen Austausch von Studierenden. Das Förderprogramm Integra ist Teil des umfassenden Maßnahmenpakets, das bis 2019 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einer Summe von 100 Millionen Euro gefördert wird. Deutschlandweit können sich Universitäten und Hochschulen für das Projekt bewerben und Geflüchteten durch Sprachkurse und individuelle Betreuungsmöglichkeiten den Weg ins Studium erleichtern. Das Ziel der angehenden Studierenden ist es, die deutsche Sprache bis zu dem Niveau C1 zu erlernen, um ein Studium aufnehmen zu können.
Das Tutorenprogramm
An der Universität in Bremen können sich Geflüchtete über das HERE-Büro (Higher Education Refugee Entrance) bewerben, welches auch im Laufe des Projekts als Ansprechpartner fungiert. Das gesamte Lernpensum für die Flüchtlinge setzt sich aus 15 Wochenstunden Deutschunterricht und 15 Stunden Selbstlernen zusammen. Mittlerweile bestehen elf Klassen mit maximal 20 Lernenden, die auch durch das Tutorenprogramm betreut werden. Die Klassen werden in die Niveaustufen A1 bis C1 nach dem Europäischen Referenzrahmen eingeteilt, um die Geflüchteten bestmöglichst fördern und im Lernprozess begleiten zu können. Abschließend erfolgt ein Tests (DaF), der den Lernenden das erreichte C1-Niveau bestätigt. Koordiniert wird das Erlernen der Sprache vom Goethe-Institut im Rahmen des Unterrichts und vom Fremdsprachenzentrum der Hochschulen im Land Bremen (FZHB) im Rahmen des Tutorenprogramms. Für die Lernenden, so werden die Projektteilnehmer genannt, stehen die Entwicklung von Eigeninitiative und die intrinsische Motivation, sich eigene Ziele zu setzen, im Vordergrund. Ulrike Burger, die im FZHB das Tutorenprogramm für Geflüchtete betreut, berichtet uns von ihren Einschätzungen und Erfahrungen während der Startphase des Programms. Ende 2015 musste dieses innerhalb kürzester Zeit geplant und aufbereitet werden. Sie sieht große Potenziale im Programm, bezogen auf die Entwicklung des selbstständigen Lernens, als auch auf die Integration der Geflüchteten an der Universität. Ulrike Burger beschreibt die Tutorien am Fremdsprachenzentrum der Universität Bremen als besonders wichtigen Teil des Sprachprogramms. Jeder Lernende bekommt einen Tutor zugeteilt, den er einmal pro Woche trifft. Diese Treffen dienen unter anderem zur Motivation, Unterstützung im Lernprozess, Selbstreflexion als auch zur Empfehlung von Lernmaterialien. Die Programmleiterin lobt das Engagement der Tutorinnen und Tutoren. Sie freut sich über die hohe Motivation und den interkulturellen Austausch der Studierenden. Sie ist sich dennoch darüber im Klaren, dass es bei dieser Art der 1:1 Betreuung zwischen Tutor und Tutand auch mal zu Problemen kommen kann, da dort individuelle Lern- und Arbeitstypen aufeinander treffen. Unstimmigkeiten konnten bisher immer gelöst werden, da auch zwischen Ulrike als Koordinatorin und den Tutorinnen und Tutoren eine gute Zusammenarbeit besteht. Bezogen auf die Fähigkeiten, die eine Tutorin oder ein Tutor besitzen sollte, stellt Ulrike Burger vor allem Motivation, Empathie und soziales Engagement in den Vordergrund. Falls jemand Interesse daran hat, im Tutorenprogramm mitzuwirken, muss er oder sie außerdem ein ordentlicher Student an einer Hochschule oder Universität in Bremen oder Oldenburg sein. Die Mitwirkenden des Tutorenprogramms freuen sich immer über neue Gesichter!
Aus Tutorensicht
Einen wichtigen Bestandteil des Programms stellen die Tutorinnen und Tutoren dar. Zwei Tutorinnen haben sich für ein Interview bereiterklärt und einige Erfahrungen mit uns geteilt. Ein wichtiger Aspekt beider Mitwirkenden war zunächst das soziale Engagement, das bei der Arbeit mit Flüchtlingen im Vordergrund steht. Eine der Interviewten hat bereits dreijährige Erfahrung in der Flüchtlingsarbeit vorzuweisen. Beiden Frauen gefällt die enge Zusammenarbeit und das Vertrauensverhältnis, welches sich nach einiger Zeit zwischen ihnen und den Tutanden aufbaut. Die Lernenden machen große Lernfortschritte und werden sicherer im Umgang mit der deutschen Sprache. Auch Veränderungen im Arbeitsverhalten werden sichtbar. Viele Lernende werden mit der Zeit selbstständiger und betreiben einen großen Aufwand, um ihr weiterführendes Ziel, den sicheren Umgang mit der deutschen Sprache, zu erreichen. Die Tutorinnen sind davon sehr begeistert und freuen sich über die Lernerfolge ihrer Lernenden. Beide betonen besonders ihre positiven Erfahrungen beim Austausch mit anderen Tutoren im Rahmen des wöchentlichen Tutorentreffens. Das Schöne ist hierbei, dass sich gegenseitig geholfen wird und mit Rat und Tat zur Seite gestanden wird. Neben positiven Erfahrungen werden hier auch Schwierigkeiten mit den Lernenden angesprochen, die sich beispielsweise auf die Unpünktlichkeit einiger Tutanden bezieht. Außerdem sind einige Lernende zu fokussiert auf eine bestimmte Richtung und vergessen, dass das Tutorium in diesem Sinne keine Berufsvorbereitung oder Nachhilfe darstellt. Des Weiteren sehen einige Tutanden die Tutorien als weniger bedeutsam an als die Sprachkurse und benötigen mehr Hilfestellungen und Motivationen etwa bei der regelmäßigen Erstellung eines Online-Lerntagebuchs. Die Tutorentreffen dienen auch dazu, Verbesserungen vorzuschlagen oder Anregungen mitzubringen. Ulrike Burger reagiert auf Vorschläge stets offen und bezieht die Ideen der Tutorinnen und Tutoren gerne mit ein. Eine unserer Interviewpartnerinnen beschreibt Ulrike als „omnipräsent“ und mit stets offenem Ohr für ihre Mitarbeiter.
Aus der Sicht eines Lerners
Durch ein Interview mit einem Lernenden, der mittlerweile schon das B2 Niveau erreicht hat, konnten wir uns einen Überblick über seine Sicht auf den Projektablauf verschaffen. Er berichtet von der Intensität und dem hohen Aufwand, welcher mit dem Deutschlernen einhergeht, aber auch von der großen Chance, die er sich durch die Kurse des Goethe-Instituts verspricht. Auch die Tutorien empfindet er als hilfreich, da er die deutsche Sprache bei den regelmäßigen Treffen anwenden und sich mit seiner Tutorin über akademische Themen austauschen kann. Das Portal epos nutzt er regelmäßig und verfasst jede Woche einen Eintrag in seinem Lerntagebuch. Seiner Meinung nach lohnt sich der Aufwand, um sich in Deutschland viele Möglichkeiten offen zu halten. Der engagierte und sympathische junge Mann nutzt jede Chance, um sich auf sein Studium vorzubereiten und in Deutschland Fuß zu fassen. Er lässt sich von der Komplexität der Sprache nicht einschüchtern und erklärt uns stolz, dass er bereits Englisch und Französisch gelernt hat und somit mit bereits entwickelten Taktiken des Spracherlernens an die Aufgabe herantritt. Es hat uns gefreut zu hören, dass er stets einen Ansprechpartner zur Seite stehen hat und bei Problemen ausreichend unterstützt wird. Ebenfalls bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich sein Deutsch Monat für Monat und Woche für Woche verbessert und er, trotz der schwierigen Umstände, so positiv und offen an alle aufkommenden Aufgaben herantritt.
Ausblick
Dank eigener Erfahrung und Teilnahme an dem Integra-Tutorenprogramm als Tutorin, kann ich für mich und meine Kommilitonin sprechen und sagen, dass das Projekt für alle Beteiligten eine großartige Erfahrung darstellt. Besonders hervorzuheben ist die Zusammenarbeit der Tutorinnen und Tutoren und die Unterstützung von Seiten der Organisatorin. Der interkulturelle Austausch ermöglicht neue Sichtweisen in Bezug auf aktuelle Gegebenheiten, erweitert den eigenen Horizont und fördert einen offenen Umgang bezogen auf zwischenmenschliche Beziehungen. Um jedoch nicht das Ziel aus den Augen zu verlieren, ist es wichtig, Grenzen aufzuzeigen und die Aufgabe als Tutor oder Tutorin so wahrzunehmen, dass das Deutschlernen und die individuellen Ziele der Lernenden im Vordergrund stehen. Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass nur ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Nähe und Distanz zum Erfolg verhilft.
Von Cathia Bösche und Luisa Jendroska
Foto: Cathia Bösche